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The Hunger Games: Catching Fire – Kritik

Größer, schneller, lauter: Die einfache wie handelsübliche Gebrauchsformel für Sequels aller Couleur greift natürlich nirgends kräftiger zu als auf Blockbuster-Niveau. Das Geschehen, das zuvor die Leinwand in Beschlag nahm, muss mit exzessiver Gigantomanie stets übertroffen werden – eine Ambition, die ärgerlicherweise im Regelfall den fortgesetzten Handlungsakt im Beben monströser Effekt-Gewitter erstickt, wenn selbiger nicht sowieso einem vorherige Ereignisse penetrant repetierenden Mechanismus unterworfen ist. Dass es sich bei einer Fortsetzung tatsächlich um die konsequente Weiterentwicklung einer Geschichte einschließlich derer Figuren handelt, bleibt rare Ware in Hollywood und besonders im Rahmen der dominierenden Franchises sucht der geneigte Cineast derzeit vergebens Neues. Sequels sind nur noch Lückenfüller kommender Prequels und wer momentan die Vorzüge eines Spin-offs genießen möchte, den enttäuscht die Ankündigung eines gesamten Reboots mit obligatorischer Origin-Story. Wenn jedoch eine zugrundeliegende Literaturvorlage existiert, ist zumindest theoretisch die Wahrscheinlichkeit höher, dass der Ausbau gegebenen Universums erfolgt. Im Fall von The Hunger Games: Catching Fire greift der fortsetzende Tenor vorbildlich mit der Adaption des zweiten Romans von Suzanne Collins ineinander.

Am Ende von The Hunger Games währte sich Protagonistin Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) in der Sicherheit der Unberechenbarkeit ihrer Taten. Dem Capitol mittels unerwarteter Handlung einen überlebensnotwendigen Streich gespielt, wollen die Mächtigen des ersten von insgesamt dreizehn Distrikten, die Lage schnellst möglich wieder unter Kontrolle bekommen. Die Mächtigen, das sind konkret President Snow (Donald Sutherland) und der neue Spielleiter der Hungerspiele Plutarch Heavensbee (Philip Seymour Hoffman). Den Spieß umdrehen heißt deren beider Credo und fortan wird die hinreißende Liebesgeschichte zwischen Katniss und Peeta Mellark (Josh Hutcherson) als Propaganda instrumentalisiert, um die bestehende Ordnung zum Wohl der delegierenden Schicht nicht aus ihrem Gleichgewicht zu bringen. Doch tief im Kern des Staates Panem hat der Spotttölpel den entscheidenden Funken der Revolution entfacht. Der Gedanke ist gesät. Was folgt, kann keine Macht dieser Welt aufhalten – selbst wenn das Plebs frei nach dem bewährten Leitspruch „Panem et circenses“ bei Laune gehalten und geblendet werden soll. Die in The Hunger Games lediglich skizzierte Zukunftsvision erreicht endlich ihr komplettes Ausmaß – die entlarvende Sogwirkung des fragwürdigen Spektakels inbegriffen.

Francis Lawrence verabschiedet sich großspurig von der Herangehensweise, die im vergangenen Jahr noch die Inszenierung von Gary Ross auszeichnete. Vom konträren Spiel des hektischen Schnitts sowie der verwackelten Kamera in der Arena im Gegensatz zur fulminanten Ausgestaltung der überdrüssigen Gesellschaft im Capitol ist kaum etwas übrig geblieben. Der überholte Bilderreigen präsentiert sich weitaus kontrollierter, was sich als zweischneidiges Schwert offenbart: Während die andauernde Bewegung in The Hunger Games den wilden Hergang der tödlichen Spiele geschickt suggerierten, gelingt es Francis Lawrence den entschärften Härtegrad nur bedingt zu kaschieren. Dennoch verkommt The Hunger Games: Catching Fire nicht zum harmlosen Kinderspiel, sondern ist sich allzeit seiner schwerwiegenden Thematik bewusst. Der Schatten der dystopischen Welt hüllt sich wie ein Mantel der Angst und Verzweiflung um das Gezeigte. Während im Kleinen ausschließlich das Überleben zählt, ereignet sich im Großen der Niedergang eines verlogenen Staates, wenngleich sich das Drehbuch von Simon Beaufoy und Michael Arndt im letzten Akt hauptsächlich auf die Vorgänge unter der Kuppel des Puppenspielers fokussiert und folglich ein Gros der späteren Entwicklungen per Dialog transportiert werden.

Wie ein jedes Sequel schlägt auch The Hunger Games: Catching Fire den Weg der Düsternis ein, entpuppt sich dabei jedoch nicht als uninspirierter Wiederholungsakt vorheriger Geschehnisse. Stattdessen gelingt der zweiten Suzanne Collins-Adaption in einem außerordentlichen Balanceakt genau das, was zuletzt David Yates im Rahmen der letzten Harry Potter-Filme vollbracht hat: Die tatsächliche Fortführung der zentralen Geschichte inklusive Expansion des eigenen Mikrokosmos. Während Francis Lawrence im epischen Gewand die mitreißende Odyssee seiner toughen Protagonistin erzählt, bahnt sich im Hintergrund respektive dem übergeordneten, großen Rahmen unaufhaltsam die überfällige Revolution gegen ein Regime an, das mit Angst und Schrecken die niederen Distrikte gnadenlos unterdrückt und ausbeutet. Dahinter versteckt sich in mehrerlei Hinsicht die vielschichtige Parabel einer klassischen Dystopie und gleichfalls ein Stück unentbehrlichen Abenteuergeists. Dementsprechend definiert sich The Hunger Games: Catching Fire als ausgeglichene Essenz packender Fantasy-Blockbuster im 21. Jahrhundert und punktet zudem mit einem raren wie emotionalen Zentrum: Namentlich Katniss Everdeen als starke Frauenfigur, umwerfend verkörpert von Jennifer Lawrence – von einem fantastischen Soundtrack aus der Feder von James Newton Howard ganz zu schweigen.

Die Tribute von Panem – Catching Fire © Studiocanal