In The Breakfast Club ereignet es sich, dass an einem trüben Samstagvormittag fünf Schülerinnen und Schüler zum Nachsitzen das ungeliebte Schulgelände betreten und fortan den Rest des Tages in einem Klassenzimmer verbringen müssen. Auch in Power Rangers, dem Reboot der gleichnamigen Fernsehserie, die seit 1993 Kinder und Jugendliche rund um den Globus begeistert und unlängst zum popkulturellen Phänomen avanciert ist, dauert es nicht lange, bis sich die fünf Protagonisten des Films in einer ähnlich undankbaren Konstellation im hinteren Flügel des Schulgebäudes wiederfinden und ihre auferlegte Strafe absitzen müssen.
Wie in John Hughes High School-Gedicht verfügen die Teenager allesamt über verschiedene Hintergründe, kennen sich bestenfalls vom Sehen und finden dennoch im Lauf der folgenden zwei Stunden zusammen – völlig unabhängig davon, ob sie sich in der Zwischenzeit gegen einen ungerechten Rektor oder eine fiese Superschurkin verbündet haben. Am Ende des Tages verlassen ein Streber, ein Sportler, eine Außenseiterin, eine Prinzessin und ein Krimineller den Raum und blicken der Welt verändert und gemeinsam entgegen. Genau diese Geschichte erzählt auch Power Rangers, während im Hintergrund das Crossover zwischen Transformers und dem Fantastic Four-Sequel stattfindet, das wir niemals bekommen werden.
Power Rangers erzählt also in erster Linie keine Superhelden-, sondern eine Coming-of-Age-Geschichte. Angesiedelt in einer klassischen Suburbia-Idylle, wie sie direkt dem Kino eines Steven Spielberg oder eben eines John Hughes entnommen sein könnte, treffen Jason (Dacre Montgomery), Kimberly (Naomi Scott), Billy (RJ Cyler), Trini (Becky G) und Zack (Ludi Lin) beim Nachsitzen aufeinander, ehe eine weitere Begegnung bei einer nahe gelegenen Goldmine ihr Schicksal besiegelt: Nach mehreren tausend Jahren formt sich in diesem unscheinbaren Augenblick die nächste Power Rangers-Generation. Fortan hat das Training oberste Priorität – immerhin geht es im Anschluss um nichts weniger als die Verteidigung der Heimatstadt.
Die hinterlistige Rita Repulsa (Elizabeth Banks), die im apokalyptischen Prolog dem ersten Power Rangers-Team den Garaus bereitet, kehrt aus dem vermeintlichen Jenseits zurück und hat es auf den mächtigen Zeo Crystal abgesehen, der sich im Herzen der Kleinstadt Angel Grove befindet. Ihr superböser Plan, der in offenster Einfachheit zelebriert wird, sieht darüber hinaus die Ankunft eines güldenen Monsters vor, das sich Goldar nennt und genauso gut in Alex Proyas wahnsinnigem Fantasy-Epos Gods of Egypt sein Unwesen hätte treiben können. Doch egal, ob Jason und seine Freunde die Schulbank drücken oder Rita Repulsa in ihre Schranken weisen: Die Probleme, die die Jugendlichen beschäftigen und verfolgen, bleiben dieselben.
Ehe sich Power Rangers im finalen Akt euphorisch ins Spektakel stürzt und zu den Klängen von Kanye Wests energiegeladener Hymne Power einen actionreichen Remix von Straßenkämpfen aus Zack Snyders Man of Steel und Kenneth Branaghs Thor entfesselt, gestaltet sich der Film als großes Abenteuer, das für die fünf Protagonist wie ihr persönlicher The Goonies wirken muss: Auf einmal verbirgt sich hinter jeder Entscheidung eine aufregende Entdeckung und alleine der Gedanke, umzukehren, fühlt sich falsch an. Immer weiter rennen sie durch die weite Landschaft, springen über gefährliche Abgründe und tauchen in tiefe Felsschluchten hinab, selbst wenn das nächste Ereignis von absoluter Ungewissheit ist.
Jenseits der Bedenken von Erwachsenen ist Power Rangers ein leidenschaftliches Plädoyer für den jugendlichen Abenteuergeist, der natürlich voller Leichtsinn ist, gleichzeitig ein unglaublich vitales Gefühl heraufbeschwört, wie es Jason, Kimberly, Billy, Trini und Zack womöglich nie mehr in ihrem Leben später erfahren werden. Es wäre eine verpasste Chance, aus reiner Vernunft pünktlich um sieben Uhr zu Hause zu sein. Nicht einmal eine von der Polizei überwachte Fußfessel kann die Jugendlichen daran hindern, sich nach Einbruch der Dunkelheit auf den Weg zu machen, um die Welt zu retten. Weder der Lehrer noch die Bösewichtin besitzen die Macht, um den Kids ihre Energie zu nehmen. Sie pulsiert einfach und kümmert sich erst einmal gar nicht um Regeln.
Trotzdem folgt Power Rangers einer überaus klassischen Dramaturgie, greift auf Schablonen wie Archetypen zurück und bewegt sich stets in einem Rahmen der maximalen Vorhersehbarkeit. Konventionen siegen über Innovationen – oder: Regisseur Dean Israelite und sein Drehbuchautor John Gatins verstehen sich großartig darin, diese bodenständige (!) Geschichte über Freundschaft und das Erwachsenwerden mit unerschütterlicher Sicherheit zu erzählen, sodass sich Power Rangers entgegen aller offensichtlichen Schwächen in einen begeisternden Trip verwandelt, der selbst in den absehbarsten Charaktermomenten ein aufrichtiges Interesse für die Figuren mitbringt – als fühle sich der Film in seinem Young Adelt-Mantel deutlich wohler als im überlebensgroßen Superhelden-Getose.
Power Rangers ist extrem einfach gestrickt und driftet des Öfteren nur sehr knapp an der Langweile vorbei, die aus dem abarbeiten obligatorischer Plotpoints resultiert. Dazu gehören etwa die unerträglich einfallslosen Exposition-Sequenzen mit Meister Zordon (Bryan Cranston) und seinem Gehilfen Alpha 5 (Bill Hader), die keinerlei Charme versprühen, sondern in ihrer bemühten Aufmachung zwischen epischer Ansprache und unglücklichem Comic Relief jeglicher Dynamik entsagen, ebenso wie das Finale, das an Größe nicht geizen will, insgeheim aber bloß Richtung Michael Bay schielt, ohne zu verstehen, was dessen Wahnsinn tatsächlich auszeichnet. Dennoch ist dieser bizarre Irrsinn unwiderstehlich, besonders, wenn eine Variation von Stand By Me die Poesie des unvergesslichsten Nachsitzens der Welt einfängt.
Power Rangers © Studiocanal
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