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The Fate of the Furious – Kritik

Irgendwann in The Fate of the Furious gibt es einen Moment, in dem die Familie inklusive (!) Autos einen schützenden Kreis um Dom Toretto (Vin Diesel) bildet, der sich wenige Stunden zuvor noch komplett von selbiger abgewendet hatte. Da jagten die einzelnen Mitglieder der Fast & Furious-Familie mit waghalsiger Geschwindigkeit durch die Straßen von New York City und versuchten, die letzte verbliebene Ursprungsfigur des Franchise einzufangen, ehe sie noch größeres Unheil anrichten konnte, als sie es eh schon getan hat. Verrat, Vertrauen und Versöhnung sind die drei Schlüsselworte des achten Segments der adrenalingeladenen Filmreihe, die seit Beginn des 21. Jahrhunderts in den unterschiedlichsten Ausführungen auf der großen Leinwand für eine ständige Überschreitung des Tempolimits sorgt. Was einst mit einem illegalen Straßenrennen in Los Angeles angefangen hat, steht unlängst synonym für überlebensgroße Action, die selbst aktuelle Superhelden-Blockbuster in den Schatten stellt. Noch größer, noch schneller, noch lauter: The Fate of the Furious ist eine überaus angemessene Fortsetzung nach dem emotionalen Peak vor zwei Jahren.

Der tragische Verlust von Paul Walker hat die Reihe wie kaum ein anderes Ereignis geprägt und verändert. Sowohl im erzählerischen Rahmen als auch dem äußerlichen als Filmproduktion treten die Fast & Furious-Filme mittlerweile mit einem unglaublichen Selbstbewusstsein für das Narrativ der Familie auf, das anfangs eher beiläufig im Hintergrund mitgeschwungen ist, ehe es sich in den vergangenen Jahren zur treibenden Kraft hinter den aufregenden Abenteuern entwickelte. In einer Welt, in der jedes Problem mit Autos gelöst werden kann, selbst wenn es sich dabei um eine globale Bedrohung handelt, gibt es nichts, das für Dom wichtiger ist als seine Familie. Auf dem Teaser-Poster von The Fate of the Furious steht nun allerdings „No more family“ geschrieben und das ultimative, geradezu unantastbare Bündnis befindet in Gefahr. Was ist also seit dem letzten Finale passiert, in dem sich unsere Helden in einer unfassbar hoffnungsvollen Sequenz in den Sonnenuntergang verabschiedeten? Drehbuchautor Chris Morgan, der das Franchise seit Tokyo Drift begleitet, hat eine verblüffende wie berührende Antwort darauf gefunden.

Zuerst kehrt The Fate of the Furious allerdings zu seinen Wurzeln zurück und verliert sich im Angesicht der heißen Sonne Havannas in der vibrierenden Fantasie eines illegales Straßenrennens, das in seiner Logistik eine meisterhafte Organisation erfordern würde und dennoch einfach aus dem Moment heraus entsteht. Ein Streit ist Auslöser für den Wettkampf, bei dem es nicht bloß um Autos, sondern vor allem Respekt und Anerkennung geht. Obwohl all die Figuren, die in dieser Szene auftauchen, auf den ersten Blick nicht einmal ansatzweise so viel Tiefe versprühen wie die große Klappe, hinter der sie sich verstecken, weiß Chris Morgan bestens um das Herz der Reihe Bescheid und die damit verbundene Aufrichtigkeit zu nutzen. In The Fate of the Furious gehören Macho-Sprüche und unaussprechliche Beleidigungen auf die Tagesordnung. Gleichzeitig bewegt sich der Film nie auf einem zynischen, herablassenden Level, sondern erkennt im Aufeinandertreffen der verschiedenen Egos – und davon gibt es einige! – eine große Spielwiese, um das Ensemble dynamisch, ja, liebevoll interagieren zu lassen. So wird aus den Flitterwochen schnell ein Familiendrama epischen Ausmaßes, ganz den Regeln der eigenen Mythologie verschrieben.

