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The New World – Kritik

Begleitet von Richard Wagners Rheingold lässt uns Terrence Malick gleich im Zuge der starken Eröffnungssequenz von The New World in eine neue Welt eintauchen, wenn im Jahr 1607 drei Schiffe aus England die nordamerikanische Küste erreichen. Zuerst blickt die Kamera nur vorsichtig durch kleine Luken und Spalten, ehe selbst der in Ketten liegende John Smith (Colin Farrell) Zeuge des hoffnungsvollen Schauspiels wird.

Nur wenige Filme vermittelten in ihren ersten Minuten ein so packendes Gefühl für den Aufbruch wie The New World. Passend zu Wagners Musik findet Terrence Malick Bilder, die von Neugier und dem Anbruch eines neuen Zeitalters künden. Der Wind in den Segeln ist förmlich zu spüren, die Erschöpfung der Reise vergessen. Jetzt wartet die Entdeckung, doch schon bald stellt sich heraus, dass der Mensch nur gekommen ist, um zu erobern.

So erhaben Terrence Malick die Natur in Szene setzt, so düster sind die Schatten, die er im Grün der Wälder ausfindig macht: Ehe sich die Siedler versehen, verwandelt sich das frisch gegründete Jamestown in einen matschigen Kessel, in dem Hunger und Leid die Überhand gewinnen. Die Träume sind verblasst, während Aussichtslosigkeit und Verzweiflung die schlimmsten Triebe der Siedler befeuern.

Dieser matschigen Trostlosigkeit setzt Terrence Malick die Figur Pocahontas (Q’Orianka Kilcher) gegenüber. Sie ist die jüngste Tochter des Häuptlings Powhatan, der auf die Taten der Fremden schließlich auch mit Gewalt antwortet. Obwohl John Smith Unterstützung beim Stamm der Eingeborenen sucht, soll an ihm ein Exempel statuiert werden. Pocahontas wirft sich zwischen die Fronten und wird damit selbst zur Außenseiterin.

Die junge Frau, der sich der Film zuerst über den unvoreingenommenen John Smith und später den tüchtigen Plantagenbesitzer John Rolfe (Christian Bale) annähert, gehört zu den faszinierendsten, komplexesten und schlussendlich tragischsten Figuren, die Terrence Malick in seinem Schaffen porträtiert hat. Sie wandelt so schwebend leicht zwischen den Welten wie die Kamera durch das Gras schleicht. Entkommen kann sie ihnen aber nicht.

Dennoch weiß The New World um ihre Bürde und bringt diese in jeder Faser des Films zum Ausdruck. Es ist eine zerreißende Beobachtung, zu sehen, wie Pocahontas an den Orten, die eigentlich Möglichkeiten versprechen, untergeht und sich in der verfremdeten Heimat verirrt, ehe die Fremde zur Heimat wird und die eigenen Wurzeln in Vergessenheit geraten, obwohl es im Reden der Leute um nichts anderes als die besondere Herkunft geht.

Zu groß sind die Distanzen – nicht nur die zwischen zwei Orten, die von einem Ozean getrennt werden, sondern auch zwischen den Menschen, die sich direkt gegenüberstehen, sich in die Augen blicken und trotzdem einander nicht verstehen. Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede bieten dafür nur Erklärungen auf den ersten Blick. Die Angst ist viel tiefer in den Menschen und dem gesellschaftlichen Gefüge verankert, als dass jemand ausbrechen könnte.

Trotz all der Momente des Aufeinanderzugehens, die The New World mal mit einem Erfolg, mal mit einer Niederlage dokumentiert, kommt Terrence Malick zu einem erschütternden Schluss, der sich der historischen Tragweite der Geschichte stets bewusst ist. Erstaunlich ist dabei, wie sein Film gleichermaßen als Kolonialepos wie als intimes Drama funktioniert, während die einnehmendsten Beobachtungen stets im Zusammenspiel mit der Natur stattfinden.

Bereits in seinem vorherigen Film, The Thin Red Line, setzte Terrence Malick bewusst auf den Kontrast zwischen dem von Menschen verursachten Grauen (in diesem Fall die Schrecken des Zweiten Weltkriegs) und der zerbrechlichen Schönheit der Welt, die sie umgibt. Obwohl sich das auf den ersten Blick nach einem Schwarz-Weiß-Denken anhört, lässt er in seiner Inszenierung viele Zwischentöne anklingen, die The New World so schmerzlich wie ergreifend machen. Ein ganz großer Film.

The New World © Warner Bros.