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Star Wars: The Force Awakens – Kritik

„A long time ago in a galaxy far, far away…“ Über eine ganze Dekade ist es mittlerweile her, dass jener ikonische Schriftzug im leuchtenden Blau auf der großen Leinwand erschienen ist, um die Star Wars-Saga zu vollenden. Ein letzter Baustein, um den Brücke zwischen zwei Trilogien zu schlagen, die beide auf ihre eigene Art und Weise ins popkulturelle Gedächtnis eingegangen sind. Und jetzt passiert es erneut: „There has been an awakening. Have you felt it?“ Begünstigt durch Walt Disneys Übernahme von Lucasfilm erwacht die Macht zu neuem Leben und ausgerechnet J.J. Abrams, der erst vor ein paar Jahren der U.S.S. Enterprise einen frischen Anstrich verpasst hat, wurde dazu auserkoren, ein weiteres Kapitel des legendären Sternenkriegs aufzuschlagen. Eine wohl überlegte Wahl – immerhin versteht sich J.J. Abrams nicht nur perfekt in der Tradition von Regisseuren wie Steven Spielberg und George Lucas, sondern hat neben Star Trek auch im Mission: Impossible-Franchise einen gekonnten Kurswechsel vorgenommen. Nun soll er einen Film für die Fans machen, wie es Lucasfilm-Präsidentin Kathleen Kennedy im Verlauf der vergangenen Monate immer wieder betont hat. Star Wars: The Force Awakens ist jedoch weit mehr geworden.

Bereits in diesem Punkt versteckt sich die große Magie der neuen Episode: The Force Awakens lässt sich nicht vom Fanservice versklaven, sondern versteht es sehr wohl, eigene Akzente im Star Wars-Universum zu setzen. Natürlich fällt der Auftakt der Sequel-Trilogie keineswegs so radikal aus wie die Prequels ihrerzeit, trotzdem finden J.J. Abrams und Star Wars-Veteran Lawrence Kasdan in ihrem Script (basierend auf Ideen von Michael Arndt) einen Weg, der gleichermaßen verspielt wie ausgeglichen das Alte mit dem Neuen kollidieren lässt. Bereits im vertrauten Opening Crawl wird die Suche nach einem Jedi-Ritter angedeutet. Dazu kommt die Tatsache, dass ein Astromechdroide als Behältnis geheimer Pläne zweckentfremdet wird und im Hintergrund braut sich der ewige Kampf zwischen Gut und Böse an, konkret in Form des Resistance und der First Order. Dennoch greifen schon hier die ersten Veränderungen, nicht zuletzt deutet die zentrale Frage, wo denn Luke Skywalker (Mark Hamill) sei, eine Erschütterung in der Grundkonstellation des Ur-Ensembles an. Auch Han Solo (Harrison Ford) und General (!) Leia (Carrie Fisher) finden erst später ihren Weg in die Handlung. Zuerst sind es unbekannte Gesichter wie die von Rey (Daisy Ridley), Finn (John Boyega) und Poe Dameron (Oscar Isaac), die den ersten Akt des Weltraumabenteuers prägen.

Während sich Poe Dameron, seines Zeichens der furchtloseste Pilot des Widerstands, auf Jakku befindet, gehört Finn zu jenem Stormtrooper-Regiment unter dem Kommando von Captain Phasma (Gwendoline Christie), das im Begriff ist, eine Siedlung auf genanntem Wüstenplaneten anzugreifen, um Informationen hinsichtlich des Verbleibs von Luke Skywalker zu erhalten. Kaum hat der Wüstensand die Trümmer des Imperiums unter sich begraben, fallen die Streitkräfte der First Order ein und sorgen für ein Blutvergießen sondergleichen. Das unerbittliche Massaker nimmt seinen Höhepunkt, als Antagonist Kylo Ren (Adam Driver) befiehlt, alle Zivilisten erschießen zu lassen. Spätestens in diesem Augenblick hat Finn für sich beschlossen, dass er die First Order so schnell wie möglich hinter sich zurücklassen will und schlägt sich wagemutig auf die helle Seite der Macht, wenngleich er vorerst in erster Linie Abstand von der dunklen gewinnen will. Schon an diesem Punkt offenbaren J.J. Abrams und Lawrence Kasdan eine Facette von Star Wars, die – obgleich sie geradezu omnipräsent in jedem Film zu sehen ist – bis dato eine verborgene war: der Blick hinter die Maske.

