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If Beale Street Could Talk: Wie Neugier und Melancholie in Nicholas Britells Filmmusik verschwimmen

If Beale Street Could Talk ist ein tragischer, aber auch ein unheimlich wunderschöner Film. Basierend auf der gleichnamigen Romanvorlage von James Baldwin zehrt die Verfilmung allerdings nicht nur von den geschriebenen Worten des Schriftstellers, sondern ebenfalls von der Inszenierung seitens Barry Jenkins – jenem Regisseur und Drehbuchautor, der sich zuletzt mit Moonlight in einen der aufregendsten Filmemacher des gegenwärtigen Kinos verwandelte.

Barry Jenkins besitzt ein bemerkenswertes Gespür, um sich seinen Figuren zu nähern und intime Bilder zu schaffen, die gleichermaßen zum Zeugnis von Schönheit und Tragik der Geschichte werden. Ein wertvoller Verbündeter bei diesem Prozess ist Komponist Nicholas Britell, der bereits im Zuge von Moonlight eine der erstaunlichsten und einfühlsamsten Filmmusiken der vergangenen Jahre geschrieben hat. Auch If Beale Street Could Talk bereichert er mit seinem Schaffen.

Atemberaubend sind die vorsichtigen, schüchternen Bewegungen, die Barry Jenkins und Kameramann James Laxton einfangen, wenn Tish (KiKi Layne) und Fonny (Stephan James) verträumt durch das sonnige, aber ebenso von Melancholie durchtränkte New York der 1970er Jahre schlendern. Erst dank Nicholas Britells Musik erreicht der Film jedoch ein Gefühl von Schwerelosigkeit und entführt in die verborgenen Winkel der Stadt sowie die heimlichen Ecken der Gefühlswelt von Tish und Fonny.

Schon in James Baldwins Roman erhält diese Gefühlswelt mit jeder Seite eine neue Ebene und wird zunehmend komplexer. Das in die filmische Form zu übersetzen, ist alles andere als einfach, gemeinsam mit Nicholas Britell findet Barry Jenkins trotzdem einen Weg, um so viele Zwischentöne wie möglich ins Kino zu transportieren. Der Score von If Beale Street Could Talk ist mal zerbrechlich, mal bedrohlich und dann frei von jeglicher Last, nur erfüllt von Träumen.

Besonders faszinierend gestaltet sich aber die Neugier, die in all den Kompositionen mitschwingt und selbst gegen die schwermütigsten Töne ankämpft. Diese Neugier deckt sich mit Tishs Charakter, die selbst im Begriff ist, die Welt zu entdecken, in all ihrer Erhabenheit und Schrecklichkeit. Zusammen mit der Musik bestaunt sie die Farben von Harlem und schreckt vor keiner Unebenheit zurück. Denn selbst wenn sie stolpert, selbst wenn sie fällt, wird sie von einer warmen Streicherdecke aufgefangen.

Sogar die ungewissen Klänge, die das Drama befeuern und um Fonnys Schicksal zittern lassen, beherbergen in ihrem Kern etwas Versöhnliches, etwas Sanftes. In jedem der sorgfältig gewählten Einstellungen von If Beale Street Could Talk verstecken sich verschiedene Facetten der aufwühlenden Liebesgeschichte – mit der Musik verhält es sich ebenso. Streicher und Blechbläser treffen in einem gelassenen, wehmütigen und dennoch einnehmenden Tanz aufeinander, um die Liebe zu erforschen.

Gegenüber dem Hollywood Reporter umschreibt Nicholas Britell seine Herangehensweise entsprechend: „The strings represent love and the brass represents the high highs and the low lows. The brass can feel like ecstasy, but it also can feel like a very deep melancholy.“ Und dann wären da noch die Jazz-Elemente, die If Beale Street Could Talk in einen Ozean der Nachdenklichkeit stürzen, in dem man für immer versinken könnte, während Trompeten, Flügelhörner und Waldhörner vorsichtig zum Mittelpunkt des Planeten vordringen.

If Beale Street Could Talk © DCM