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Bridge of Spies – Kritik

Berlin steht in weißen Lettern vor schwarzem Hintergrund auf der großen Leinwand geschrieben, als würde Steven Spielberg das Setting seines jüngsten Werks in aller Deutlichkeit etablieren wollen. Tatsächlich befindet sich Bridge of Spies zu diese Zeitpunkt längst in einem fortgeschrittenen Stadium und die Tristesse des verregneten Brooklyns hat mit der winterlichen Spreestadt den Platz getauscht. Wie in einem Märchen fallen die Schneeflocken auf die Straßen und Janusz Kamińskis Kameraführung scheint diesen schwerelos zu folgen.

Ziemlich schnell wird die verschlafene Winterlandschaft jedoch vom Wahnsinn der geteilten Metropole vernichtet, sprichwörtlich in Form des Mauerbaus, der die Grenze zwischen Ost und West zur unüberwindbaren Barrikade werden lässt. Die Kälte den Augenblicks lässt den Atem in der Luft gefrieren und auch James B. Donovan (Tom Hanks), der sich stets auf überaus eloquente Art und Weise seinen Weg durch den Film bahnt, findet sich in einer Welt wieder, die er nicht (mehr) versteht. Er ist äußerst irritiert, wie er seinen sporadischen Kontakten in den jeweiligen Zonen zu verstehen gibt, denn trotz der konkreten Vorgaben seiner Mission verläuft er sich im düsteren Labyrinth des Kalten Krieges.

Bridge of Spies erzählt dabei vordergründig eine überschaubare Geschichte, basierend auf wahren Begebenheiten. James B. Donovan, der 1957 in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt den sowjetischen Spion Rudolf Abel (Mark Rylance) verteidigen soll, gerät kurze Zeit später inmitten des Konflikts zweier Weltmächte wieder, als ein Gefangenenaustausch auf dem Plan steht. Der zuvor erwähnte KGB-Agent soll in Berlin gegen den abgestürzten U-2-Piloten Francis Gary Powers (Austin Stowell) ausgetauscht werden.

Darüber hinaus gerät der amerikanische Student Frederic Pryor (Will Rogers) hinter der falschen Seite der Mauer in Gefangenschaft und James B. Donovan setzt sich den Gedanken in den Kopf, diesen ebenfalls in die Heimat zurückzubringen. Ein Umstand, der die sowieso angespannte Situation nur noch verzwickter macht – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass der Protagonist des Dramas unlängst vor seiner Ankunft in der besetzen Stadt ins Visier der unterschiedlichsten Parteien geraten ist. Aufgrund der engagierten Verteidigung des roten Feindes musste James B. Donovan beispielsweise nicht nur herablassende Blicke in der New Yorker U-Bahn ertragen, sondern wurde sogar zum Opfer eines Attentats, bei dem seine komplette Familie ums Leben hätte kommen können.

Das Drehbuch aus der Feder von Joel und Ethan Coen setzt in seiner Narration also deutlich früher an, als die Umschreibung des weltpolitischen Kräftemessens im Zentrum des Films erahnen lässt. Am Anfang steht die Familie und einer von Steven Spielbergs bodenständigen Idealisten, der an die Werte seiner Welt glaubt, wenngleich er dadurch im gesellschaftlichen Spektrum jener Zeit großzügig als Querdenker umschrieben werden können. Bängstigend und grausam ist die patriotische Idylle, die James B. Donovan umgibt und das moralische Dilemma seiner Figur in unvorstellbare Sphären katapultiert.

Trotzdem verweigert sich Steven Spielberg einer zynischen wie pessimistischen Herangehensweise. Völlig unabhängig davon, wie unfreundlich der Regen auf den Asphalt prasselt, durchdringt Bridge of Spies ein aufrichtiger Hoffnungsschimmer, wie er nur im verträumten Kino des Hollywood-Regisseurs zu finden ist, gleichwohl die Handschrift der Coen-Brüder durchaus ihre eigenen Akzente zu setzen weiß. Wo eben noch der schwere Unterton eines altmodischen Spionage-Thrillers den Ton prägte, breitet sich kurz darauf ein leichtfüßiger Klangteppich aus, der elegant zwischen Pathos und Satire balanciert – vereint unter der sorgfältigen Regieführung eines Filmemachers, der präzise die essentiellen Bestandteile seines Werkes herausarbeitet, ohne das filmischen Grundgerüst zu vergessen.

Mitunter verspielt präsentiert sich Bridge of Spies dadurch als vielschichtiges Unterfangen, das dem komplexen Themenspektrum mit unglaublicher Klarheit begegnet. Die Hysterie vom nuklearen Gegenschlag auf amerikanischen Boden findet genauso ihren Weg in das zweieinhalbstündige Epos wie das undurchsichtiges Chaos auf beiden Seiten der Mauern in Berlin. Einzelne Elemente dieses flächendeckenden Diskurses werden unter Umständen mit selbstbewusster Komik und Karikatur ad absurdum geführt, während andere von einer emotionalen Ader durchdrungen werden.

Richtig stark ist Bridge of Spies vor allem dann, wenn Steven Spielberg der coenschen Eloquenz keine Schranken setzt und in einzelnen Sequenzen nicht nur unglaublich viel Wissen und Respekt für die Inszenierung des Stoffs mitbringt, sondern diesem ein geradezu poetisches Eigenleben einhaucht. Es ist die unheilvolle Eleganz des Schreckens, die sich ebenso in Janusz Kamiński sagenhaften Bildern wiederfindet und Bridge of Spies ein ein erhabenes Gemälde der leisen Töne verwandelt. Und selbst wenn dieses Gemälde auf den ersten Blick von einer feinen Staubschicht bedeckt sein mag, gibt es immer noch das spärlich einfallende Sonnenlicht, das bei genauer Betrachtung etwas Überwältigendes offenbart.

Bridge of Spies © 20th Century Fox