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Aftersun – Kritik

Die kratzigen Geräusche eines alten Camcorders als Tor in die Erinnerung: Kurz darauf erscheinen verpixelte, verwackelte Bilder und die Reflexion auf dem Bildschirm lässt für einen kurzen Augenblick Vergangenheit und Gegenwart verschwimmen. Aftersun ist wie ein Zittern zwischen Loslassen und Festhalten. Rohe Momentaufnahmen, die ihre Schönheit in der Unmittelbarkeit finden, in der sie entstanden sind. Nicht geplant, nicht komponiert. Ein beiläufiges Dokument, gefilmt aus Neugier, das keiner Form folgt und trotzdem mit jeder Zoom-Bewegung eindeutig signalisiert, um was es wirklich geht.

Immer tiefer dringt das kratzige Geräusch zum Vergangenen vor, erweckt es zu neuem Leben.  Das Gefühl von Unerreichbarkeit kann es allerdings nie überwinden. Das Zittern verwandelt sich in flackerndes Licht, das die Dunkelheit durchbricht. Menschen tanzen, bewegen sich. Nur Sophie steht isoliert in der Menge, verloren, einsam. Suchende Blicke, aber niemand, der sie auffängt. Dann ein Schatten, ein vertrautes Gesicht. Eine Gestalt, die versucht, sich ihren Weg durch das Pulsieren zu bahnen, aber chancenlos im Durcheinander untergeht. „Can’t we give ourselves one more chance?“

Erst einen Urlaub später finden Sophie und ihr Vater an diesem Ort zusammen, der jenseits von Raum und Zeit existiert – in rauschenden Bildern, zu rauschender Musik. Freddie Mercury und David Bowie wechseln sich ab in einem alles überwindenden Tanz. Die Grenzen, die Charlotte Wells zuvor in ihrem Spielfilmdebüt aufgebaut hat, vereinen sich in einem Schrei, in einem Heulen, in einer Umarmung. Einer der schlichtesten Filme des Jahres kommt in einer ekstatischen Montage voller vibrierender Schemen zu sich. Kaum erkennbar. Ein Augenblick, der sich nicht greifen lässt – eingefangen.

Beitragsbild: Aftersun © Mubi