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War of the Worlds – Kritik

Sie sind größer denn je, die Spielberg Faces. Sowohl Mund als auch Augen nehmen unheimliche Proportionen an, verwandeln das Gesicht in ein pulsierendes Etwas, das sich nur mit absoluter Konzentration zusammenreißen kann. Anders als zuvor dient in War of the Worlds jedoch keine Euphorie im Angesicht des Staunens als Auslöser über dieses unverkennbare Spiel der Mimik. Nein, es ist die Angst, die den Menschen ins Gesicht geschrieben steht. Angst vor einer Bedrohung, die trotz ihrer augenscheinlichen Erscheinung unmöglich zu definieren ist.

Jetzt staunt das Kind nicht mehr, wenn das extraterrestrische Wesen die Erde betritt. Um an die Magie dieses gleichermaßen ersten wie unerwarteten Kontakt zu glauben, haben Rachel (Dakota Fanning) und Robbie (Justin Chatwin) schon zu viel zerstörte Realität erlebt, wenngleich das Verhältnis in Elliotts Familie vor der Ankunft des Außerirdischen ebenso zerüttet war. Nun geht die freundschaftliche Begegnung allerdings in kriegerische Konfrontation über und dennoch schweißt der Eingriff der dritten Art die Familie zusammen.

Einen Vorgang, den Steven Spielberg am Ende seiner Überlebens-Odyssee mit einem glücklichen Wiedersehen beantwortet, das auf der Oberfläche wie die unglückliche Erfüllung konventioneller Hollywood-Mechanismen wirkt. Tatsächlich sind die Wunden aber immer noch offen und egal wie beflügend das, durch die herbstlichen Straßen fegende, Laub versöhnen mag: Diese Wunden werden nie geschlossen.

Bereits als 1975 der weiße Hai die große Leinwand in Beschlag nahm, inszenierte Steven Spielberg nicht bloß einen weiteren dieser Katastrophenfilme, die sich in der Schaulust ihres Terrors sonnen. Nein, Jaws mauserte sich vom schlichten Tierhorror zur furchteinflößenden Parabel. Sowohl die Geschichte als auch das Setting sowie die Figuren, die selbiges bevölkern, fungierten als Spiegelbild eines Amerikas, das sich im traumatisierten Zustand befand.

Dabei erhob Steven Spielberg jedoch keineswegs den Zeigefinger, sondern erschuf schlicht ein filmisches Äquivalent des Zeitgeschehens. Drei komplett verschiedene Männer raffen sich aus den unterschiedlichsten Gründen zusammen, um Amity, die Heimat, und ihre Familie im Kampf gegen eine Bestie zu verteidigen, die in den Tiefen des Meeres lauert. Diese Bestie steht stellvertretend für alles Böse dieser Welt. Sie ist eine Gefahr, die bedroht, die konkret bedroht – selbst wenn ihre eigenen Antriebe ein unerkanntes Geheimnis bleiben und im besten Fall spekuliert werden können.

Auch in War of the Worlds erhebt sich die Gefahr aus dem Untergrund (mitunter auch aus dem Wasser und somit direkt aus dem spielbergschen Quell verheerender Bedrohung). Sie ist die ganze Zeit schon gegenwärtig gewesen und offenbart nun in Form von unerbittlicher Zerstörung ihr wahres Gesicht. Erneut erzählt Steven Spielberg also die Geschichte einer alles verändernden Katastrophe, nur bewegt er sich dieses Mal im metaphorischen Rahmen eines von 9/11 geschockten Amerikas, ohne den eigentlichen Bezug je auszusprechen.

Zwar wird Robbie seinen Vater, Ray (Tom Cruise), später fragen, ob die vonstattengehenden Geschehnisse Resultat einer terroristischen Attacke sind. Bevor es jedoch so weit ist und die Menschheit mit ihrer Vergänglichkeit und vermeintlichen Machtlosigkeit – beinahe schon eine erschreckende Bedeutungslosigkeit – konfrontiert wird, ertönt die Stimme von Morgan Freeman und rahmt den folgenden Weltuntergang in die Formalien eines Märchens ein.

