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Suburbicon – Kritik

Nach Aruba, ins Paradies! Immer wieder vertrösten sich die Figuren in Suburbicon darauf, in die südlichen Karibik zu flüchten, um dort endlich Einzug in jenes sagenumwobene Paradies zu erhalten, obgleich die titelgebende Stadt im Zuge des Openings als exakt solches illustriert wird. Da wäre etwa die Aussicht auf ein schönes Haus mit idyllischem Garten und harmonischer Nachbarschaft. Die Sonne strahlt am freundlich blauen Himmel, das Gras ist saftig grün und jeder Einwohner geht vorbildlich seinen Aufgaben nach. Die 1950er Jahre waren nie perfekter und trotzdem ist dieses Paradies nicht genug, denn wie jede Fassade beginnt eines Tages auch diese zu bröckeln. Anfangs heißt es zwar noch, dass in Suburbicon, dieser tollen Stadt, alle Probleme verschwinden. Tatsächlich dauert es aber nicht lange, bis sie sich exponentiell vermehren und zu einer tatsächlichen Bedrohung werden. Einer Bedrohung, die Angst verbreitet und zerstörerische Reaktionen provoziert. Doch in Suburbicon, dem leider weniger tollen Film, fasziniert bloß die Möglichkeit anstelle deren Folgen.

Dabei mangelt es George Clooney, der mit Suburbicon seinen sechsten Kinofilm inszeniert, keinesfalls an Ehrgeiz, um seiner pointierte Groteske einen facettenreichen Unterbau zu liefern, der auf unangenehme Weise die Gesellschaft und ihre Strukturen auseinandernimmt. In der Theorie funktioniert der Film wunderbar, die tatsächliche Ausführung lässt allerdings eine gewisse Raffinesse vermissen. Fußend auf einem Drehbuch, das neben George Clooney und Grant Heslov von Joel und Ethan Coen geschrieben wurde, eröffnet die Handlung zwei große Schauplatze, die (vorerst) lediglich von einem niedrigen Zaun getrennt sind, über den der junge Nicky Lodge (Noah Jupe) mit Leichtigkeit zu den neuen Nachbarn klettern kann. Dort freundet er sich mit Andy (Tony Espinosa), dem Sohn der Myers, an, während die zugezogene Familie aufgrund ihrer Hautfarbe den Unmut der übrigen Einwohner von Suburbicon erregt. Der Konflikt scheint offensichtlich klar, wenngleich die Geschichte noch nicht einmal ihr komplette Potential entfaltet hat.

Was folgt, ist ein Einbruch, ein Mord, ein Betrugsversuch und eine Reihe (un-)glücklicher Zufälle. Der Schein trägt, das ist keine Frage. Im Drehbuch von Suburbicon sind jedoch einige Twists verankert, die das zuvor etablierte Weltbild auf den Kopf stellen und nicht müde werden, sich im Bereich des Makaberen auszutoben. Durch die Straßen von Suburbicon fließt das Blut einer rabenschwarzen Noir-Komödie, wie sie zweifelsohne mit der Handschrift der Coen-Brüder zu identifizieren ist. George Clooney, der als Regisseur bisher Großartiges wie Ernüchterndes geschaffen hat, fehlt in diesem Fall aber die große Vision für das Dilemma seiner Miniaturwelt. Hingebungsvoll entlarvt er Mechanismen die schlussendlich für den gnadenlosen Niedergang aller Parteien sorgen. Die bereits erwähnten Schauplätze verschmelzen allerdings nie zu einem großen Ganzen. Während im Hause Lodge vor allem das herrliche Schauspiel von Oscar Isaac sei insbesondere erwähnt – überzeugt, bleiben die Myers exemplarisches Beiwerk.

Da können Nicky und Andy noch so viele Grenzen überwinden, auf die Kinder hört niemand, obwohl sie in dieser abartigen Welt die einzigen sind, die die Wahrheit sehen und sagen. Gleich zu Beginn verklären Nickys Mutter Nancy (Julianne Moore) und seine Tante Margaret (auch Julianne Moore) ihr Leben, während der Junge vertieft in sein Spiel mit Plastiksoldaten den abstoßenden (Überlebens-)Kampf unter der glatten Oberfläche enthüllt. Die Entdeckung des Verborgenen bleibt allerdings ein (offenes) Geheimnis. Gehör schenkt ihm keiner der Erwachsenen, denn die spielen ein abgekartetes Spiel, das bei aller Perversion am Ende nur noch vom tragikomischen Kontrollverlust übertroffen wird. Suburbicon hat sichtlich Spaß dabei, diesen selbstverschuldeten Zerfall zu dokumentieren. Auf einen Schlusspunkt will sich der Film trotzdem nicht einlassen. Stattdessen verschiebt er unerwartet hoffnungsvoll den Konflikt in die Hände der nächsten Generation, die nicht mehr vom nächsten Aruba träumt, nachdem das aktuelle Paradies zerstört wurde, sondern im Baseballspiel zusammenkommt.

Bei all der Härte, die Suburbicon zuvor kolportierte, verwundert es durchaus, dass Julianne Moores beißend süßliches Lächeln sich nicht durchgesetzt hat – nicht einmal heimlich im Hintergrund dieser Eskapade verdorbener Seelen. Es verhält sich ähnlich wie mit Robert Elswits enttäuschenden Bildern, die sich in Schatten verlieben, aber niemals zum Grund dieser furchteinflößenden Gestalten dringen und somit wahre Tiefe vermissen lassen. Wo die Coens in ihren Werken mit durchdringender Kraft zum Kern zwielichtiger Wegbegleiter vordringen und dadurch den erschütternden Hall erzeugen, der für Magenschmerzen sorgt, ist sich Suburbicon der Dekonstruktion zu bewusst und schenkt den Figuren deutlich zu wenig Aufmerksamkeit. So erschrickt Gardner (Matt Damon), das Oberhaupt der Lodge-Familie, nicht nur aufgrund der Blutflecken, die ab einem gewissen Zeitpunkt sein weißes Hemd zieren. Nein, er erschrickt ebenfalls über den Umstand, dass er in den Hintergrund seiner eigenen Geschichte geraten, obwohl er es war, der unbedingt nach Aruba wollte.

Suburbicon © Concorde Filmverleih