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Paddington 2 – Kritik

Wer hätte je gedacht, dass die Ende der 1950er Jahre von Michael Bond erdachte Kinderbuchfigur des Paddington Bär über ein halbes Jahrhundert später weiterhin durch Londons Straßen spaziert und aufregende Abenteuer erlebt, die sämtliche Altersstufen begeistern. Vor drei Jahren war es Paul King, der als Regisseur und Drehbuchautor Paddington in ein neues Zeitalter führte. Nun ist der von Ben Whishaw fabelhaft gesprochene Bär zurück, um seiner Tante Lucy das tollste Geburtstagsgeschenk auf Erden zu machen. Schlicht als Paddington 2 betitelt verwandelt sich die Fortsetzung wie schon der Vorgänger in ein erstaunliches Fest kreativer wie liebevoller Einfälle, die mit verspielter Leichtigkeit gesellschaftliche Themen verhandeln und niemals ihren aufrichtigen Charakter verlieren. Herausgekommen ist dabei ein Film, der unfassbar lebensbejahend von der Welt und ihren Schrecken berichtet, ohne zynische Tendenzen anzunehmen. Denn das hätte Tante Lucy sicherlich nicht gewollt.

Immer wieder fällt der Name der starken Bären-Tante, die im Dschungel von Peru den kleinen Paddington großgezogen hat, ehe dieser den Ozean überquerte und inzwischen bei der Familie Brown ein neues Zuhause gefunden hat. In Windsor Gardens ist Paddington ein gern gesehener Gast, vorausgesetzt niemand fragt den miesepetrigen Mr. Curry (Peter Capaldi) nach seiner Meinung. Dieser verabscheut den freundlichen Bär, der stets hilfsbereit und aufmerksam den Menschen in seinem Umfeld entgegentritt, und würde ihn am liebsten aus dem sonst so idyllischen Straßenzug verbannen. Tatsächlich ist es jedoch Paddingtons Vermächtnis, dass die Anwohner so gut miteinander zurechtkommen und die Idylle bestehen bleibt. Obgleich er auf den ersten Blick wie ein Außenseiter wirken mag, hat sich Paddington in die Nachbarschaft integriert, völlig selbstlos, ohne Hintergedanken. Paddington hat ein großes Herz, heißt es später. Deswegen knüpft er überall so schnell Freundschaften und erfährt entsprechend Respekt.

Das Sequel legt also großen Wert auf Umgangsformen. Paul King, der sich dieses Mal Simon Farnaby als Co-Autor dazu geholt hat, findet in der britischen Höflichkeit eine erstrebenswerte Attitüde, die uneingeschränkte Menschlichkeit appelliert. Zwar erweckt Paddington gelegentlich den Eindruck, viel zu naiv für diese grausame Welt zu sein, in der Lügen etwas ganz Alltägliches, geradezu Selbstverständliches sind und niemand das wahre Verbrechen aufhatten kann bzw. aufhalten will. Trotzdem steht er jeden Morgen motiviert auf der Bettkante, um sich wissbegierig in einen Ozean aus neuer Erfahrungen zu stürzen. Paddington sieht in allem das Gute. Unverbesserlich trägt er diese Einstellung nach außen und entkräftet somit meist selbst die hartnäckigsten Widerstände. Doch unglücklichen Zufällen und verhängnisvollen Missverständnissen kann auch er nicht entkommen und so findet sich Paddington eines Tages in Handschellen wieder, ehe er vom Richter zu zehn Jahren Haft verurteilt wird.

Allen Zeugen zum Trotz, die sich für Paddingtons vorbildliches Verhalten aussprechen, wurde der kleine Bär von einem System überrumpelt, das sich in Regeln übt, die dem Individuum wenig Aufmerksamkeit schenken. Der wahre Dieb, dessen Vergehen Paddington nun ausbaden muss, konnte nie identifiziert, geschweige denn gefasst werden. Die Ungerechtigkeit, die dem gänzlich unschuldigen Protagonist der Geschichte widerfährt, hinterlässt für zerreißende Gefühle – und zitiert nebenbei gekonnt die Filmgeschichte, als wäre es die leichteste Übung in dieser tragischen Komödie, die nie verlegen ist, den traurigen Tänen der Erzählung das Gewicht zu verleihen, das sie verdienen. Wenn sich Paddington auf den Weg in seine Zelle begibt, schildert Paul King den Gang durch das Gefängnis mit Schwere und Leichtigkeit zugleich. Die Konventionen der Umgebung werden einfallsreich auf den Kopf gestellt und zudem in eine Inszenierung verpackt, die den Geist von Wes Andersons The Grand Budapest Hotel beschwört.

Während der unverschämte Bösewicht Phoenix Buchanan (Hugh Grant) auf Paddingtons Kosten seinen fiesen Plan in die Tat umsetzt, lässt sich der zottelige Bär von den entkräftenden Umständen allerdings nicht unterkriegen. Im Gegenteil: Aus der Niederlage schöpft Paddington die gleiche Hoffnung, mit der er auch ansonsten durchs Leben zieht. Der Appell spiegelt sich ebenfalls durch Dario Marianellis wundervoller Musik wieder, die lebendig und pointiert die unterschiedlichsten Stimmungslagen einfängt, vorzugsweise sogar zusammen mit Paddington durch die tollen Sets tanzt, als handele es sich um eine mitreißende Bühnenchoreografie vor prächtigen Hintergründen. Der Bär mag aus dem Computer stammen. Dennoch ist es verblüffend, wie dynamisch und abwechslungsreich er mit seinen menschlichen Konterparts in Begegnung tritt. Seitens der Schauspieler wird ähnlich beachtliche Arbeit geleistet. Dass Paddington ein Teil von Henrys (Hugh Bonneville) und Marys (Sally Hawkins) Familie ist, daran besteht kein Zweifel.

Es gab dieses Jahr bisher nur sehr wenige Filme, die so offen und ehrlich in ihr eigenes Universum eingetaucht sind wie Paddington 2. Selbst ein Sturkopf vom Schlag eines Knuckles McGinty (Brendan Gleeson), der hinter Gittern aufgrund seines harten Regiments als Chefkoch von sämtlichen Insassen gefürchtet wird, gerät bei Paddington an seine Grenzen. Denn dieser steht plötzlich einfach so vor ihm auf dem Tisch, spritzt tollpatschig Ketchup und Senf auf die Schürze und übt unverblümte Kritik an der drei Mal pro Tag servierten Malzeit, die selbst auf die Distanz der Kinoleinwand alles andere als genießbar aussieht. Knuckles will provoziert werden, um im Anschluss so richtig zu explodieren. Doch Paddington redet unermüdlich weiter und verwischt schließlich die Gewürzsaucen auf der Schürze zu einem undefinierbaren Brei, was dem Küchenkoloss förmlich die Sprache verschlägt, ehe ein versöhnendes Marmeladenbrot unerwartet die Gemüter beruhigt. Genau solche Momente sind es, die Paddington 2 so wertvoll, inspirierend und berührend machen.

Paddington 2 © Studiocanal