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Hacksaw Ridge – Kritik

Hacksaw Ridge ist ein unglaublich widersprüchlicher Film und dabei durchaus faszinierend. Mel Gibsons erstes Regie-Projekt seit dem 2006 erschienenen Apocalypto entführt in die Wirren des Zweiten Weltkriegs und offenbart gleich in den ersten Minuten den Blick ins Auge des Infernos: In Zeitlupen rennen Soldaten durch ein düster-dreckiges Niemandsland, das von Explosionen gänzlich aufgewirbelt und in seinen Grundfesten erschüttert wird. Schutt und Asche fliegen durch die Gegend, während verschwitzte Gesichter um ihr Überleben rennen. Ein überwältigender Rausch an Eindrücken, der die Hässlichkeit des Krieges mit atemberaubenden Bildern zu verdeutlichen versucht, schlussendlich damit aber bloß seine kolportierte Ambition untergräbt.

Hingebungsvoll erzählt Mel Gibson die Geschichte eines tapferen Mannes, der jeglichem Gebrauch von Waffen abgeschworen hat und sämtliche Kraft auf dem Schlachtfeld aus seinem Glauben schöpft. Desmond T. Boss ist ein Held, der selbst zur düstersten Stunde nichts als Menschlichkeit beweist und aufopferungsvoll durch die tosende Hölle des Tötens schreitet, um ein weiteres Leben zu retten. Hacksaw Ridge unterwirft sich bedingungslos den furchtlosen Taten seines Protagonisten, um der Film zu werden, den eine solch inspirierende Persönlichkeit verdient. Problematisch ist dabei nur, dass Mel Gibson sich in seinem Eifer völlig vergisst und stattdessen ein Werk schafft, das sich auf mehreren Ebenen in eine fragwürdige Richtung bewegt, ohne sich dessen selbst im Klarem zu sein.

Als Hacksaw Ridge im vergangenen Jahr bei den Filmfestspielen von Venedig seine Premiere feierte, waren die Reaktionen seitens der Kritiker vor Ort ausgesprochen positiv. Minutenlangen Applaus soll es nach dem Einsetzen des Abspanns gegeben haben – inklusive der Absolution, die Mel Gibson in den vergangenen Jahren so bemüht gesucht hat. Nach einer Dekade schien die Filmwelt endlich wieder bereit, den Fehltritten des australischen Filmschaffenden zu vergeben, der sich beständig über kleinere Rollen zurück ins versöhnliche Rampenlicht spielte, bis er zuletzt sogar beim alljährlichen Roundtable des Hollywood Reporters zusammen mit Oliver Stone über seine langjährige Erfahrung als Filmemacher reden konnte.

Es fühlt sich geradezu surreal an, wenn ein Regisseur wie Oliver Stone, dessen politische Haltung dem exakten Gegenteil von Mel Gibson entspricht, plötzlich mit jenem Mann über Filme unterhält, der zuvor durch seine antisemitischen, misogynen und reaktionären Äußerungen negativ aufgefallen ist. Trotzdem plaudern sie munter über ihr Schaffen im Allgemeinen und insbesondere des vergangenen Jahres. Im Fall von Oliver Stone handelt es sich hierbei um das zeitgeschichtliche Drama Snowden, das sich um den titelgebenden Whistleblower dreht. Und Mel Gibsons schildert begeistert den Wandel von kriegstreibenden Kämpfer zum friedfertigen Patrioten: Zum ersten Mal in seiner Regie-Karriere dreht sich alles um einen Menschen, dem nichts ferner liegt als das Töten – wäre da nicht die pure Behauptung.

Was Mel Gibson in seinem Protagonisten abseits der Loyalität gegenüber seinem Vaterland begeistert, ist schnell ersichtlich: Sein unerschütterlicher Glaube, dank dem es ihm tatsächlich gelingt, den ein oder anderen Berg zu versetzen. Berge, das sind in diesem Fall die Regeln der US-Army, die Desmond T. Boss mit bemerkenswerter Beständigkeit außer Kraft setzt, ohne sie zu umgehen oder überhaupt in Frage zu stellen. Am Ende des Tages war er von seiner Sache entweder dermaßen überzeugt oder einfach nur stur genug, um die Steine, die ihm absichtlich in den Weg gelegt wurden, verschwinden zu lassen. Wäre da nicht Andrew Garfields engagiertes Schauspiel – es wäre undenkbar, Mel Gibsons messianischen Waffenverweigerer auch als echten Menschen wahrzunehmen.

