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The Beguiled – Kritik

Verträumt blickt die Kamera durch eine leuchtende Baumkrone in die Sonne, ehe sich sich langsam Richtung Erdboden bewegt und eine sorgfältig arrangierte Allee in den Fokus rückt. Ein wahrlich idyllischer Anblick, sekundiert von einem kleinen Mädchen, das sich summend in seinem weißen Kleid auf den Heimweg macht. Die Unschuld, die dieses einleitende Bild zum Ausdruck bringt, ist unbeschreiblich, genauso wie der Schrecken der kurze Zeit später erfolgt, als die anmutende Schönheit der bitteren Realität weicht: The Beguiled ist während dem amerikanischen Bürgerkrieg in Virginia angesiedelt. Konkret entführt die Geschichte, die auf dem gleichnamigen Roman von Thomas P. Cullinan basiert, ins Jahr 1864 und erzählt vom Schicksal eines verwundeten Soldaten, der für die verfeindeten Nordstaaten kämpft, sich nun jedoch hilflos in den Händen des Südens wiederfindet.

John McBurney (Colin Farrell) ist der Name des verletzten Kämpfers, der sich nicht einmal mehr aufraffen kann, um die Flucht zu ergreifen, als ihn die junge Amy (Oona Laurence) im Wald entdeckt. Ob sie Angst habe, fragt der Fremde – es sei überhaupt nicht schlimm, denn er selbst fürchte sich in diesem ungedeckten Moment sehr. Es ist eine merkwürdige Atmosphäre, die Sofia Coppola in den ersten Minuten ihres neusten Werkes einfängt, das sich weiterhin an Don Siegels erster Verfilmung aus dem 1971 orientiert. War es damals die Glut des Südens, die diese Erzählung von Ungeheuern in einer ungeheuren Welt so unbegreiflich machte, wirkt Sofia Coppolas Umsetzung vor allem durch ihre verschleierten Bilder so unheimlich und unangenehm. Anstelle von Dreck und Schweiß bahnt sich hier ein ungewisser Dunst in jede Szene, stets begleitet vom Zirpen der Grillen und dem weit entfernten Kanonenfeuer, das beständig für Unruhe sorgt.

Spätestens, wenn John McBurney von Schulleiterin Martha Farnsworth (Nicole Kidman) und ihrer Gehilfin Edwina Dabney (Kirsten Dunst) gepflegt wird, während die restlichen Mädchen des Hauses ihre hart antrainierte Vernunft vergessen, verwandelt sich The Beguiled in ein komplexes Drama, das sich stets an moralischen Grenzen bewegt und das letzte Paradies, das dem Krieg standgehalten hat, in den Abgrund stürzt. Die Präsenz des Mannes im ausschließlich weiblichen Haushalt lässt Verlangen und Begehren auf beiden Seiten zum Vorschein treten, was besonders auffällig durch die vorherige Unterdrückung zur Geltung kommt. Immer wieder weist Martha die Mädchen mit höflich bestimmendem Tonfall darauf hin, dass sie doch ihrer ordentlichen Tätigkeiten nachkommen sollen. Besonders Alicia (Elle Fanning) scheint ihre Anweisungen allerdings mit der gleichen Begeisterung zu folgen wie Edwinas bemüht lebendigen Französischunterricht.

Sofia Coppola spiegelt den omnipräsenten Kontrollzwang in ihrer ruhigen Inszenierung wieder. Dabei verlässt sie sich in erster Linie auf erlesene Aufnahmen sowie lange Einstellungen, die sich erst im Moment des Geschehens zu einem atemberaubenden Gemälde vereinen. Elegant bahnt sich die Kamera ihren Weg durch die großen Räume des Pensionats und lässt dabei immer wieder überwältigende Szenen entstehen, die gerade deswegen so intensiv sind, weil die Anspannung, die in der Luft liegt, regelrecht auf der Leinwand zu spüren ist. Plötzlich ist jeder Blick eine kleine Kriegserklärung, der sich gleichermaßen genießerisch wie vorsichtig auf den Körper des jeweiligen Gegenübers legt. Und dann wären da noch die hemmungslosen, unterdrückten Sehnsüchte, die – je weiter The Beguiled in seinem infernalen Strudel voranschreitet – förmlich explodieren und für eine bedrohliche Stimmung sorgen. Jeder Augenblick ist mit nervenaufreibender Ungewissheit aufgeladen.

Wenngleich Sofia Coppolas Interpretation des Stoffes nicht so radikal ausfällt wie Don Siegels Version, gibt es genügend Reibungspunkte in diesem kleinen Mikrokosmos, der nicht nur durch sein bemerkenswert Design auffällt, sondern ebenfalls den spärlichen Berührungspunkten mit der feindlichen Außenwelt. In weiter Ferne brennen die Felder und Rauch zieht auf. Es wird gelogen, manipuliert und betrogen, sodass zum Schluss bloß eine hässliche Seite der Menschen übrig bleibt, egal, aus welchen Beweggründen sie gehandelt haben. Das Schlachtfeld, vor dem Martha ihre Mädchen zu beschützen versucht, ist unlängst identisch mit dem wohl behüteten Areal, auf dem sich das Pensionat befindet. Dem Kriegstreiben kann sich niemand mehr entziehen. Die Illusion der heilen Welt weicht dem Keim des Verdorbenen und schon bald sorgen selbst die erhabenen Aufnahmen in The Beguiled für nichts als verstörende Rastlosigkeit.

The Beguiled © Universal Pictures