„Choose life!“ – es gibt es keinen zweiten Satz aus Danny Boyles Kultfilm Trainspotting, der sich dermaßen ins Gedächtnis der popkulturellen Geschichte eingebrannt hat wie dieser. 1996 entschied sich der von Ewan McGregor verkörperte Mark Renton für das Leben und traf eine schicksalhafte Entscheidung, die ihn selbst zwei Dekade später noch verfolgt. Um aus dem ewigen Teufelskreislaufs des Heroins zu entkommen, war der Betrug seiner einzigen Freunde notwendig, wenngleich Freunde in diesem Fall ein sehr dehnbarer Begriff ist. Schlussendlich hat sich Mark lediglich mit den Menschen in seinem Umfeld abgefunden und in einem geschickten Moment die Reißleine gezogen, um das nächste Level zu erreichen. Ein moralischer Balanceakt, der die verlorene Welt eines jungen Erwachsenen wieder in die richtige Bahn lenken sollte. Doch 20 Jahre später ist die Vergangenheit lange nicht vergessen.
Ganz im Gegenteil: Die Rückkehr in die Heimat offenbart sich als folgenschweres Wiedersehen. T2 Trainspotting erzählt von Nostalgie, Sehnsucht und der Frage, ob sich trotz aller Entscheidungen überhaupt etwas verändern kann. Zumindest in den ersten Minuten besteht die Fortsetzung auf die Illusion jener sagenumwobenen Veränderung und liefert als Beweis einen Marc Renton nach, der sich genau das Leben genommen hat, das er einst so hingebungsvoll beschrieben hat. Es ist langweilig und voller Routine – kein Wunder, dass die nach ein paar Jahren die Midlife-Crisis einsetzt und Marc mit seinem Gewissen kämpft. Ein Trip nach Edinburgh soll die Last von seinen Schultern nehmen. Dort wartet allerdings kein herzlicher Empfang, sondern überwiegend unangenehme Erinnerungen. Fortan ist Marc ein Tourist in seiner eigenen Jugend und muss sich all jenen Menschen stellen, die er entweder im Stich gelassen oder betrogen hat.
Im Grunde dokumentiert Danny Boyle, der sich zusammen mit Drehbuchautor John Hodge auf Irvine Welshs Romane Trainspotting und Porno bezieht, eine unfassbar düstere Geschichte, getrieben von Melancholie und Schuldbewusstsein. Konsequenzen ist das Schlüsselwort, das Marc zum Verhängnis wird, allerdings gelingt es dem Film erst nach und nach ein Gespür dafür zu entwickeln, was in der Welt des Protagonisten eigentlich genau kaputtgegangen ist. Holprig geht das Aufeinandertreffen mit Sick Boy (Jonny Lee Miller), Spud (Ewen Bremner) und Begbie (Robert Carlyle) vonstatten. T2 Trainspotting erweckt geradezu den Eindruck, in Ehrfurcht vor dem eigenen Vermächtnis zusammenzubrechen. Sind gewisse Hürden aber überwunden, verliert sich die Erzählung komplett in ihrer eigenen Mythologie und beginnt die Lücken vergangener Tage zu stopfen – inklusive verklärender Flashbacks und berührenden Begegnungen.
Wenn T2 Trainspotting den richtigen Nerv trifft, entfachen einzelne Passagen ein emotionales Feuerwerk sondergleichen. Wie schon das Original beschwört Danny Boyle im Bruchteil einer Sekunde einen kompletten Stimmungsumbruch herauf, sodass einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Sekundiert werden diese Umbrüche vom ständigen Spiel mit verschiedenen Kameras und Einstellungen. Danny Boyle ist ein wilder Regisseur, der sich selten mit gewöhnlichen Perspektiven zufrieden gibt. Stattdessen ist er ständig auf der Suche nach einem Winkel, der den gesamten Film aus den Fugen bringt und in seinen Grundfesten erschüttert. In seinen besten Augenblicken entfesselt T2 Trainspotting also einen Rausch aus Gefühlen und Eindrücken, wie sie schon im ersten Edinburgh-Trip zu erleben waren. Hoch anzurechnen ist Danny Boyle außerdem, dass er zu keiner Sekunde vor der Hässlichkeit des Gezeigten zurückschreckt.
Spätestens wenn Mark ein passioniertes Update seines „Choose life!“-Monologs abliefert, lässt T2 Trainspotting tief in die Seele eines Menschen blicken, der abgestumpft und vor der Wirklichkeit geflohen ist. „Choose Facebook, Twitter, Instagram and hope that someone, somewhere cares“, erklärt Mark verzweifelt seinem Gegenüber, um die Welt um ihn herum als das Alien zu identifizieren. „Choose reality TV, slut shaming, revenge porn. Choose a zero-hours contract, a two-hour journey to work. And choose the same for your kids, only worse, and smother the pain with an unknown dose of an unknown drug made in somebody’s kitchen.“ Am Ende sind es allerdings nicht die Menschen, die Marc so anekeln, sondern er selbst. Hinter der coolen Pose versteckt sich in Wahrheit ein wütendes Geständnis und die frustrierende Erkenntnis, dass sich eben doch nichts verändert hat. „Watch history repeat itself.“
T2 Transporting © Sony Pictures
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