Hacksaw Ridge erschafft einen Mythos, um den Werdegang eines Superhelden zu schildern. Wenngleich die innere Logik des Films in regelmäßigen Abständen eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Thematik in Aussicht stellt, gestaltet sich das Gezeigte als extrem einseitiges und im schlimmsten Fall als (un-)bewusst verklärendes Unterfangen. Noch bevor die Soldaten tatsächlich in den Krieg ziehen, beschwört Mel Gibson eine naive Welt, die mit Unschuld und Nostalgie gleichermaßen protzt wie verführt, sodass selbst er trinkende Vater einer romantisierten Erinnerung gleicht. Vermutlich sagt dieser Umstand mehr über Mel Gibson als über die Erzählung aus. Denn so verzweifelt Hugo Weaving gegen die platte Vaterrolle anzuspielen versucht: Er ist nie mehr als ein Stichwortgeber.

Generell kann sich Hacksaw Ridge selten zwischen der überhöhten Karikatur und dem ernsten Drama entscheiden. Das eine Mal werden die Soldaten in ihren Barrikaden bloßgestellt und Vince Vaughn darf sich wahlweise als denkbar schlechteste oder beste Besetzung für den tonangebenden Sergeant Howell beweisen. Das andere Mal lenkt Mel Gibson den Fokus auf die Beziehung, die unter den kriegstreibenden Männern besteht, die im Schlachtfeld das Unfassbare erleben. Plötzlich verwandelt sich Hacksaw Ridge in ein das seriöse Stück Prestige-Pathos, das in jeder Schweißperle die ganz große Poesie des Grauens entdeckt und vor Bedeutung förmlich zu platzen droht. Aufrichtig sind merkwürdiger Weise dennoch beide Hälften, dieses ambivalenten Kriegsepos. Ein Fest der Widersprüche: Es ist irritierend wie frustrierend.

Bei all den Anstrengungen, die der Film aufwendet, um sich gegen Gewalt und „die Essenz des Krieges“ – das Töten – auszusprechen, verblüfft es doch immer wieder, wie verbissen er auf die Ästhetisierung selbiger zurückgreift. Mit der gleichen Obsession, mit der Mel Gibson den Verzicht von Mord und Totschlag predigt, bannt er ihn in erschreckender/glorifizierender Pracht auf die Leinwand. In Zeitlupe kickt Desmond T. Boss eine Granate zurück hinter die feindlichen Linien, ehe die nächste Einstellung zerplatzende Körperteile in ebenso heroischen Posen einfängt. In seiner religiös völlig gestörten Symbolik ist Hacksaw Ridge an diesem Punkt kaum noch zu übertreffen, so begierig suhlt er sich im Leid des Helden, der bereitwillig dem winkendem Märtyrertum entgegenblickt.

Hacksaw Ridge zeichnet einen Helden, der sich ohne Waffen in einem Umfeld bewegt, das ausschließlich darauf fixiert ist, euphorisch rohe Gewalt zu zelebrieren. Rupert Gregson-Williams kann die Musik im Eifer des Gefechts gar nicht oft genug anschwellen lassen, um zu verdeutlichen, welchen Gefühlszustand Teresa Palmer und Rachel Griffiths, die Frauen in der Heimat am Herd, durchstehen müssen. Abstoßend und mitreißend zugleich: Vielleicht ist Hacksaw Ridge bisher der ultimativste Film, den Mel Gibson ins Kino gebracht hat, sowohl im Bezug auf sein Verständnis als Filmemacher als auch auf die seine eigene Person. Ein ideologischer Trümmerhaufen, der nie verlegen ist, den eigenen Wahnsinn zu betonen, sich damit eine bestimmte Sehnsucht/Fantasie erfüllt und diese im Anschluss mit Läuterung verwechselt.

Hacksaw Ridge © Universum Film