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Fighting with My Family – Kritik

Die schönste Szene in Fighting with My Family findet zwischen Tür und Angel statt: Die junge Wrestlerin Saraya (Florence Pugh) begegnet kurz vor einem entscheidenden Kampf ihrem großen Idol, Dwayne Johnson, und erhält Einblick in einen prägenden Moment seiner Karriere. Dieser umfasst auch Hutch Morgan (Vince Vaughn), den wir bis an diesen Punkt als den harten, zielstrebigen Trainer erlebt haben. Doch was Saraya von The Rock erfährt, wirft ein völlig neues Licht auf die Figur, die im Hintergrund stehend einfach nur ihren Job erledigt und genau in diesem Moment den Stereotyp, auf dem sie basiert, komplett hinter sich lässt.

Es ist das größte Kunststück, das Stephen Merchant in Fighting with My Family vollbringt – und zwar nicht nur im Hinblick auf Hutch Morgan. Auch darüber hinaus arbeitet der Regisseur und Drehbuchautor zu Beginn des Films intensiv mit Stereotypen, ehe er diese in vielschichtigere Charaktere verwandelt, die eine charmante Eigendynamik besitzen. Selbst wenn der Film schlussendlich den Konventionen einer klassischen Underdog-Geschichte folgt, sind die Gefühle, Wünsche und Träume der Figuren greifbar. Daran ändern nicht einmal die brachialen Auseinandersetzungen im Ring etwas. Im Gegenteil: Fighting with My Family balanciert sein Ensemble überaus feinfühlig. 

Besonders dann, wenn Saraya, die aus dem beschaulichen Norwich in England stammt, ihre Heimat verlassen muss, um sich als NXT-Kämpferin in Florida zu beweisen, kann Fighting with My Family die unerwartet feinen Facetten des Drehbuchs ausspielen. Hier geht es um eine Außenseiterin, die zwischen Karriere und Familie abwägen muss und sich genau im Labyrinth dieser Entscheidungsfindung verirrt. Dazu kommt ein Bruder, Zak (Jack Lowden), der den gleichen Traum verfolgt, sogar noch intensiver, und die Eltern Julia, (Lena Headey) und Patrick (Nick Frost), die wiederum durch ihre Kinder die Möglichkeit sehen, die eigenen Träume zu verwirklichen.

Doch das ist nicht möglich. Nicht nur, weil die wahre Geschichte, auf der Fighting with My Family basiert, das nicht zulässt, sondern weil der Film genau an den daraus resultierenden Konflikten am meisten interessiert ist. Über den Preis, den die Erfüllung unserer Träume kostet, hat sich Stephen Merchant viele Gedanken gemacht. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten wie etwa The Office mit Ricky Gervais suhlt sich Fighting with My Family allerdings nicht in den Niederlagen der Figuren und dem damit verbundenen Zynismus. Nein, aufrecht und herzerwärmend entfaltet sich der Film und überzeugt besonders in den Momenten der Stille, auch wenn sie beim Wrestling rar sind. 

Die eingangs erwähnte Szene markiert genau einen solchen Moment der Stille, der wunderschön und tragisch zugleich daherkommt. Das liegt auch daran, dass Fighting with My Family den Tanz in der Arena auf das Leben überträgt und mehr als nur einen richtigen Schritt findet. So verheerend eine falsche Bewegung sein kann: Es gibt immer eine Möglichkeit, die zerbrochenen Dinge zu reparieren und selbst im Scheitern eine neue Bedeutung zu finden. Und dann wäre da noch Florence Pugh, die sich nach Lady Macbeth, Outlaw King und The Little Drummer Girl endgültig als Schauspielerin beweist, die gar nicht schnell genug Hollywoods größte Bühnen erobern kann.

Fighting with My Family © Universal Pictures