Nachdem George Clooney in den vergangenen Jahren hauptsächlich hinter der Kamera tätig war, kehrt er mit seiner neuesten Regiearbeit endlich auch als Schauspieler zurück. Vier Jahre ist sein letzter Leinwandauftritt her – eine gefühlte Ewigkeit bei einem Star wie Clooney, dessen charismatische Figuren sonst mit verlässlicher Regelmäßigkeit das Kino bereichern. Seine Rückkehr fällt jedoch anders als erwartet aus: In dem für Netflix entstandenen Science-Fiction-Film The Midnight Sky ist er nicht der Held, der die Menschheit vor dem Ende rettet. Stattdessen schleppt erschöpft durch die Eiswüste einer unbewohnbaren Erde.
Die Verfilmung von Lily Brooks-Daltons Roman Good Morning, Midnight setzt von Anfang an auf eine apokalyptische Grundstimmung. Menschen befinden sich auf der Flucht, verlassen Hals über Kopf ihre Wirkungsstätten. Vor was sie fliehen und wohin sie fliehen – das umreißt der Film nur vage. Vielmehr interessiert sich das Drehbuch von Mark L. Smith für den letzten Mensch, der bleibt: den Wissenschaftler Augustine (George Clooney). In einer Forschungsstation in der Arktis zieht er sich zurück. Gesellschaft leisten ihm nur blinkende Kontrolllämpchen.
Dieser Einsamkeit steht die fünfköpfige Besatzung des Raumschiffs Æther entgegen, die sich auf dem Rückweg von einer Mission zum Jupitermond K23 befindet. Astronautin Sully (Felicity Jones) und ihr Team hat den Mond erfolgreich auf Bewohnbarkeit überprüft. Jeglicher Kontaktversuch mit der Erde ist dagegen gescheitert. Die Kontraste zwischen Augustine und Sully könnten kaum größer sein. Ein schwaches Signal schafft dennoch eine Verbindung zwischen den beiden, obwohl Unterbrechungen und Störgeräusche die Kommunikation maßgeblich erschweren.
George Clooneys Film spaltet sich somit in zwei Hälften, die lange Zeit parallel nebeneinander existieren und keine Bindung eingehen. Auf der Erde entfaltet sich The Midnight Sky als stürmische Endzeitvision. Erbarmungslos weht der Wind durch das ewige Eis und nimmt jede Hoffnung, dass Augustine in dieser verlassenen Welt einen Schritt vorwärts kommt. Niedergeschlagen spielt Clooney diesen letzten Menschen, für den jede Bewegung zu einem Kraftakt wird. Selbst das kleinste Anzeichen von Hoffnung und Wärme wird von der eisigen Kälte erstickt, die ihn umgibt.
Wo Augustine auf der Erde die Orientierung verliert, vermag selbst ein Meteorschauer die Crew nicht aus der Ruhe zu bringen. Selbst die zerbrechlichsten Instrumente, die den Weg weisen, könnten repariert und ausgetauscht werden. Mitunter wirkt es, als wäre mit K23 sogar ein perfekter Ersatz für die sterbende Erde gefunden, auch wenn die Astronaut*innen noch nichts von dem erahnen, was sie in ihrer Heimat erwartet. George Clooney schenkt ihnen als Regisseur einen Augenblick voller Wunder und Unendlichkeit. Nicht nur auf der berauschenden Oberfläche von K23, sondern auch im Weltraum.
Die Unbeschwertheit von Neil Diamonds Feel-Good-Hymne Sweet Caroline, die im Jahr 2049 nicht an Beliebtheit verloren hat, begleitet einen Weltraumspaziergang. Im Gegensatz zur Einsamkeit auf der Erde herrscht in der ewigen Finsternis ein inspirierender Zusammenhalt, der Mark Watney glücklich gemacht hätte. Ein letztes Mal die Luft anhalten, dann ist die Herausforderung bestanden. Erleichtert bewegt sich Sullys Team zurück ins Innere des Raumschiffs. Doch irgendetwas stimmt nicht. Ein kaum hörbarer Hilfeschrei ertönt und sorgt für Unbehagen.
Nach dem Staunen im Angesicht der Schwerelosigkeit verwandelt sich The Midnight Sky in einen erschütternden Survival-Thriller, der in einer Luftschleuse vor Spannung explodiert. Was den Moment so herausragend macht, ist das schleichende Gefühl, mit dem er sich ankündigt. Innerhalb weniger Minuten kippt die Stimmung und George Clooney geht als Regisseur jeden einzelnen Schritt dieser aufwühlenden Entwicklung mit. Es ist eine dermaßen eindrucksvolle Kulmination dramatischer Ereignisse, dass selbst die emotionale Verschmelzung der beiden Filmhälften im Finale nicht an die zuvor aufgewirbelten Gefühle heranreicht.
Beitragsbild: The Midnight Sky © Netflix
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