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Westworld – Season 1, Episode 4 – Recap

Während auf AMC der Start der 7. Staffel von The Walking Dead für Furore sorgt, feilt HBO sorgfältig am Ausbau seiner Westworld. Die vierte Episode der ersten Staffel, namentlich Dissonance Theory, beschäftig sich weiterhin mit Andeutungen hinsichtlich eines größeren Ganzen, das zu diesem Zeitpunkt der Handlung noch nicht klar ist, zieht aber im direkten Vergleich mit den vorherigen Episoden deutlich das Tempo an. Das Erwachen der künstlichen Intelligenzen ist nicht mehr zu stoppen.

Zuletzt war es Dolores (Evan Rachel Wood) die gegen jegliches Protokoll verstoßen und ihren eigenen Willen durchgesetzt hat. Gleichzeitig herrscht eine große Unsicherheit, was ihre Selbstbestimmung angeht. Es ist ein Lernprozess, der ohne Erfahrungen nicht vonstattengehen kann, egal wie schmerzlich diese sein mögen. Die Schöpfung von Jonathan Nolan und Lisa Joy befindet sich folglich nach wie vor im freien Fall. Womöglich ist dieser – mitunter unberechenbare – Akt der aufregendste. In welche Richtung zieht es die Menschen in Westworld? Eine Frage, die bisher nur unzureichend beantwortet werden kann, es allerdings auch nicht muss.

Nachdem die eleganten Opening Credits ein weiteres Mal verblüfften, widmet sich Dissonance Theory einem jener Gespräche zwischen Bernard (Jeffrey Wirght) und Dolores, wie wir sie schon des Öfteren bezeugen durften. Zwei Figuren in einem Raum unterhalten sich, einerseits geht es dabei um den konkreten Handlungsverlauf, andererseits den thematischen Überbau der Episode. Ein brillanter Expositionskniff, der sich organisch ins große Konstrukt der Serie einfügt, als wäre er nie für etwas anderes bestimmt gewesen.

Die Sitzungen zeugen darüber hinaus von einer funktionierenden Infrastruktur des Parks – allgemein begeistert Westword ungemein durch die lebendige Kulisse, die beiläufig mit essentiellen Details gefüttert wird. Jonathan Nolan, der dieses Mal zusammen mit Ed Brubaker das Drehbuch schrieb, versteht sich weiterhin meisterhaft darin, unfassbar viel Information auf den verschiedensten Wegen in eine Szene zu schleusen. Hannibal-Veteran Vincenzo Natali entpuppt sich als kooperativer Regisseur mit dem notwendigen Gespür, um all jenen Schnipseln genügend Raum zu verschaffen, um sich entfalten zu können. Dissonance Theory ist reich an Schätzen, die nur darauf warten, entdeckt zu werden.

„Do you know where you are“, will Bernard von Dolores wissen, die beinahe einen emotionalen Zusammenbruch erleidet und von unglaublichem Schmerz berichtet, den sie nie wieder vergessen kann. Als ihr Bernard anbietet, die grausige Erinnerung zu löschen, entgegnet sie ihm entgeistert: „Why would I want that? The pain, their loss… it’s all I have left of them.“ Ein Moment, der sitzt und weiter ausgeführt wird: „I think there may be something wrong with this world. Something hiding underneath. Either that or… or there’s something wrong with me. I may be losing my mind.“

Alice zweifelt immer noch an ihrer Ankunft im Wunderland. Zu viele Einflüsse und Erfahrungen, die es zu verarbeiten gilt – und das, obwohl in Dolores’ Unterbewusstsein höchstwahrscheinlich mehr Erinnerungen schlummern, als die meisten Besucher des Parks in der Summe aufweisen können. Hoffnung schafft nur die Aussicht auf einen Ausbruch, selbst wenn nie vollkommen klar wird, woraus Dolores im besten Fall ausbrechen könnte. Ist es der Sitzungsraum? Die ganze Anlage? Ist es ihr Körper? Oder ihr Geist? „I think I want to be free“, lautet der heimliche Wunsch voller Gewissheit im Ungewissen. Das Einzige, was Dolores jetzt tun muss, ist, das ominöse Spiel der Westworld durchzuspielen.

Auch der Man in Black (Ed Harris) hat sich auf diese Mission begeben. Ein tieferes, verborgenes Level der Westworld möchte er erkunden, das sämtlichen Besuchern bis dato verborgen blieb. Doch der mysteriöse Weggefährte verfügt über Informationen, über die sich nicht einmal die Parkleitung im Klaren ist. über Arnold weiß er bestens Bescheid – „you could say I’m here to honor his legacy.“ Auf seinem Weg zum Herz der Finsternis macht er die Bekanntschaft mit der kompromisslosen Banditin Armistice (Ingrid Bolsø Berdal), die offenbar zu den wenigen Westword-Bewohnern gehört, der er noch nicht so oft über den Weg gelaufen ist.

Allgemein interessant: Während der Mann in Schwarz eigentlich jedes Gesicht in der Westworld kennt, scheint er selbst derjenige zu sein, der draußen, in der echten Welt einen großen Namen hat. So groß, dass sich einige Gäste sogar dazu berufen fühlen, sich als Bewunderer seines Schaffens zu outen. „This is my fucking vacation“, bekommen sie im genervten Tonfall zurück. Alleine dieser kurze Austausch lässt einen jedoch vor Ehrfurcht erzittern: Was verbirgt sich außerhalb der Mauern des Parks? Und wo befindet er sich überhaupt, dieser Park?

Fragen über Fragen und dann sorgt auch noch jemand mehr oder weniger absichtlich für Unordnung. „The boss is disrupting so many storylines with his new narrative, it’s hard to tell“, antwortet eine Mitarbeiterin, als es im Kontrollzentrum um die zunehmenden Ausfälle geht. Ja, Dr. Robert Ford (Anthony Hopkins) plant etwas gewaltiges vor den Augen aller Anwesenden und trotzdem kann es keiner sehen. Erst, als er gegenüber Parkleiterin Theresa (Sidse Babett Knudsen) seine gottgleiche Macht demonstriert, wird das eigentliche Problem des Kontrollverlusts deutlich.

Weder Gäste noch Besucher sind außer Rand und Band, sondern Ford ist es, der zwar beteuert – im Gegensatz zu seinem ehemaligen Freund und Partner Arnold – nicht dem Wahnsinn verfallen zu sein. In Wahrheit hat er aber sehr wohl ein Experiment in die Gänge gesetzt, von dem es kein Zurück mehr gibt. „Ohh, upgrade. Nice!“ Was auch immer es genau bewirkt haben mag: Mittlerweile sind nicht nur einzelne Figuren auf dem Schachbrett betroffen, sondern eine ganze Armee bewegt sich auf Wegen, die sie eigentlich niemals hätten ergründen dürfen. „What does it mean?“„That I’m not crazy after all and that none of this matters.“

Anmerkungen am Rande:

  • Nur eine kurze Notiz zur Musik: Auf dem Klavier im Saloon bekommen wir dieses Mal ein trauriges Cover von A Forest von The Cure gespielt, während sich Scott Joplin heimlich mit Pineapple Rag in eine spätere Szene schleicht. Ansonsten weiß die Verwendung von Georges Bizets Arie Habanera aus der Oper Carmen beim Shooutout zu überzeugen und auch Ramin Djawadis Soundtrack nimmt stetig an Form an. Exzellent!

Westworld © HBO