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Skyscraper – Kritik

Erst vor zwei Monaten jagte Dwayne Johnson durch in Schutt und Asche zerlegte Häuserschluchten, als er in der Videospiel-Adaption Rampage gegen eine Reihe überlebensgroßen Tier-Monstern kämpfte. Das Überlebensgroße hat sich der ehemalige Wrestling-Star längst zur Marke gemacht und erobert seit einigen Jahren mit einer irrwitzigen Prämisse nach der anderen die große Leinwand. So bekloppt und klotzig die Ideen seiner Filme auf dem Papier wirken, besitzt Dwayne Johnson das Talent die Zerbrechlichkeit von angespannten Muskeln unter der durchtrainierten Oberfläche sichtbar zu machen. Wenngleich die Filme um ihn herum zerfallen wie die Wolkenkratzer, die heutzutage vorzugsweise im Blockbuster-Kino zerstört werden, bleibt er als Hauptdarsteller stets aufrichtig und standhaft. Mit nichts weniger als einem Lächeln könnte Dwayne Johnson die Welt retten. In Skyscraper genügt ihm jedoch seine Familie.

Bereits im Rahmen der Actionkomödie Central Intelligence offenbarte sich Rawson Marshall Thurber als Regisseur, der es ausgesprochen gut versteht, ein Kaliber wie Dwayne Johnson in Szene zu setzen. Auf der einen Seite ist da immer der perfekte Körper, der stählern im Sonnenlicht auf den Postern prangert und testosterongeladene Unterhaltung verspricht. Auf der anderen Seite bringt Dwayne Johnson als Schauspieler jedoch deutlich mehr Qualitäten mit, die er im Zusammenspiel mit seiner äußeren Erscheinungsform genauso selbstsicher wie vielfältig zum Einsatz bringt. Auch Skyscraper spielt gekonnt mit dieser Erwartungshaltung, wenn Dwayne Johnson gleich im Prolog als FBI-Agent Will Sawyer ein Haus stürmt und die zuversichtliche wie achtsame Coolness eines erfahrenen Anführers ausspielen kann. Kurze Zeit später wird der perfekte Körper jedoch maßgeblich in Mitleidenschaft gezogen und Sawyer verliert sein linkes Bein.

Ein unerwarteter Tausch: Noch bevor das Actionspektakel seine Hauptattraktion, einen 240 Stockwerke umfassender Wolkenkratzer in Hongkong, einführt, wird der Held der Geschichte seiner Makellosigkeit beraubt und zuerst mit dem Verlust und dann dem Trauma konfrontiert. In einer Karriere aus robusten Körpereinsätzen wirkt  Dwayne Johnson plötzlich so verletzlich wie nie – an unglaublichen Heldentaten soll es Skyscraper trotzdem nicht mangeln. Denn Rawson Marshall Thurber, der ebenfalls das Drehbuch schrieb, versteht das Leiden seines Protagonisten als eines von vielen Motiven, die über der Handlung stehen und somit wieder zur eingangs erwähnten Überlebensgröße zurückführen. Fortan beeindruckt Skyscraper trotz seiner denkbar einfachen Geschichte mit sagenhaftem Ideenreichtum, selbst wenn sich die korrekte Ausführung weit weniger dynamisch anfühlt, als sie es verdient hätte.

Auf die Vorstellung des Körpers folgt die der Welt, in der sich Dwayne Johnson für die nächsten eineinhalb Stunden bewegen muss. The Pearl, so der Name des vermeintlich sichersten und fortschrittlichsten Gebäudes der Welt, gleicht dem Jurassic Park der Hochhäuser und würde J.G. Ballards High-Rise vor Neid erblassen lassen. Ein ganzer Mikrokosmos verbirgt sich hinter der gläsernen Fassade, ehe eine geheimnisvolle Kuppel nicht bloß in den Himmel ragt, sondern sich sprichwörtlich ins Tor zum Himmels verwandelt. Der Turmbau zu Babel als erfolgreiches Experiment: Zhao Min Zhi (Chin Han), der Kopf hinter diesem größenwahnsinnigen Projekt, hat ein begehbares Wunder vollbracht, das die Menschen in Staunen versetzt und sämtliche Blicke der Umgebung auf sich zieht. Dennoch bleibt die Frage nach dem Paradies lange ungeklärt, denn das Pearl ist nicht nur Himmels-, sondern auch Höllentor.

Sobald Roland Møller, der hier einen Hans Gruber für Arme verkörpert, den Wolkenkratzer betritt, sind die schamlos zelebrierten Inspirationen nicht mehr zu leugnen: Die Einflüsse von Die Hard und The Towering Inferno sind bereits auf den nachgestellten Retro-Postern zu erkennen und treten auch im fertigen Film im Minutentakt zutage. Weiterhin übernimmt Rawson Marshall Thurber Motive aus The Fugitive und Mission: Impossible – Ghost Protocol, was für gleich mehrere herrlich übertriebene Sequenzen sorgt, die von Dwayne Johnsons Sawyer einiges an Selbstüberwindung fordern. Sich der filmischen Vorbilder vollkommen bewusst verbeugt sich Skyscraper schließlich vor der ikonischsten Hochhaus-Eroberung des Kinos und lässt seinen Star wie einen Superhelden von einem Kran aus das Pearl besteigen, als hätte King Kong soeben den Aufgang zum Empire State Building entdeckt.

Rawson Marshall Thurbers größtes Versäumnis bei all diesen dreisten, verrückten, aber auch charmanten Momenten, zu denen weiterhin ein Finale im Spiegelkabinett sowie mehrere schwindelerregende Einstellungen gehören, die besonders im IMAX und in 3D ihre komplette Wirkung entfalten, gestaltet sich jedoch wie folgt: Skyscraper entwickelt nur selten einen Fluss, der die vonstattengehenden Ereignisse mitreißend erfahrbar macht. Die Inszenierung ist weder der Wellenbewegung des sich zunehmend vergrößernden Flammenmeers würdig, noch vermag sie es, abwechslungsreich zwischen den verschiedenen Schauplätzen zu rotieren. Das ist vor allem deswegen schade, weil ein ausgereiftes Gespür für die Umbiegung die Spannung bedeutend steigern kann und das Potential, das sich im Design des brennenden Towers versteckt, größtenteils ungenutzt bleibt. Rawson Marshall Thurber verlagert den Fokus dafür auf die Heldentaten des Familienvaters.

Sawyer, der ursprünglich als Sicherheitsexperte das Pearl gegenüber der Versicherung verifizieren sollte, geht nicht bescheiden mit seinen Prioritäten um. Die Rettung seiner Frau Sarah (Neve Campbell) und seiner zwei Kindern Henry (Noah Cottrell) und Georgia (McKenna Roberts) steht für ihn an vorderster Stelle, während die Skepsis gegenüber den Gebäude in den Hintergrund rückt. Ein Gerät – oder eben ein Gebäude – muss bloß aus- und angeschaltet werden, damit es wieder funktioniert. Bei einer Familie hingegen ist die Sache um einiges komplizierter, weshalb sich Sawyer im Bruchteil einer Sekunde in einen unbesiegbaren Superhelden verwandeln muss, um diese zu retten. Damit stellt er allerdings auch jede auf der Leinwand noch so ausgestellte Fallhöhe infrage. Eine Transformation, die leider unkoordiniert das Geschehen übernimmt und verhindert, dass sich Skyscraper in der ultimativen, zuvor angestrebten Überhöhung verliert.

Skyscraper © Universal Pictures