Wenngleich mittlerweile selbst ein sprechender Waschbär für ausverkaufte Kinosäle sorgt, fällt es Hollywood immer noch schwer, eine adäquate Form für Videospiele auf der großen Leinwand zu finden. Seit nunmehr über zwei Dekaden bemühen sich Kreative aller Couleur die virtuellen Geschichten, die unter Umständen schon mehrere Generationen von PC-/Konsolen-Spielern inspiriert haben, ins Kino zu verfrachten. Der Erfolg war bis dato jedoch selten auf ihrer Seite. Angefangen bei Super Mario Bros. über Silent Hill bis hin zu Max Payne: Die Übersetzung ins andere Medium wird stets von unzähligen Missverständnissen begleitet, ohne je fruchtbaren Boden zu finden. Nicht einmal Hoffnungsträger Duncan Jones konnte mit Warcraft ein filmisches Denkmal schaffen, das dem unerschöpflichen Potential der Vorlage gerecht wurde.
Nur wenige Regisseure, wie etwa Paul W.S. Anderson mit seinen jüngsten Resident Evil-Verfilmungen, haben verstanden, was es bedeutet, die Dynamik eines Videospiels in zweistündigen Spielfilmen einzufangen. Es braucht also einen Auteur, um dieses virtuose Kunststück zu vollenden, weshalb Justin Kurzel als Regisseur für die Adaption von Assassin’s Creed von Anfang an eine überaus vielversprechende Wahl war, insbesondere nach seiner audiovisuell überwältigenden Macbeth-Interpretation mit Michael Fassbender und Marion Cotillard in den Hauptrollen. Seine Ambitionen sind unverkennbar. Dennoch stolpert er bei dem Versuch, die unendlichen Bewegungsabläufen eines Videospiels im Kino zu verewigen, wie die meisten seiner Vorgänger über zu viele Steine.
Dabei wählt Assassin’s Creed auf den ersten Blick den richtigen Weg: Nie geht es darum, ein perfektes Abbild des Videospiels in Filmform zu schaffen. Stattdessen fungieren die spielbaren Assassinen-Abenteuer als grobe Richtungsvorgabe und Inspiration, stehen einer eigenen Auslegung der Grundbausteine aber nicht im Weg. Das Resultat ist eine gesunde Mischung aus genügend Respekt vor dem Ausgangsmaterial und dem notwendigen Eigenwillen, um der Geschichte ihren eigenen Dreh zu verpassen. Ein starker Verbündeter hierbei ist Justin Kurzels Stammkameramann Adam Arkapaw, der sich an den ikonischen Silhouetten der Assassin’s Creed-Reihe orientiert und diese in eine atemberaubende Ästhetik hüllt, als wäre er direkt vom Macbeth-Set zur Ubisoft-Produktion übergegangen. Da können die Grundzüge des Franchises noch so etabliert sein: Diese Bilder heben es in die nächste Sphäre.
Assassin’s Creed lädt ein, zum Staunen. Gar nicht oft genug kann die Kamera den Blick über die Set Pieces schweifen lassen. Justin Kurzel weiß sehr wohl um die Stärken seines Films und wird nicht müde, Michael Fassbender mit leidendem Gesichtsausdruck in eine Welt zu verbannen, die ausschließlich aus Räumen besteht, die es zu erobern gilt. Gelegentlich verliert sich seine Inszenierung allerdings planlos in der Kulisse, sodass alles andere in den Hintergrund rückt – inklusive der Figuren und der Geschichte. Marion Cotillard, Michael K. Williams, Jeremy Irons, Brendan Gleeson und Charlotte Rampling trifft der Verschließ am härtesten. Was bleibt, ist die Pose – und die ist gerade zu Beginn der Handlung unheimlich nichtssagend. Jed Kurzels musikalische Kompositionen versuchen zwar mit aller Gewalt, die epische Erzählung ins aufregende Metier zu puschen. Allerdings braucht Assassin’s Creed erschreckend lange, um überhaupt in Fahrt zu kommen.
Ausschlaggebend dafür ist ein merkwürdiges Mysterium, dem sich der Film bedingungslos unterwirft, ohne genau zu wissen, warum er sich dafür so umständlich verbiegt. Unentschlossen und etwas ziellos bahnt sich das Drehbuch von Michael Lesslie, Adam Cooper und Bill Collage seinen Weg durch gleich zwei Parallelwelten, die es auf der einen Seite begierig entdecken, auf der anderen Seite jedoch am liebsten hinter den unbändigen Nebelschwaden versteckt lassen will. Ein ständiges Vorspiel für einen Höhepunkt, der niemals kommt, womöglich gar nicht existiert: Erst später bekennt sich die Narration zu den vonstattengehenden Konflikten, anstelle sie in verworrenen Verweisen unbeholfenen Andeutungen zu überlassen. Uninteressant sind die Themen von Assassin’s Creed nämlich keineswegs. Über weite Strecken bleiben sie bloß komplett unberührt in einer hinteren Ecke des Raums stehen, der eigentlich genügend Platz zur Entfaltung bietet.
Während die Vergangenheit mit der Gegenwart verschmilzt, eröffnet sich im Hintergrund ein Diskurs über Veränderung und die Notwendigkeit derer. Welche Rolle spielt das Individuum in diesem Prozess und in Anbetracht eines größeren Gefüges? Wie soll man beim Streben nach einer besseren Zukunft zurückblicken, selbst wenn dieser Blick aufgrund von Ahnen, die sich niemand aussuchen kann, ein frustrierender ist? Assassin’s Creed verfolgt diesen Blick dennoch geradezu mit beängstigender Obsession. Sogar existiert die Vorstellung, die Wurzel allen Übels am Schopf zu packen und auszureisen, bevor sie jemals Früchte tragen kann. Damit einhergehend: Ein Motiv von Leben und Sterben lassen, konkret in Form von Asssassinen, die sich über das Töten definieren und somit eine Ordnung des Guten (?) etablieren wollen, die den Lauf der Geschichte erneuert, verändert und variiert.
All diese Überlegungen bekommen in Assassin’s Creed aber kaum Platz geboten, den sie so dringend benötigen, um sich ordentlich zu entfalten. Selbst im Angesicht der üppigen Laufzeit gelingt es Justin Kurzel zu keiner Minute, seinen Film richtig zum Leben zu erwecken. Meistens geistern die Figuren durch leere Hallen, die festlich gedeckt sind, jedoch völlig statisch in ihrem Überschwang ersticken. Lediglich in einer Action-Sequenz, die sich über die Dächer der Spanischen Inquisition erstreckt, gibt Assassin’s Creed Ausblick auf das Feuer, das tief im Inneren des Films verborgen liegt, allen Bemühungen zum Trotz aber nie aussbrechen kann. Es ist eine schmerzliche Tragödie und eine Enttäuschung, bei all dem vorbildlichen Ehrgeiz, der dahinter steckt. Bleibt zu hoffen, dass Alicia Vikanders Tomb Raider-Reboot endlich denn Bann der Videospielverfilmungen im Kino bricht.
Assassin’s Creed © 20th Century Fox
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