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Revenge – Kritik

Wie aus einem stylischen Werbeclip wirkt die Welt in Revenge, dem Spielfilmdebüt von Coralie Fargeat. Die Sonne brennt, während sich im Pool einer prächtigen Villa mitten in der Wüste der strahlend blaue Himmel spiegelt. Es folgen warme Steine, üppige Glasfenster und ein Gefühl der Abgeschiedenheit: Hier, an diesem abgelegenen Ort, der nur mittels Helikopter erreichbar ist, können all die verborgenen Fantasien ausgelebt werden, für die in der echten Welt aufgrund von Familie und anderen Verpflichtungen kein Platz ist. Geschützt vom Wall der flimmernden Hitze gibt es keine Grenzen mehr, sodass ausschließlich die Lust das nachfolgende Geschehen prägt. Es ist der Luxus, der im unverschämten Ausmaß dominiert. Der Schweiß, der langsam triefend über nackte Haut rinnt. Und natürlich die perfekt geformten Körper, die sich mit verführerischer Eleganz durch vermeintlich transparente Gebäudestrukturen bewegen und versuchen, sich in ihrer Makellosigkeit zu übertreffen.

Eine voyeuristische Perspektive ist Revenge in diesen ersten Minuten keineswegs abzusprechen. Im Gegenteil: Coralie Fargeat positioniert ihre Kamera immer wieder in Winkeln, die dem Fetisch frönen und sich der Figuren über ihre Äußerlichkeiten annähern. Objektifiziert werden allerdings alle auftretenden Figuren, sowohl der wohlhabende Richard (Kevin Janssens), der mit seinen zwei Geschäftspartnern Stan (Vincent Colombe) und Dimitri (Guillaume Bouchède) ein hemmungsloses Jagdwochenende verbringen will, als auch die junge Jen (Matilda Anna Ingrid Lutz), die sich Richard als Geliebte angeschlossen hat, obgleich er eigentlich verheiratet ist. Doch ein Ehering ist in dem verbotenen Mikrokosmos nicht mehr von Belang. Hier existieren nur vier Körper und die Spielzeuge, mit denen sie sich die Zeit vertreiben, angefangen bei einem riesigen Fernseher im vom Sonnenlicht durchfluteten Wohnzimmer bis hin zu automatischen Feuerwaffen aller Couleur. 

Unverschämt muten sie an, die gierigen Blicke, die sich die Figuren gegenseitig zuwerfen und wie sie einander provozieren. Im Schutz der Nacht überwiegt noch der Spaß, das Verspielte. Am nächsten Morgen können sie der Reizüberflutung allerdings nicht mehr standhalten. Stan vergewaltigt Jen, was eine Kette verheerender Ereignisse auslöst, die von Coralie Fargeat trotz des exploitativen Unterbaus angemessen ernst und düster dargestellt werden. Eine notgedrungene Verfolgungsjagd, die mit einem drastischen Sturz endet: Bevor sich die Situation nicht mehr retten lässt, beschließt Richard seine Affäre über eine Klippe zu schubsen. Doch der angerichtete Schaden ist längst irreparable, völlig unabhängig davon, wie stolz die Männer versuchen, nach dem Chaos, das sie angerichtet haben, wieder aufzuräumen. Die Spuren einer Vergewaltigung lassen sich nicht so einfach verwischen, selbst mit Ressourcen, die unerschöpflich scheinen.

Während Coralie Fargeat die Männer in ihrer erbärmlichen Hilflosigkeit entlarvt, transformiert sie Jen in eine Überlebende, die im Bruchteil einer Sekunde eine Entscheidung treffen muss, die den Rest des Films bestimmt. Mit bemerkenswerter Konsequenz verfolgt Revenge daraufhin einem Rape-and-Revenge-Plot, der einem völlig unerwarteten Selbstbewusstsein zehrt und sich nicht von den unerträglichen Tropen der Gattung beeindrucken lässt. Stattdessen bahnt sich Jen ihren eigenen Weg durch den brennenden Sand der Wüste – entgegen jeder Überlebenschance, die ihr übertriebener Blutverlust mit sich bringt. Von einem realistischen Ansatz des darauffolgenden Vergeltungsakts will in Revenge aber niemand etwas wissen, sodass die Motive im Hintergrund das Erzählen übernehmen und geschickt die Erwartungen unterwandern. Plötzlich erweitern ungeahnte Facetten die denkbar einfache Geschichte und dienen gleichermaßen der Stringenz sowie sie weitere Winkel dieses tödlichen Labyrinths offenbaren.

Schonungslos zieht Coralie Fargeat mit ihren Figuren ins Gericht, will den Schmerz, die Qual spürbar auf die große Leinwand bannen. Kein Meta-Kommentar und kein ironischer Bruch können die Gewalt in diesem Albtraum zwischen moderner Architektur und der unbarmherzigen Natur verharmlosen. Revenge bringt eine überwältigende Rohheit mit sich, die schlussendlich dazu führt, dass die eingangs als makellos eingeführten Körper vollständig zerstört werden. Am Ende fließt der Schweiß nicht mehr lasziv über die Haut, sondern verbindet sich mit einer Mischung aus Blut und Dreck, als hätte der apokalyptische Sandsturm aus Max Max: Fury Road auch in Revenge seine Spuren hinterlassen, vom Überlebensinstinkt einer Furiosa ganz zu schweigen. Gegen Jens stets deutlich sichtbare Wunden kann kein durchtrainierter Muskel ihres Gegenspielers etwas anrichten. Verloren dreht er sich zum Schluss im Kreis, ehe er seinem Untergang in die Augen blick. 

Revenge lieft im Rahmen der Fantasy Film Fest Nights am 05. Mai 2018 in Berlin.

Revenge © M.E.S. Productions – Monkey Pack Films