Schockiert über das soeben erlebte stülpt sich Finn den Sturmtruppenhelm über den Kopf und zeigt der Welt sein wahres Gesicht. Er ist kein austauschbarer Kampfroboter und auch keine gesichtslose Nummernfolge, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut. Dennoch wird er sogleich von Captain Phasma zurechtgewiesen, was ihm einfällt, einfach so die Uniform abzulegen. Die vollständige Enthüllung benötigt mindestens noch einen weiteren Freiheitsschlag – und dieser bringt ihn wieder zurück in die Wüste der Ungewissheit, wo er auf Rey trifft, die mittlerweile BB-8, Poe Damerons Astromechdroiden mit den geheimen Plänen, eingesammelt hat. Es ist ein ständiges Hin und Her, das J.J. Abrams und Lawrence Kasdan veranstalten und dementsprechend wird in Star Wars: The Force Awakens viel, wirklich sehr viel gerannt. Ein aufregendes wie spannendes Abenteuer, in das man sich wahrhaftig hineinstürzen kann, ist die siebte Episode trotzdem geworden, selbst wenn die Zerstörung der Starkiller Base im Finale wie ein formhaftes Déjà-vu des ursprünglichen Sternenkriegs erscheint. Das Drehbuch vermag diesen erprobten roten Faden jedoch brillant zu kaschieren, denn das tatsächliche Herz des Films besteht aus seinen Figuren und deren kongeniale Besetzung.

Mit unglaublicher Natürlichkeit betritt Daisy Ridley die Bühne des Star Wars-Universums. Ihre Rey ist eine Wartende, die sich das Überleben in einer lebensfeindlichen Umgebung selbstbeigebracht hat. Genauso wie Finn bricht sie aus ihrer kleinen Welt aus, lernt die unendlichen Weiten des Weltraums und sogar Bäume kennen. Dabei spielt die Dynamik zwischen den Schauspieler_innen zweifelsohne eine entscheidende Rolle. Daisy Riley und ihre zwei Co-Stars, John Boyega und Oscar Isaac, haben damit aber keinerlei Probleme, obwohl ihre Figuren aus den unterschiedlichsten Winkeln der Galaxis kommen. Taktvoll lernen sie sich kennen und zu diesem Kennenlernen gehört ab einem gewissen Zeitpunkt ebenfalls die Begegnung mit den alten Held_innen, die sich auf der einen Seite kaum, auf der anderen Seite allerdings komplett verändert haben. „Chewie, we’re home“, sagt Han Solo zu seinem treuen Weggefährten, als wären keine drei Minuten seit dem letzten Flug mit dem Millennium Falcon vergangen. Gleichzeitig stellt sich später heraus, was für gewaltige Spuren die Zeit hinterlassen hat, wenn sich Leia und Han im Resitance-Stützpunkt in die Arme fallen. Gänsehaut sorgt dieser Augenblick besonders deswegen, weil er einen Teil der Geschichte andeutet, den wir immer noch nicht kennen.

