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The Dark Tower – Kritik

Über zehn Jahre sind inzwischen vergangen, seitdem im Februar 2007 zum ersten Mal konkrete Meldungen hinsichtlich einer Verfilmung von Stephen Kings achtteiliger Romanreihe The Dark Tower die Runde machten. Damals waren es Regisseur J.J. Abrams und seine Lost-Verbündeten Carlton Cuse und Damon Lindelof die für die ambitionierte Adaption im Gespräch waren, ehe Ron Howard mit Drehbuchautor Akiva Goldsman 2010 das Ruder übernahmen und eine crossmediale Umsetzung des komplexen Stoffs in Aussicht stellten: Drei Kinofilme und eine Serie mit zwei Staffeln sollten das in Form bewegter Bilder fassen, was als Stephen Kings Opus Magnum gilt. Nach einer Dekade in der Produktionshölle hat es The Dark Tower nun tatsächlich auf die große Leinwand geschafft – als Kompromiss, der den bedingungslos den Mechanismen des gegenwärtigen Blockbuster-Kinos frönt, gleichzeitig aber mit seinen düsteren, rauen Bildern einen gewissen Vibe der 1990er Jahre ausstrahlt. Die Frage nach dem wahrhaftigen Anliegen des Films bleibt nach all der Zeit dennoch unbeantwortet.

Regisseur Nikolaj Arcel, der mit dem Historiendrama A Royal Affair auf sich aufmerksam gemacht hat, lässt in keinem Moment durchblicken, welche Vision er für die Verfilmung des zugrundeliegenden Buchzyklus hat. Stattdessen offenbart sich The Dark Tower als uninspiriertes Potpourri, das im Storyboard-Stadium durchaus Eindruck erweckt, schlussendlich aber nie den groben Skizzen entkommen kann. So ereignet es sich sprichwörtlich, dass der junge Jake Chambers (Tom Taylor) Zeichnungen anfertigt, die einerseits als Abbildung seiner Albträume fungieren und andererseits die Mythologie der Geschichte etablieren sollen. Ein Mann in Schwarz und ein Revolvermann sind darauf zu erkennen, ebenso der titelgebende Turm, der unheilvoll zwischen den verschiedenen Welten in den Himmel ragt und diese beschützt und verbindet. Furchteinflößend wie faszinierend sind diese Bilder, die geradezu unscheinbar an der Wand eines Kinderzimmers hängen und ein ein Epos heraufbeschwören, das den Kampf von Gut und Böse dokumentiert.

Leider hat The Dark Tower im Nachfolgenden wenig mit diesem die Fantasie anregendem Ausblick zu tun: Apokalyptisch, unheimliche Elemente, die Stimmung erzeugen, Gänsehaut provozieren und zum Träumen anregen, weichen raschen Handlungsabläufen, die stets einem zweckhaften Modus unterworfen sind, anstelle ein Gespür für das von Stephen King geschaffene Universum zu entwickeln. Während in Zeiten von Franchises und Shared Universes kaum etwas wichtiger ist, als ein abenteuerreiche Welt zu entwerfen, verblüfft es geradezu, wie wenig The Dark Tower am eigenen Worldbuilding interessiert ist, obgleich das Ausgangsmaterial eine Steilvorlage in puncto Expansion offeriert. Wie bereits erwähnt handelt es sich bei Stephen Kings Büchern um einen Zyklus. So knüpft die Adaption an die für die Leser altbekannte und sich wiederholende Geste der Erzählung an. Der Luxus des umfangreichen Grundgerüsts kommt in The Dark Tower jedoch selten zum Vorschein. Vielmehr zerbricht der Film an der ihm auferlegten Last und entblößt ein Sammelsurium angefangener, aber unvollendeter Ideen und Versatzstücke.

Wenn Jake später auf den tatsächlichen Gunslinger (Idris Elba) aus seinen Albträumen trifft und somit zum ersten Mal zwei parallel existierende Realitäten aufeinanderprallen, reagiert die Drehbuchautoren unerwartet emotionslos und lassen jegliche Figurenmotivation vermissen. Ähnlich verhält es sich mit dem Man in Black (Matthew McConaughey), der zwar arrogant durch die Straßen von New York City schlendert, während er einem kleinen Mädchen am Straßenrand mit einem absolut gehässigen „Hate!“ zur Kenntnis nimmt. Aus der Distanz gestaltet sich seine Präsenz allerdings bloß als unausgegorene Inkarnation des ultimativ Bösen. Dass später eine gewaltige Lichtsäule von der baldigen Zerstörung kündet, komplettiert den generischen Charakter des Films, der wie sein mysteriöses Zentrum herausragen könnte und sollte. Doch selbst der Dunkle Turm, der für ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Dimensionen sorgt, wird wie ein obligatorisches Übel an den Rand des Geschehens verbannt und darf höchstens in kryptischen Establishingshots seine bedrohliche Aura entfalten.

Was bleibt, ist ein Film, der eine tiefgreifende, erschütternde Mythologie regelmäßig in Aussicht stellt, schlussendlich aber nicht versteht, was es bedeutet, sich zu dieser Mythologie zu bekennen und sie wirklich zum Leben zu erwecken. Vieles wird behauptet in diesen merkwürdigen eineinhalb Stunden, die gleichermaßen schlank wie gleichgültig ein Epos rahmen, das sich widerstandslos damit abgefunden hat, einfach nur mittelmäßig zu sein, obwohl unzählige Impulse weitaus Größeres beschwören könnten. Ausgerechnet die Fish-out-of-Water-Komik, die aus der Ankunft des Gunslinger im modernen New York resultiert, verleiht The Dark Tower doch noch eine liebenswürdige Vitalität, die ein Gespür für die Figuren und die Welt, in der sie sich bewegen, erahnen lässt. Der Kern der Geschichte bleibt trotzdem ein verschlüsselter und lässt die erhoffte Power von Stephen Kings Schöpfung ratlos versanden. Nach zehn Jahren ist The Dark Tower weder die beste noch die schlechteste, sondern schlicht die unmotivierteste Umsetzung des Stoffs geworden.

The Dark Tower © Sony Pictures