Nur wenige Filmreihen verfügen über eine musikalisch dermaßen reiche Welt wie Star Wars. Ausgerechnet Obi-Wan Kenobi, der bereits 1977 als Mentorenfigur in die Sternensaga eingeführt wurde und in der späteren Prequel-Trilogie eine tragende Rolle spielte, hat bis heute kein eigenes Theme erhalten. 45 Jahre nach Obi-Wans erstem Auftritt in der weit entfernten Galaxis holt John Williams dieses Versäumnis nach. Der Komponist aller bisherigen Skywalker-Filme schenkt dem legendären Jedi ein wundervolles Musikstück voller Schmerz und Einsamkeit, die sich in Hoffnung verwandeln.
Das neue Theme, das Williams für die Obi-Wan Kenobi-Serie geschrieben hat (der Rest des Scores stammt aus der Feder von Loki-Komponistin Natalie Holt) verschafft uns gleich in den ersten Sekunden einen sehr guten Eindruck davon, an welchem Punkt sich der gebrochene Jedi in seinem Leben befindet. Zehn Jahre nach Revenge of the Sith wacht Obi-Wan auf Tatooine über den jungen Luke Skywalker. In seinen Träumen verfolgen ihn die verheerenden Folgen der Order 66 und alles, was damit verbunden ist. Zum Schmerz und der Einsamkeit gesellen sich Unruhe und Ungewissheit.
Selbst wenn sich Obi-Wan nach außen nichts anmerken lässt: Die nervösen Streicher, die sein Theme einleiten, künden von einer inneren Zerrissenheit und dem Hitzeflimmern in der ewigen Wüste Tatooines. Erst nach ein paar Takten setzt ein Horn mit langem Atem ein und gibt der pulsierenden Musik Struktur: Sehnsuchtsvoll geht der Blick in den Horizont und zu den Sternen. Musikalisch setzt Williams Obi-Wan mit einem der ikonischsten Momente der Sternensaga ins Verhältnis. Es fehlt nur noch, dass der Jedi genauso wie Luke in die untergehenden Zwillingssonnen von Tatooine blickt.
Der große Unterschied: Wo sich Luke am Anfang seiner Reise befindet, hat Obi-Wan bereits eine ganze Geschichte – und damit zahlreiche musikalische Begegnungen – hinter sich. Das melancholische Horn wird somit von warmen Streichern aufgefangen, die sämtliche Gefühle der Prequels zurückbringen: Unschuld und Neugier ertönen, während durch den fülligen Klangteppich die Zuversicht der Republik blitzt. Schlussendlich setzt aber auch in der Erinnerung der Schmerz ein – ein Bruch, der in der Musik sehr deutlich wird, wenn sich zu den hoffnungsvollen Tönen ebenso tragische gesellen.
Plötzlich befinden wir uns wieder mitten in den Flammen von Mustafar: Ohne Battle of the Heroes direkt zu zitieren, verweiset Williams mit einer sich wiederholenden Figur auf den schicksalhaften Kampf zwischen Obi-Wan und Anakin, der sich der Dunklen Seite der Macht zugewandt hat. Die Musik wird tiefer, lauter und bedrohlicher: Eine fünfteilige Tonfolge baut sich immer wieder neu auf – jedes Mal mit mehr Intensität ausgestattet, als würde Darth Vader gleich direkt aus dem Schatten von Obi-Wans Albträumen treten und das Dünenmeer in einen reißenden Feuerstrom verwandeln.
Gestärkt durch die Harmonien des Force Themes und sogar einer Variation des Main Themes bleibt Obi-Wans Horn jedoch bestehen und erhält schließlich die Verstärkung des gesamten Orchesters. Zur Hälfte des Stücks ist Obi-Wan endlich wieder bei sich angekommen. Der Jedi, der sich eine Dekade lang von der Macht, den Menschen und sich selbst entfremdete, findet wieder zu sich. Hoffnung und (Selbst-)Vertrauen strömen durch die zweite Hälfte des Themes, ohne die zärtliche und zerbrechliche Seite von Ewan McGregors Jedi-Ritter zu vergessen. Das Lichtschwert ist wieder ausgegraben.
Williams bewegt Obi-Wan auf musikalischer Ebene elegant und einfühlsam von den Prequels Richtung Originaltrilogie. Darüber hinaus lässt sich eine spannende Parallele zu Luke in The Last Jedi ausmachen. Jene Passage, die den Kampf zwischen Obi-Wan und Anakin zurückbringt, spiegelt ebenso The Spark – das Stück, das eindrucksvoll Lukes Rückkehr untermauert. Der Funke ist wieder entfacht: Sowohl Obi-Wan als auch Luke haben lange Zeit mit Zweifeln und Schuldfragen verbracht. Die neue Musik, die Williams für beide Figuren komponiert hat, schenkt ihnen aber auch eine Zukunft.
Beitragsbild: Obi-Wan Kenobi © Disney+
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