Obgleich der Titel etwas anderes erwarten lässt, beginnt Guardians of the Galaxy auf dem wohl unspektakulärsten Planeten dieses Sternensystem, namentlich die Erde. Im Mittelpunkt der ersten Minuten des anschließenden Weltraum-Abenteuers befindet sich ein kleiner Junge, der verzweifelt in den unendlichen Weiten, die ihm sein Walkman im musikalischen Zeitgeist der 1980er Jahre offenbart, zu verschwinden versucht. Unmittelbar darauf stirbt seine Mutter und und das verlorene Kind rennt in die Finsternis – nur, um im Anschluss von einem Raumschiff aufgegabelt zu werden. Was im Angesicht der hell leuchtenden Lichtstrahlen bleibt, ist eines der legendären Spielberg Faces; staunend und überwältigt. Und tatsächlich erweist sich das Opening von James Gunns‚ Debüt im Marvel Cinematic Universe als Verneigung vor verträumten Science-Fiction-Werken wie Close Encounter of the Third Kind oder E.T. the Extra-Terrestrial. Auch nach dem Zeitsprung, der eine Spanne von 26 Jahren hinter sich lässt und das Geschehen somit in die Gegenwart katapultiert, bleibt die referenzielle Nostalgie an filmische Vorbilder erhalten. Auf eine verspielte Raiders of the Lost Ark-Hommage folgt der Sprung zum legendärsten Weltrummärchen des popkulturellen Denkens und zwischendurch jubelt der Marvel-Neuankömmling ganz frech dem wilden Treiben den Sound bereits erwähnter Dekade unter: Come And Get Your Love.
Tatsächlich bricht James Gunn für einen Augenblick mit den Konventionen der Hausmarke und zeigt in prächtigen Bildern, dass die gigantische Franchise-Unternehmung von Marvel/Disney mehr als die minimale Variation einer Formel kann, die im Lauf der vergangenen Jahre getestet, optimiert und perfektioniert wurde. Die Ermüdungserscheinungen im Marvel Cinematic Universe sind kein Geheimnis mehr, wenngleich der Blockbuster-Gigant bestrebt nach unverbrauchten Talenten Ausschau hält. Wie übertrifft man ein extraordinäres Klassentreffen à la The Avengers, wenn die liebgewonnenen Superhelden-Egos in den nächsten drei Filmen getrennte Wege gehen müssen? Während mit Shane Blacks lockerer Iron Man-Parade zumindest ein erfrischender Konzeptentwurf seinen Fuß in die Türschwelle des kohärenten Comic-Universums setzte, katapultierte Alan Taylor den zweiten Solo-Ritt von Thor ins vollkommen austauschbare wie lieblos gestaltete Jenseits. In Zeiten, in denen sich sogar die Rückkehr des bisher so eigenständigen, ersten Avengers trotz formidabler Ansätze im letzten Akt den unbarmherzigen Mechanismen der Materialschlacht beugt, offeriert sich James Gunn als willkommener Erlöser, der dank seines bisherigen Schaffens zweifelsohne als eigenwilligster Regisseur der bisherigen Marvel-Rekruten aufgeführt werden darf. Zwar hievt seine Vision das Genre auf kein neues Level. Trotzdem waren schräge Weltenretter seit Joss Whedons launigen Rächter-Initiative nicht unterhaltsamer und vor allem lebendiger.
Die Laune avanciert ebenfalls im Sternenkrieg von James Gunn zur obersten Maxime der turbulenten Ereignisse. Einmal eingeführt, hört Peter Quill (Chris Pratt) nicht mehr zu schwadronieren auf und bekommt binnen weniger Minuten genügend Kontrahenten und Mitstreiter vorgestellt, damit die geschliffenen One-liner ordentlich in ein Gegenüber treffen, das die gesprochene Worte mit eine bissigen Touch paralysieren kann. James Gunn und Co-Drehbuchautorin Nicole Perlman veranstalten ein verbales Scharmützel sondergleichen – selbst wenn sich der Aussagegehalt größtenteils im belanglosen Teil der Galaxie verlaufen dürfte. Bevor das Gesagte jedoch überhaupt im Spektrum der Reflexion ankommt, sind die Guardians of the Galaxy längst im nächsten Planetensystem angelangt und jagen dem obligatorischen MacGuffin des Films hinterher. Ein Infinity Stone definiert dieses Mal jenes ominöse Object, das unterdessen trotz mangelnder Relevanz in keinem Vertreter aus dem Marvel Cinematic Universe fehlen darf. Dass James Gunn die Meriten seiner Space Odyssey kennt, liegt auf der Hand: Im Gegensatz zu Alan Taylor schickt er seine Helden nicht lustlos von einem Set Piece zum anderen, sondern lebt die unzähligen Möglichkeiten selbiger mit sichtlicher Freude aus. Der Kreativität sind dabei glücklicherweise keine Grenzen gesetzt und es ist gerade die Mischung aus unerwarteten sowie kleinen, nahezu unauffälligen Einfällen, die Guardians of the Galaxy ins kurzweiligste Vergnügen des Kinosommer verwandelt.
