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Baby Driver – Kritik

Als Baby Driver Anfang des Jahres auf dem SXSW-Festival seine Premiere feierte, wurde Edgar Wrights erster Film seit dem emotionalen Abschluss der Cornetto-Trilogie als Mischung aus La La Land und The Driver umschrieben – und tatsächlich: Der Vergleich kommt nicht von ungefähr. Keine drei Minuten vergehen, da rocken The Jon Spencer Blues Explosion mit Bellbottoms die große Leinwand, während quietschende Reifen den Asphalt zum Beben bringen. Im rasanten Takt der Musik folgt eine der wohl spektakulärsten Verfolgungsjagden, die es in den letzte Jahren im Kino zu sehen, furios gefilmt, geschnitten und in Szene gesetzt – als würde Edgar Wright all den Frust hinsichtlich seiner tragischen Marvel-Disney-Erfahrung mit Ant-Man in einer farbenfrohen Explosion Ausdruck verleihen. Baby Driver ist ein energiegeladenes Abenteuer, das die Straßen Atlantas zum Qualmen bringt und gar nicht erst daran denkt, auf die Bremse zu treten.

Baby Driver strahlt dabei nicht nur eine unglaubliche Lust an seiner Geschichte und den darin auftretenden Figuren aus, sondern vor allem eine Lust am Kino, das lebendig ist und sich ständig in Bewegung befindet. Pausenlos feuert Edgar Wright aus der Trickkiste, glänzt mit absoluter Hingabe und findet immer wieder einen Weg, um uns zum Staunen zu bringen. Aufwendig verspielt gliedert sich der Film sehr schön in die Filmographie des Regisseurs ein, der sich abseits von Shaun of the Dead, Hot Fuzz und The World’s End insbesondere mit Scott Pilgrim vs. the World unendlichem Ruhm als einer der aufregendsten Regisseure der aktuellen Kinolandschaft verdient hat. Seine Ideen mögen nicht unbedingt originell sein und die Vorbilder stets erkenntlich. Gleichzeitig arbeitet Edgar Wright dermaßen begeistert mit der all den popkulturellen Elementen, die ihn inspirieren, dass es eine pure Freude ist, ihm beim Ausprobieren zu beobachten und sich davon mitreißen zu lassen.

Jedes Mal, wenn Baby (Ansel Elgort), der titelgebende Fluchtwagenfahrer, den Playbutton seines iPods betätigt, erhält der Film einen neuen Boost, als würde jemand die Nitro-Einspritzung aktivieren. Jeder Schritt, jede Drehung, jede Bewegung ist auf die Sekunde mit der famosen Playlist des Soundtracks abgestimmt. Schon lange hat die Verbindung zwischen musikalischen Werken und bewegten Bilder nicht mehr so viel Spaß gemacht und für Entzücken gesorgt wie in Baby Driver. Edgar Wrights rasanter Erzähstil ist dabei schwindelerregend bemerkenswert, kann schlussendlich aber aber nicht kaschieren, das die emotionale Ebene am Ende im Rausch der Geschwindigkeit etwas untergeht. Baby, der aufgrund von Schulden an die falschen Menschen gerät, versucht eigentlich bloß, dem zwielichtigen Geschäft seines Auftraggebers den Rücken zu kehren. Kaum glaubt er sich auf der sicheren Seite, gerät er jedoch erst so richtig in die Untiefen der Kriminalität und es gibt kein Entkommen mehr.

Entgegen der gut gelaunten Attitüde, die Baby Driver im ersten Akt an den Tag legt, schreckt Edgar Wright mit fortschreitender Laufzeit nicht davor zurück, sich den unbarmherzigen Konsequenzen des Gangster-Plots zu widmen. Auf gewisse Weise ist Baby Driver überraschend kompromisslos, wenn es um die Schicksale der einzelnen Figuren geht – ein Umstand, der ebenfalls dazu beiträgt, dass der Film niemals zur Ruhe kommt und uns stets den Atem anhalten lässt. Das Drehbuch folgt derweil klaren Strukturen, doch gerade dieses einfache Grundgerüst ermöglicht später viele elegante Abläufe und verhindert ein Gefühl der Redundanz, wenngleich sich Baby Driver auf engem Raum bewegt. Verschiedene Dialogwechsel tauchen etwa in sich wiederholender Reihenfolge auf und verstecken in minimalen Variationen Hinweise auf den Fortgang des Geschehens. Einmal mehr beweist Edgar Wright, dass er ein Regisseur der Details ist.

Während es auf der einen Seite überaus vergnüglich ist, sich von all diesen Details in der Inszenierung überraschen zu lassen, wird Baby Driver auf der anderen Seite von einem übernatürlichen Drang nach Perfektion verfolgt. Wenn ein Auto auf der Straße hält, so parkt der Wagen im großen Bild gerahmt von seiner Umgebung, stets mit einem besonderen Augenmerk auf geometrische Muster und Formen. Dadurch entsteht eine gewisse Distanz, die darüber hinaus die Figuren unnahbar wirken lässt. Obwohl im Drehbuch selbst für die beiläufigsten Charaktere eine denkwürdige Szene niedergeschrieben steht, die bleibenden Eindruck hinterlässt, existiert eine gewisse Barriere, die Baby Driver nur in den seltensten Momenten überwinden kann. Das Paradoxe dabei ist, dass Edgar Wrights jüngstes Werk dennoch genau zu der Art von Filmen gehört, von denen man sich wünscht, dass sie niemals enden würde. Vielleicht gerade deswegen, um sich nicht eingestehen zu müssen, dass alles nur ein Film war.

Baby Driver © Sony Pictures