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Furious 7 – Kritik

Wild Speed: Sky Mission – so lautet der englische Titel des siebten Eintrags im Fast & Furious-Franchise in Japan. Und tatsächlich ist es eine Mission in schwindelerregenden Höhen, wenn Dom Toretto (Vin Diesel) und sein Team todesmutiger Fahrer aus dem Hinterteil eines Fliegers, wie sie ihm im Finale von Fast & Furious 6 noch so verzweifelt hinterher jagten, einen mehr als waghalsigen Fallschirmsprung mitsamt ihrer Autos absolvieren.

Die Gesetze der Schwerkraft spielen zu diesem Zeitpunkt schon längst keine Rolle mehr und dass unsere Protagonisten unzerstörbare Superhelden sind, daran besteht auch kein Zweifel mehr. Trotzdem steht einiges auf dem Spiel, wenn in Furious 7 ein Wagen nach dem anderen aus der Heckklappe der Flugmaschine gleitet, als wäre es ein Ballet der Schwerelosigkeit. Im Rahmen des Films ist natürlich der Erfolg der Sky Mission davon abhängig. Auf der nächsthöheren Ebene setzt Universal allerdings eine ganze und unterdessen überaus profitable Filmreihe als Einsatz, um dem während den Dreharbeiten tragischerweise verstorbenen Paul Walker einen respektvollen „one last ride“ zu ermöglichen.

Der unerwartete Tod des Hauptdarstellers sorgte vor über einem Jahr dafür, das die Produktion des Mega-Blockbusters ins Stocken geriet, das Script umgeschrieben und der Starttermin nach hinten verlegt wurde. Was James Wan, der mit Furious 7 in die Fußstapfen von Franchise-Retter Justin Lin tritt, und vor allem Drehbuchautor Chris Morgan, der seit The Fast and Furious: Tokio Drift in federführender Position agiert, aus den Bruchstücken des jüngsten Segments gemacht haben, mag zwar nicht frei von Fehlern sein, ist aber dennoch ein bemerkenswertes Stück Kino(-geschichte) geworden, das besonders als Meta-Kommentar auf die gesamte Fast & Furious-Reihe außerordentlich gut funktioniert.

Denn hinter der überwältigenden Fassade aus Übertreibung und Nonsense verbirgt sich weit mehr als die pure Inszenierung pubertärer Fetisch-Träume. Furious 7 ist Trauerfeier, Therapiesitzung und liebevolles Denkmal in einem – „For Paul“. Selten sind die Grenzen zwischen fiktiver Narration und wahren Gegebenheiten hinter den Kulissen dermaßen verschmolzen, dermaßen verschwommen.

Wenn sich Dom Toretto in den letzten Minuten des Actionkrachers von seinem Bruder verabschiedet, fällt es schwer, zu differenzieren, ob nicht einfach Vin Diesel seine persönlichen Gedanken in den Abschied von seinem Freund und Kollegen einfließen hat lassen. Furious 7 liegt ganz im Schatten von Paul Walker und der omnipräsenten Family – sowohl im Film als auch darüber hinaus. So sehr die Familie jedoch im den vergangenen Jahren zusammengewachsen ist und weiterhin zusammenhält: Der Tod ist ihr stetiger Begleiter geworden.

Bereits im Rahmen des vierten Teils der Reihe, der sich unter der Tagline Neues Modell, original Teile als Rückbesinnung auf die Wurzeln der F&F-Mythologie versuchte, stand ein verheerender Unfall im Mittelpunkt der Handlung. Ob Letty (Michelle Rodriguez) in Fast & Furious wirklich ums Leben kam, wurde seinerzeit nicht endgültig geklärt. Seit Fast & Furious 6 wissen wir aber, dass sie zumindest überlebt hat, wenngleich ihr Gedächtnis beim ersten Wiedersehen mit Dom versagt. Auch einen Film später sind die alten Zeiten nicht wieder vollständig hergestellt. Während Han (Sung Kang) und Gisele (Gal Gadot) auf schmerzliche Art und Weise Zeugen der Vergänglichkeit wurden, hadert Letty ebenso mit ihrem (Über-)Leben.

Besonders bezeichnend ist jene Szene, in der Letty ihren eigenen Grabstein selbstzweifelnd betrachtet. Was, wenn von der verlorenen Erinnerung nichts mehr zurück kommt? Wer ist dann diese Person, die zitternd – also lebendig – vor ihrem eigenen Vermächtnis steht und sich hilfesuchend nach einem vertrauten Gesicht umsieht, das von Dom aber nicht wiedererkennt. Für ein Franchise, das den Tod durch unfassbare Zerstörung und gleichzeitige Unzerstörbarkeit im Grunde dermaßen eliminiert hat, wie es ansonsten nur dem Superheldenfilm gelingt, ist das Sterben in Furious 7 allerdings überdurchschnittlich präsent.

Bereits im düsteren Opening stapeln sich die Leichen von Statisten in einem Maße, das für Fast & Furious-Gewohnheiten trotz all dem bis dato zerschellten Metall schockierend wirkt. Ähnlich geht es weiter mit dem Abschied von verstorbenen respektive ermordeten Freunden – selbst ein Mordanschlag auf die eigene Familie bleibt nicht aus. Und trotzdem ist sie immer noch da, die Todessehnsucht der Unsterblichen, die sich lebensmüde mit ihren Wägen aus Flugzeugen stürzen, mitsamt ihrem fahrbaren Untersatz in einer bizarren 9/11-Rachefantasie von einem Wolkenkratzer in den nächsten springen und sogar direkt aufeinander zu rasen, ohne auszuweichen, sodass der Frontalaufprall unvermeidlich ist.