Generell mausert sich das Superhelden-Potpourri zum hinreißender Balanceakt. Alleine bei der Tatsache, dass innerhalb des Bruchteils einer Sekunde die Dramatik des Finales auf absurdeste Weise unterbrochen wird und dennoch kein Drang nach Lächerlichkeit besteht, bürgt für den dynamischen Umgang mit der Materie. Und diese Dynamik ist ein unheimlich wertvoller Motor. Sie besteht aus dem Timing der anfänglichen Action-Sequenzen zieht sich über den temporeichen Erzählrhythmus bis hin zum amüsanten Spiel des sagenhaften Ensembles – allen voran die titelgebenden Guardians in persona: Chris Pratt, Zoe Saldana, Dave Bautista und in synchronisierender Mission Bradley Cooper sowie Vin Diesel. Obwohl sich die einzelnen Figuren im Grunde auf Archetypen des Genres reduzieren lassen, gewährt James Gunn ihnen das gewisse Etwas, das die Gruppe wirklich in das Bunch of a-holes verwandelt, das von allen Seiten kolportiert wird, nämlich ein Herz. Guardians of the Galaxy hat ein Herz, hat diesen gewissen Funken Magie, der mit nur wenigen cleveren Schachzügen ganz Welten entstehen und einen bodenlosen Macho zum coolen Space Cowboy werden lässt. Die Hingabe, mit der James Gunn seinen Weltraum-Bewohner Atem einhaucht, reicht bis in die hintersten Reihen, insbesondere sich wenn Michael Rookers Yondu Udonta als wahrer Scene Stealer entpuppt. Ärgerlicherweise bleibt eine Marvel-Krankheit abseits des Loki-Jokers nach wie vor unbesiegbar: Der blasse Antagonist mitsamt seiner Schar bemerkenswert geschminkter MitstreiterInnen; ein verschenktes Gespann der Zweckerfüllung.
Die wohltemperierten zwei Stunden Laufzeit geben erst im Schlussakt ihre Schwächen preis. Wenn in Rahmen einer Episode I-Gedächtnisschlacht Ronan the Accuser (Lee Pace) den friedlichen Planeten Xandar angreift, sammelt sich Guardians of the Galaxy einen minimalen Malus an, da automatisiert ein Marvel-Mechanismus in den anderen greift.Plötzlich fängt jedoch der selbsternannte Star-Lord das Tanzen an und wirft alle Regeln über Bord – hier darf ein sprechender Waschbär wie ein Verrückter um sich schießen, während sein Partner, ein wortgewandter Baum, hingebungsvoll sein persönliches Mantra aufsagt: „I am Groot“. Dazwischen geben sich David Bowie, Rupert Holmes und The Runaways freundschaftlich die Ehre. Was Jon Favreau mit AC/DC anfing, setzt James Gunn äußerst gekonnt fort und integriert ein erlesene Auswahl an Source Music, die im Wechselspiel der diegetischen Ebenen pointiert den Stilbruch mit dem Score von Tyler Bates provoziert und sich den Titel Awesome Mix Vol. 1 wahrhaftig verdient hat. Nach dieser spaßigen Achterbahnfahrt gibt es letzten Endes nur noch eines Frage, nämlich die, warum Gamora ungeachtet ihrer fetzigen Attitüde die Prinzessin bleibt, der ein Sternenkrieger das Leben retten muss. Klar, Zoe Zaldana ist kick ass-iger als in Avatar und Star Trek zusammen. Aber da geht noch viel mehr! (Looking at you, Kevin). Ansonsten: Yay, I’m hooked on a feeling!
Guardians of the Galaxy © Walt Disney Studios Motion Pictures
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