Straight Outta Compton-Regisseur F. Gary Gray, der bereits mit seinem Remake von The Italien Job bewiesen hat, dass er es durchaus versteht, größere Probleme kreativ mittels fahrbarer Untersätze zu lösen, schließt dabei nahtlos an das Schaffen seiner Vorgänger an. The Fate of the Furious protzt förmlich vor Energie. Sowohl in den aufwendigen Action-Set-Pieces als auch weniger spektakulären Dialogpassagen ist die Aussicht auf eine Verschnaufpause vergebens. Sobald in Havanna die Motoren gestartet werden, brettert der Film von einem Schauplatz zum nächsten und ähnelt in dieser Form – wie bereits die jüngsten Sequels – der Struktur eines James Bond– oder Mission: Impossible-Films. Atomwaffen werden hier genauso selbstverständlich in die Handlung integriert wie diverse Konflikte zwischen den Figuren, die immer (!) persönlich sind. Dazu kommt, dass mit Luke Hobbs (Dwanye Johnson) seit dem fünften und Deckard Shaw (Jason Statham) seit dem sechsten Teil die zentrale Familie wächst und stetig komplexere Züge annimmt. Das mag teilweise absurd und lächerlich wirken. Vor solch irrelevanten Einstufungen von Logik haben sich die Fast & Furious-Film zum Glück schon seit einiger Zeit verabschiedet.

Wo Hobbs eben noch in einem Anfall der Wut eine gewaltige Delle in einen Container geschlagen hat, als würde er seinem Namensvetter Luke Cage alle Ehre machen wollen, besteht kein Zweifel, dass sich der gleiche Mann später als passionierter Vater um das Wohl der Mädchenmannschaft sorgt, in dem seine Tochter spielt. Chris Morgan hat mit seinem Drehbuch sowohl die Figuren als auch die Schauspieler, die sie verkörpert, wahrlich brillant im Griff  – es wäre kaum auszudenken, was passieren würde, wenn sie nicht mehr miteinander reden würden. Alleine Doms beängstigende Verwandlung in einen fremdgesteuerten Terminator erschüttert Lettys (Michelle Rodriguez) Weltanschauung in einem unbeschreiblichen Ausmaße, dass ein Blick im Vorbeifahren genügt, um zu signalisieren, was gerade alles zu Bruch gegangen ist. The Fate of the Furious beherbergt zahlreiche dieser poetischen Momente, die entgegen der exzessiven Übertreibung auf allen Ebenen stärker sind als jede Abrissbirne, die Polizeiwägen wie Lego-Steine aus dem Weg räumt, und jedes U-Boot, das aus den Untiefen des ewigen Eises herausbricht, um einen kleinen Weltuntergang einzuläuten.

Es ist ein Fest der Überwältigung und F. Gary Grey sorgt dafür, dass wir nicht von einzelnen Autoteilen erschlagen werden, die sich im Eifer des Gefechts vom Rest der Vehikel lösen. Nein, sein Debüt im Fast & Furious-Universum offenbart sich als angenehm stilsicheres Unterfangen, das insbesondere der Übersichtlichkeit in temporeichen Bewegungsabläufen verschrieben ist. The Fate of the Furious ist wahrlich ein Genuss, wenn sich die Reifen drehen und einen Action-Tornado auslösen, der jeglicher Beschreibung spottet. Besonders faszinierend hierbei: Antagonistin Cipher (Charlize Theron) wagt sich nur selten ins tosende Geschehen, sondern lenkt die Ereignisse vorzugsweise aus ihrer Hacker-Zentral, die sich in einem Flugzeug auf sicherer Distanz befindet. Steril und eingefroren sind die Räume, durch die sie sich bewegt – und trotzdem genügt ein Tastenbefehl ihrerseits, um das vollkommene Chaos zu entfesseln. Gerade in diesen gegensätzlichen Aufstellungen, die zuerst unvereinbar wirken, findet der The Fate of the Furious seine wahre Stärke und kann deswegen noch größer, noch schnell und noch lauter werden, ohne sich je in stumpfer Gleichgültig zu verlieren. Es herrscht immer ein kleines, aber überlebensnotwendiges Spannungsverhältnis.

The Fate of the Furious © Universal Pictures