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Steve Jobs – Kritik

Steve Jobs ist ein elektrisierender Film, ist ein pulsierender Film. Eine Tour de Force, die weder ihren Figuren noch den Zuschauern eine Pause gönnt und innerhalb der ersten drei Sekunden mit spielerischer Leichtigkeit auf 180 kommt. Danny Boyle denkt in den darauffolgenden Akten nicht einmal daran, die Geschwindigkeit zu verringern, wenngleich zwischen Momenten ekstatischer Intensität zumindest die Form für Unterbrechung sorgt. Während der Launch von Apple Macintosh im Jahr 1984 in atemberaubender 16mm-Pracht vonstattengeht, reißt der Filmstreifen vier Jahre danach bei der Enthüllung des NeXTcubes und offenbart mitreißende Bilder im 35mm-Gewand. Eine Dekade später löst digitale Ästhetik das Materielle ab und der iMac wartet darauf, der Welt vorgestellt zu werden. Bereits in diesem filmischen Rahmen nähert sich Steve Jobs auf unheimlich starke Weise seinem titelgebenden Protagonisten an, der sich ebenfalls im Design versteht und gleichermaßen über selbiges nach außen definiert wie nach innen versteckt.

Zuerst kommt also die Form, obwohl die einzelnen Seiten von Aaron Sorkins fabelhaftem Drehbuch den wahren Kern des sporadischen, aber dennoch umfangreichen Biopics bilden. Im ständigen Wechselspiel zwischen Close-ups und Totalen verschwimmt das Gezeigte im Realitätsverzerrungsfeld, bildlich in schiefen Winkeln – ganz zu schweigen vom virtuos stechenden Schnitt, der die Flut an präzise eingefangenen Eindrücken in einen überwältigenden Tornado verwandelt. Spätestens ab diesem Punkt greifen jedoch die Worte und übernehmen dank des extraordinären Ensembles (Michael Fassbender! Kate Winslet! Katherine Waterston! Jeff Daniels! Seth Rogen! Michael Stuhlbarg!) die Führung. Es ist unglaublich, wie schnell sich der Film in Rage redet und zur unzähmbaren Furie mutiert. Widerlich geil und voller Temperament: Steve Jobs entpuppt sich immer wieder als äußerst ambivalente Angelegenheit im Abgrund seiner selbst, gerade wenn er sich im ultimativ alles umfassenden Modus ins intime – sprich emotionale – Terrain der Geschichte wagt. Dann ist Danny Boyles Werk genau so schwer zu fassen wie seine Hauptattraktion, die den Platz einer Anomalie im abgeschlossenen System einnimmt.

Kontrolle verkommt dabei zur Illusion, völlig unabhängig davon, wie erpicht Michael Fassbenders Steve Jobs-Inkarnation darauf ist, nichts dem Zufall zu überlassen. Auf eine gewisse Weise überschlägt sich der Film in diesem Punkt selbst. Während sich Steve Jobs am Ende eingestehen muss, dass sein abgeschlossenes System keinesfalls frei von Fehlern ist, inszeniert Danny Boyle ein zweistündiges Opus, das nicht zuletzt aufgrund seiner – beinahe absurd – geschliffenen Dialoge ein gewisses Level an Perfektion anstrebt und gelegentlich sogar erreicht. Auf dieser kleinen Oberfläche finden dann Vision und Visionär ihre Erfüllung, untermalt von vereinzelten Orgeltönen, die mit erhabenem Charakter aus Daniel Pembertons sonst so treibendem Score herausstechen. Dringt Aaron Sorkins Script jedoch eine Ebene tiefer ins Geschehen ein, lässt sich die unbeherrschte Bestie nicht mehr im – stets aufgeschobenen – Glanz des Erwarteten verstecken, denn vom jeweiligen Moment der vermeintlichen Epiphanie gibt Steve Jobs nur wenige Einblicke preis.

Jubelnde Menschen, stampfende Menschen – ganz egal, wie sehr die Menge tobt: Entscheidend sind die Geschehnisse im Backstage-Bereich, der sich nicht nur auf seine lokalen Eigenschaften beschränkt, sondern zur großen Bühne des Unterbewusstseins avanciert. Hier verwehrt sich Aaron Sorkin bewusst dem Genie und zeichnet stattdessen das Bild eines Menschen, das aus Ideen und Motiven besteht anstelle kostbare Minuten in biographische Eckdaten zu investieren. Wie bereits bei The Social Network erweist sich Aaron Sorkin als genauer Beobachter, der sich lieber im Zeitgeist des anbrechenden Jahrhunderts austobt, anstelle das geschriebene Gerüst für den Facebook-Film zu liefern. Ebenso wenig ist Steve Jobs der Apple-Film geworden, der sich in erster Linie als unverschämtes Kalkül versteht und keine eigene Stimme besitzt. Nein, Steve Jobs ist ebenfalls Dokument seiner Zeit und ein überaus vielschichtiges dazu, das nebenbei von der bemerkenswerten Spannweite seines narrativen Umfangs profitiert, denn der erstreckt sich zwischen den Zeilen bis in die Gegenwart.

Steve Jobs © Universal Pictures