Wie ein Wahnsinniger rennt Daniel Radcliffe in Guns Akimbo mit verschwitztem Gesicht und zerrissenem Bademantel durch die Straßen. Das Erschreckendste an seinem Anblick ist jedoch etwas anderes: Zwei mächtige Pistolen mit jeweils 50 Schuss Munition, die mittels Schrauben an seinen Fingern befestigt sind. Selbst wenn er wollte, könnte er sich nicht von den Waffen lösen – eine grausamer Anblick, als hätte sich eines der Folterinstrumente aus Saw mit David Cronenbergs Body-Horror vereint.
Eine falsche Regung und der nächste Schuss löst sich. Jedes Zucken wird somit von verheerenden Konsequenzen begleitet – und der Knall ist deutlich lauter, als man es aus Filmen gewohnt, wie uns Miles Lee Harris sein, nun ja, unglückliches Erlebnis mitteilt. Guns Akimbo suggeriert damit eine gewisse Echtheit, die allerdings im nächsten Augenblick schon wieder über den Haufen geworfen wird. Regisseur und Drehbuchautor Jason Lei Howden hat es keineswegs auf eine realistische Erfahrung abgesehen.
Vielmehr geht es ihm darum, die Verbindung zwischen Miles und dem Publikum zu stärken: Sympathisch ist das Voice-over von Daniel Radcliffes Protagonisten selbst in der nervenaufreibendsten Extremsituation. Damit zieht er uns genauso auf seine Seite wie später die Zuschauer im Film, die seinen Überlebenskampf engagiert verfolgen und mitfiebern. Miles wurde nämlich Opfer der Untergrundorganisation Skizm, die illegale Kämpfe veranstaltet und diese live im Internet als Unterhaltungsprogramm überträgt.
Diese Kämpfe finden nicht in einer Arena, geschweige denn in einem von Regeln geordneten Rahmen statt, sondern breiten sich in der gesamten Stadt aus. Alles ist erlaubt – am Ende muss nur das Blut fließen, um den Zuschauern den ultimativen Kick zu ermöglichen. Der satirische Aspekt von Guns Akimbo kommt hier wenig subtil, aber effektiv zum Vorschein: Ähnlich wie dem von Emma Roberts und Dave Franco angeführten Action-Thriller Nerve führt Jason Lei Howden den Voyeurismus und die Doppelmoral der Social-Media-Gesellschaft vor.
Eine noch größere Inspiration dürften aber die atemlosen Filme von Mark Neveldine und Brian Taylor gewesen sein: Sowohl in der adrenalingeladenen Crank-Reihe als auch dem dystopischen Gamer wurden Figuren durch eine ähnlich bestialische Versuchsanordnung gejagt, was abseits ununterbrochener Action eine ganze Reihe absurder Momente mit sich brachte. Auch Miles verwandelt sich in Guns Akimbo sehr schnell in einen dieser alternativen Superhelden, die sich von einer grotesken Prüfung zur nächsten prügeln.
Dabei balanciert er – wie etwa auch Jason Stathams Chev Chelios – stets auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod. Eigentlich müsste er jeden Augenblick das Zeitliche segnen, doch wie in den genannten Werken gewährt Jason Lei Howden seinem Protagonisten keine Zeit, um ernsthaft seine Überlebenschancen abzuwägen. Wer nicht rennt und schießt, ist verloren – und dementsprechend hemmungslos wird auch die Kamera durch die Gegend geschleudert, was anfangs ziemlich reizvoll ist, letztendlich aber an Kraft verliert.
Guns Akimbo operiert im Grunde ab der ersten Minute in ein und demselben Extremmodus, ohne sich weiterzuentwickeln. Gerade die Crank-Filme haben ihr wildes Treiben trotz halsbrecherischem Einstieg geschickt steigern können, zumal man sich nie sicher war, wie weit Neveldine und Taylor wirklich gehen. Die brutale Odyssee von Miles folgt ab einem gewissen Punkt jedoch einer allzu offensichtlichen Dramaturgie. Auch Samara Weavings unerschrockene wie tragische Psychokillerin vermag es nicht, den Sprung ins nächste Level zu erreichen.
Trotz rasanter Action, die in stilisierten Bildern schwankender Qualität daherkommt, tritt Guns Akimbo irgendwann auf der Stelle und lässt jede Menge Potential links liegen. Ein Film, der sich seiner krassen Prämisse zu bewusst ist und dennoch wenig Vertrauen in die abgründigen Aspekte dieser besitzt: Zumindest Daniel Radcliffe kann seine inzwischen wahrlich unberechenbare Filmographie um eine weitere abgedrehte Rolle erweitern, die seine Lust am Genre, am Abseitigen und am Experimentellen untermauert.
Guns Akimbo © Leonine
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