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Casino Royale – Kritik

Ein Berserker zerbricht im Überschlag der Unschärfe.

Immer noch umwerfend, überwältigend: Im schwarz-weißen Grobkorn erwacht die Legende zum Leben, ein nüchterner Dialog manifestiert ihren Status und dann setzt Chris Cornells unverkennbare Stimme ein, den rauen Tenor des Films fortsetzend. Bereits in diesen ersten Minuten wirkt Casino Royale so selbstbewusst wie kaum ein zweiter Bond-Film. Über 40 Jahre konnte sich der Geheimagent im Auftrag ihrer Majestät ausprobieren. Auch Martin Campbell lenkte eine gute Dekade zuvor Pierce Brosnan gekonnt ins erste Abenteuer einer neuen Wodka-Martini-Ära.

Spielend leicht gelingt ihm infolgedessen die – durchaus radikale – Generalüberholung der Anthologie. Ein Mythos wird dekonstruiert und im gleichen Atemzug neu erschaffen. Und das mit einer solchen Präzession und Aufmerksamkeit, dass kein Detail verlorengeht.  Jeder Schnitt der unfassbaren Verfolgungsjagd per pedes sitzt im Takt zu David Arnolds treibendem Score. Und kaum löst sich ein Körper vom Boden, wirbelt Staub auf und der physische Vorgang ist regelrecht spürbar.

Rennen, klettern, springen: Es ist auf der einen Seite atemberaubend, wie befreit von jeglicher Last die Kamera von Phil Meheux die einzelnen Figuren verfolgt, sei es beim waghalsigen Manöver in schwindelerregenden Höhen oder schlicht der Ankunft im neuen Ambiente. Auf der anderen Seite bleibt Casino Royale eine Erfahrung im direkten Treiben. Die Übersicht beim Sprung entsteht dabei gerade durch die assoziative Aneinanderreihung des Bewegungsvorgänge. In der Mitte der Zweikampf, das Duell auf Leben und Tod; im großen Ganzen geht dennoch ein Tohuwabohu sondergleichen vonstatten.

Martin Campbell visualisiert die Kollision im Augenblick ihres Geschehens mit eindringlicher Wucht und liefert dennoch den weitsichtigen Blickwinkel im Gerangel. Obgleich sich der Action-Moment längst in eine mitreißende Furie verwandelt hat, wächst das Gezeigte mit jedem Schlag, mit jedem Tritt. Abwechslung am Rand zum Episodischen und trotzdem läuft am Ende das Abenteuer in einem narrativ ausgefeilten Schlussakt zusammen. Die Dynamik ist wahrhaftig spürbar und geradezu bedrohlich. Selbst beim Pokerspiel im abgesteckten Rahmen geht der Wachstum des Gezeigten nicht verloren.

Die überschaubare Runde am Spieltisch entwächst förmlich der mechanischen Abfolge des Kartenziehens und fokussiert sich auf jenen spannenden Moment, in dem die Karten herumgedreht werden. Fast schon zu gut kennt Martin Campbell das Kartendeck und noch besser weiß er die Karten einzusetzen, die er in Händen halt. Das Ass im Ärmel bleibt jedoch Daniel Craigs Vorgängern überlassen – aber ohne der Aufregung und dem Spaß eine Absage zu erteilen. Später regieren für den Bruchteil einer Sekunde Tränen.

Der Körper – ganz egal, wie stählern, formvollendet und unantastbar er ins Scheinwerferlicht tritt – kann auch bluten. Ein Händewaschen und kurz darauf romantisch vernichtende Regentropfen in der Dusche, die jeglicher Mechanik, die an solcher Stelle folgen müsste, entsagt. So geerdet dieser James Bond sein mag, so platonisch erfolgt die Erzählung seiner Geschichte. Die Poesie resultiert natürlich aus dem schmalen Grat, der sich zwischen diesen beiden Polen erhebt. Ein Berserker zerbricht im Überschlag der Unschärfe.

Casino Royale © Sony Pictures