Die Figuren besitzen also nach wie vor die gleiche DNA anno dazumal und J.J. Abrams und Lawrence Kasdan verstehen sich erstaunlich gut darin, sie in einer gesunden Mischung aus Hommage und Wiedergeburt lebendig werden zu lassen. Darüber hinaus sind sie aber auch älter geworden, haben neue Erfahrungen gesammelt und werden nun mit der nächsten Generation konfrontiert. Ein Konflikt unfassbaren Ausmaßes, der am Ende sprichwörtlich sowie im übertragenden Sinn einen Graben zwischen die einzelnen Figuren reißt. Weder die Prequel- noch die Original-Trilogie hatten sich jemals vor dermaßen überhöhten Bildern gefürchtet und so schließt J.J. Abrams in seiner Inszenierung direkt an die Vorgänger an, wenn er etwa einen Raum komplett verdunkelt, wenn es zum Balanceakt zwischen der hellen und der dunklen Seite der Macht kommt. Allgemein erweist sich J.J. Abrams – wie vor ein paar Monaten Colin Treverrow bei Jurassic World – als äußerst aufmerksamer Beobachter seiner großen Vorbilder, der jedoch den Wissensvorsprung von jemanden genießt, der genau weiß, was er abseits des Vertrauten in einem Filmuniversum wie dem von Star Wars sehen will, wodurch Star Wars: The Force Awakens seinen eigenen Drive entwickelt.

Wie es zu erwarten war, hüllt sich Star Wars: The Force Awakens in den Mantel der Nostalgie. Im Gegensatz zur jüngsten James Bond-Mission, die ihr eigenes Franchise zu neuem Leben erweckte, nur um es direkt im Anschluss endgültig zu versiegeln, bringen J.J. Abrams und Lawrence Kasdan eine willkommene Frische mit, die einerseits den Staub von den Regalen wischt, andererseits in ihrem unermüdlichen Entdeckergeist kein Blatt vor den Mund nimmt und mitunter eine unantastbare Konstante wie den Millennium Falcon als „Garbage“ zu bezeichnet. Das Enttäuschendste an Star Wars: The Force Awakens mag in dieser Hinsicht sein, dass er Film trotz einer ordentlichen Laufzeit von 136 Minuten vor lauter Euphorie gar nicht dazu kommt, alle Winkel dieser weit, weit entfernten Galaxis zu entdecken, die er entdecken will. Aber vielleicht ergeht es dem neuem Krieg der Sterne wie seinem eigenen Bösewicht, denn dieser ist, sobald er seine Maske inklusive düster-verzerrter Stimme ablegt, nur ein Kind voller Unsicherheiten, das sich auf einmal in einer überlebensgroßen Auseinandersetzung wiederfindet. Zutiefst menschlich und unheimlich episch in der Weiterführung seiner Mythologie ist Star Wars: The Force Awakens in diesen Momenten.

Verträumt blickt Rey in die Unendlichkeit der Wüste, atmet durch und lehnt sich an ein graues Etwas, das sich in der nächsten Einstellung als gefallener AT-AT-Walker entpuppt. Dazu zieht John Williams am musikalischen Horizont alle Register und schafft womöglich den poetischsten Rahmen dieses Weltraummärchens, denn mit dem Klang der Sterne verhält es sich so wie mit der Macht: Er umgibt uns, er durchdringt uns und er hält uns zusammen. Wie so viele kleine Details in Star Wars: The Force Awakens setzt sich die Musik über die Wiederkehr altbekannter Motive hinweg und dringt in eine Vielfalt von Themes vor, die einmalig ist. Selten hatte ein Komponist die Möglichkeit, einzelne Motive über sieben Filme lang zu entwickeln. John Williams wird nicht müde, mit seiner Musik für Gänsehaut und Abenteuerlust zu sorgen, denn in ihr liegt – abseits der fantastischen Figuren mitsamt ihrer Besetzung – der unverwechselbare Herzschlag des Sternenkriegs verborgen. Ein aufbrausendes Streichorchester verbündet sich mit X-Wing-Fightern, die geradezu schwerelos über die Wasseroberfläche gleiten, und Lichtschwertklingen, die mit gewaltiger Wucht aufeinandertreffen. Pure Liebe!

Star Wars: The Force Awakens © Disney/Lucasfilm