Im Fall von War of the Worlds braucht es allerdings kein teaserndes „Once upton a time …“, sondern eine einfache Fragestellung, nämlich die nach unserer Existenz sowie deren Selbstverständlichkeit. Nach diesem mächtigen Prolog wechselt Steven Spielberg die Perspektive und stellt sich auf die Seite der Menschen, indem er fortan das Schicksal einer Familie im Mittelpunkt rückt.

Im Gegensatz zu früheren Spielberg-Filmen wie beispielsweise E.T. The Extra-Terrestrial hat sich diese Familie jedoch gewandelt, denn mittlerweile ist der Vater (wenn auch dafür die Mutter zur passiven sowie abstinenten Randfigur avanciert) keine fehlende Figur mehr, die sich irgendwo im Jenseits der Handlung herumtreibt und trotzdem Schmerz verursacht. In War of the Worlds ist der Vater da, er ist direkt bei seiner Familie, obgleich diese immer noch zerrissen und er Teil des weiterhin vorhandenen Schmerzes ist.

Besonders in puncto Vater-Sohn-Beziehung variiert Spielberg das Gefüge: Der Nachwuchs ist immer noch enttäuscht von der Vaterfigur und will sie verdammen, vergessen oder zumindest verdrängen. Doch Ray ist da und geht durch die Hölle, um seiner Familie schlussendlich das gescholtene Happy End, die einzige Aussicht auf einen Sinn in diesem Tohuwabohu zu ermöglichen. Bis es soweit ist, erwartet die Figuren eine Reise, wie sie in allen Spielberg-Film zu finden ist.

Wo die Protagonisten hier am Ende ankommen, scheint von keiner größerer Bedeutung. Schließlich bleibt das anfangs gesetzte Ziel trotz verschiedener Routen, trennender Entscheidungen und vermeintlicher Verluste bis zum Schluss bestehend. Viel wichtiger ist die Reise in ihrer bildlichen Eigenschaft und was die Familie erlebt, nachdem sie abrupt (also ganz unmittelbar und schonungslos) aus ihrem Alltag sowie dem amerikanischen Traum(a) herausgerissen wurde und sich jetzt auf der Flucht befindet.

Diese Odyssee führt den Vater mitsamt seiner Tochter und dem Sohn vom vertrauten Heim über Landstriche der Vernichtung bis hin zum vermeintlichen Hort der Sicherheit. Aufgedunsene Leichen schwimmen durch die Flüsse und ein brennender Zug teilt die aufgewühlten Menschenmassen, die sich ab einem gewissen Punkt nur noch durch die radikalsten Ausführung ihrer Überlebensinstinkte auszeichnen. Das Chaos hat die Überhand gewonnen, das Plädoyer für die eigene Existenzberechtigung der Menschheit bricht in sich zusammen.

Und dann betritt er sie, betritt der Mensch die verbrannte Erde. Von der Zivilisation ist nichts mehr außer die alles überdeckenden Blutlachen übrig geblieben. Keine Menschenseele streift durch diese magisch trostlose Märchenlandschaft, in der sich der Himmel verdunkelt und die Farbe der Natur in den roten Mantel des Blutvergießens gewandelt hat. Es ist das Rot, das im Prolog den Planeten der feindseligen sowie observierenden Spezies charakterisiert und kurz darauf den direkten Übergang auf die Erde markiert.

Es ist ein Rot, das sich symbolisch durch den gesamten Film zieht und im Finale trotzdem der grauen Tristesse von Zerstörung und Auslöschung weichen muss. überall Schmutz und Dreck, soweit das Auge reicht: Selten hat Steven Spielberg diese Welt in einen dermaßen beklemmenden Ort verwandelt. Angst und Schrecken steht der Menschheit ins Gesicht geschrieben. Gnadenlos treiben John Williams‚ Pauken das grausame Geschehen voran. Von dem Staunen des Lebens ist keine Spur mehr zu entdecken, obwohl Morgan Freeman mit beruhigender sowie zufriedener Stimme resümiert:

From the moment the invaders arrived, breathed our air, ate and drank, they were doomed. They were undone, destroyed, after all of man’s weapons and devices had failed, by the tiniest creatures that God in his wisdom put upon this earth. By the toll of a billion deaths, man had earned his immunity, his right to survive among this planet’s infinite organisms. And that right is ours against all challenges. For neither do men live nor die in vain.

War of the Worlds © Paramount Pictures