Was dazwischen bleibt, ist ein Blockbuster, der sich irgendwo zwischen feinem Action-/Familien-Potpourri und unausgegornem Stückwerk bewegt. Dass in Furious 7 zuerst ein anderer Film gesteckt hat, ist über weite Strecken viel zu offensichtlich. Während die weitläufige Abstinenz von Luke Hobbs (Dwayne Johnson) elegant gelöst wird, verkommt Jason Stathams ultrakrasser Bösewicht, der den Tod seines Bruders rächen will, nach seiner eindrücklichen Einführung zur vernachlässigten Nebenfigur, deren Präsenz sich aus reiner Willkür und obligatorischen Duellen zusammensetzt.

Schade, nicht zuletzt verbirgt sich dahinter der Ansatz einer zweiten Family, die sich ebenfalls mit Tod und Verlust arrangieren muss und ausschließlich auf dem Pfad der Vergeltung wandelt. Thematisch weniger verknüpft sind da Kurt Russell und Djimon Hounsou. Während letztgenannter als zweiter Antagonist Jason Sathams verbleibende Relevanz jenseits von Fausthieben vernichtet, geht Kurt Russells Figur schlicht in der Masse des übrigen Ensembles unter, das sich neben altbekannten Gesichtern wie Jordana Brewster, Ludacris und Tyrese Gibson aus neuen ZwischengegnerInnen wie Tony Jaa und Ronda Rousey zusammensetzt.

Gerade das Set Piece vor der finalen Schlacht in Los Angeles hätte in einer früheren Version sehr wahrscheinlich ganz dem Subplot um Kurt Russells und Djimon Hounsous Figuren gehört. In der jetzigen Version von Furious 7 wirkt es wie ein unglücklicher Einschub in den Flickenteppich, den James Wan und Chris Morgan ansonsten erstaunlich gut in einen kurzweilige Schnitzeljagd rund um den Globus verwandelt haben.

Wer Megan Ramsey (Nathalie Emmanuel) ist und was sich hinter dem ominösen God’s Eye genau verbirgt, dient leider bloß als zweckmäßiger MacGuffin, der als Kollateralschaden hingenommen werden muss – ebenso wie James Wans Rückkehr zum exploitativen Grundgerüst der Reihe, die sich unter der Regie von Justin Lin angenehm von den Fantasien illegaler Untergrundrennen und leicht bekleideter Mädchen entfernt hatte. Sobald dann aber die moderne Kriegsmaschinerie aufgefahren werden darf, geht es zur Sache. Ärgerlicherweise zieht James Wan im Windschatten von Justin Lin zu offensichtlich auf die Überholspur und setzt nur noch auf das Große, das Offensichtliche, das Plastische. Seine Action hebt wortwörtlich ab und versetzt ins Staunen – allerdings nur was die Ideen betrifft.

In puncto Durchführung sind es nur die kleinen Momente, die ein stimmiges Bild ergeben, wenn sich etwa die Kamera von der Dynamik eines Kampfes treiben lässt und sogar die Bewegung der vonstattengehen Geschehnisse imitiert. Sobald jedoch die ganze Familie auf dem Schlachtfeld steht, frönt Furious 7 der Massenzerstörung und James Wan verliert den Überblick. Fast Five und Fast & Furious 6 wussten diesem Schicksal geschickt zu entgehen – eben dank der Konzentration auf konkrete Set Pieces, die einem Level in einem Videospiel gleichen, das es mit konkretem Ziel zu absolvieren gilt.

Mit Los Angeles verschlägt es James Wan auf der seinen Seite sicherlich zum Ursprung des Franchises, auf der anderen Seite aber auch an einen allgemeingültigen Schauplatz mit zu vielen entfesselten Variablen. Klar, das Entfesselte war stets ein Reiz des furiosen Tohuwabohus, jedoch spielt das Timing des Krawalls eine mindestens genauso wichtige Rolle wie sein Umfang. Nichtsdestotrotz wartet Furious 7 vor dem abschließenden Vehikel-Massaker mit einigen pointierten Action-Sequenzen auf, die das spätere Chaos entschuldigen und selbiges womöglich erst provozieren, denn wie will man bereits erwähnten Auto-Fallschirmsprung und eine Fluchtaktion durch drei Wolkenkratzer wirklich noch übertreffen, ohne die Sky Mission wahrhaftig in den Weltraum zu verlagern und jeden Stunt ad absurdum zu führen.

Paul Walker aka Brian O’Conner stirbt bei keinem dieser Stunts, selbst wenn sich der reale Tod des Schauspielers wie ein roter Faden von einem Set Piece zum anderen zieht. Erneut kollidieren Fiktion und Realität auf einem extrem schmalen Grat zwischen selbstironischem Over-the-Top-Blockbuster-Kino und bewegender Familiengeschichte auf mehreren Ebenen. Brian fährt am Ende ein letztes Mal an der Seite von Dom. Zwei aufgetunte Autos rasen im verträumten Licht der Abendsonne eine Straße entlang; der Blick durch die Fensterscheibe und dahinter zwei Freunde, Brüder und Konkurrenten.

Das gemeinsame Wettrennen zum Schluss ist schon regelrecht zum Ritual geworden und fungiert als Leitmotive für beide Figuren. Dieses Mal trennen sich jedoch die Wege der beiden Fahrer und die Kamera folgt aus der Vogelperspektive den Hinterreifen des ehemaligen FBI-Agenten, sprich dem rohsten aller US-amerikanischen Heldentypen der Gegenwart. Brian fährt in den Sonnenuntergang und lebt auf der großen Leinwand weiter, während Paul Walker außerhalb des Kinos nur noch in unseren Erinnerungen weiterlebt: Ein gewaltiger und unglaublich emotionaler Abschied.

Furious 7 © Universal Pictures