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Manifesto – Kritik

Es geht um den ständigen Widerspruch und darum, dass sie eigentlich nichts zu sagen hat. Aus dem Off ertönt ihre Stimme. Es ist unverkennbar die von Schauspielerin Cate Blanchett, die zuletzt in Filmen wie Carol und Song to Song begeisterte. Doch dann tritt plötzlich eine Lehrerin ins Bild, eine Journalistin, eine Wissenschaftlerin. 13 verschiedene Personen verkörpert Cate Blanchett in der von Julian Rosefeldt konzipierten Installation Manifesto, die im Dezember 2014 über einen Zeitraum von zwölf Tagen in Berlin und Umgebung aufgezeichnet wurde und später im Australian Centre for the Moving Image, dem Museum für Gegenwart und der Park Avenue Armory in 130 minütigen Ausführung zu sehen war. Anfang des Jahres feierte das Werk schließlich in der rund 40 Minuten kürzeren Kinofassung auf dem Sundance Film Festival seine Premiere. Nun kommt das außergewöhnliche Gedankenspiel in die hiesigen Kinos und illustriert die Manifeste großer Denker unserer Zeit.

Es beginnt mit dem kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels, danach wird es knifflig, die während dem Prolog in Windeseile eingeblendeten Namen und deren Niederschriften zu identifizieren, wenn man nicht kundig der Materie ist. Manifesto fordert unmittelbar die Auseinandersetzung mit dem Gezeigten und fokussiert sich bei all dem Input auf eine strenge Inszenierung, die in ihrer Bewegung langsam und präzise genauso viele Räume erkundet, wie Cate Blanchett in verschiedene Rollen schlüpft. Ein Friedhof folgt auf ein Labor, die Räume eines Theaters auf jene der Börse. Manifesto befindet sich in ständiger Abwechslung und dennoch rahmt die Kamera jede angeschnittene Szenerie in klare Bilder, die bevorzugt das Geometrische suchen und sowohl beim Tanz als auch der Müllsortierung beruhigende bis routinierte Eleganz findet. Die jeweiligen Manifeste finden dabei wahlweise mittels Voice-over oder versteckt im Dialog ihren Weg in die einzelnen Episoden.

Unabhängig des gesprochenen Wortes interessiert sich Julian Rosefeldt vor allem für Abläufe und Prozesse. Gleich zu Beginn schenkt er seine gesamte Aufmerksamkeit einer lodernden Zündschnur, wie sie beständig auf den großen Knall hinarbeiten, der in seinem schlussendlichen Resultat mehr als vertraut ist. Der Weg dorthin bleibt jedoch einer der spannendsten Aspekte von Manifesto und so ist der Film selbst eine faszinierende Reflexion der eigenen Ambition. Wenn sich die Kunst und ihre Einflüsse selbst kommentieren: Nicht selten passiert es, dass Julian Rosefeldt einen Dialog unter den Manifesten eröffnet, etwa wenn Cate Blanchett als Nachrichtensprecherin während der Live-Aufzeichnung ihrer Sendung zu einer Reporterin schaltet, die vermeintlich über das Wetter spricht, in Wahrheit jedoch einen Austausch zwischen Künstlern und Philosophen eröffnet. Ähnlich passiert es zuvor in Form einer Handpuppe oder jener Cate Blanchett, die als Lehrerin ihre Klasse in Jim Jarmuschs Golden Rules of Filmmaking einweiht.

Aufmerksam sitzen die Schüler_innen im Raum und folgen jedem Wort der Lehrkraft an der Tafel, die sogleich auch Aufgaben zur Stillarbeit verteilt. Dann geht sie durch die Reihen und korrigiert jene Niederschriften, die sich nicht mit den von Lars von Trier und Thomas Vinterberg aufgesetzten Regeln in ihrem Manifest Dogma 95 vereinbaren lassen. „And don’t forget: the director must not be credited. All right? That’s very important!“ Ja, sogar Humor lässt sich in dieser unerwarteten Interpretation finden, die ab einem gewissen Punkt weniger auf das Verständnis des Inhalts eingeht, sondern schlicht auf die poetische Kraft der Aufnahmen in Verbindung mit der Sprache vertraut. Am Ende legt Julian Rosefeldt sämtliche von Cate Blanchett verkörperte Personen übereinander, wie sie ihre Manifeste aufsagen. Aus der klaren Sprache entsteht schnell ein chaotischen Summen aus verschiedenen Zungen, ehe sich der Gesang eines Chores offenbart. Ein schönes Schlussbild dieser geistreichen, wenn auch überladenen Odyssee.

Manifesto © Universal Pictures