Das Fast & Furious-Franchise hat eine bemerkenswerte Entwicklung hinter sich. 2001 als geradliniger Actionfilm gestartet avancierten die späteren Fortsetzungen zu gigantischen Event-Blockbustern, die nicht nur mit jeder Menge Star-Power lockten, sondern ebenfalls in puncto Stunts und Action zu entzücken wussten. Vor allem die herzhafte Übertreibung entpuppte sich als Schlüssel zum Erfolg, vom Narrativ rund um Vin Diesels Family ganz zu schweigen. Mit Fast & Furious presents: Hobbs & Shaw steht nun das erste richtige Spin-off vor der Tür, nachdem sich die Reihe zuvor mehrmals neu ausgerichtet hat. Fortan geht ein Teil der Familie wieder getrennte Wege.
Ausgerechnet Dwayne Johnson, der mit seinem Debüt in Fast Five die dringend notwendige Erneuerung der Marke erst ermöglichte, treibt die Familie jetzt wieder auseinander. Zusammen mit Jason Statham, der das Franchise seit dem sechsten Teil begleitet, stürzt er sich in sein eigenes Abenteuer und überlässt Vin Diesel die Hauptreihe. Wenn jemand einen eigenen Ableger stemmen kann, dann sind es die beiden. Immerhin haben sie ihre ursprünglichen Nebenfiguren zunehmend in die Highlights der jüngeren Filme verwandelt. Bei all dem Spaß den Hobbs & Shaw nun bereitet, weiß das Spin-off nur bedingt sein vorhandenes Potential auszuschöpfen.
Atomic Blonde-Regisseur David Leitch und das Team rund um Chris Morgan, der seit Tokyo Drift so etwas wie der Showrunner der Reihe ist, haben zwar ein überaus vergnügliches Konzept entwickelt, das Hobbs & Shaw durchaus eine eigene Identität mit futuristischem Einschlag verleiht. Schlussendlich ist sich der Film seiner Stellung in der Blockbuster-Landschaft aber viel zu bewusst und zelebriert das epische Aufeinandertreffen von Luke Hobbs (Dwayne Johnson) und Deckard Shaw (Jason Statham) auf ermüdende Weise. Pausenlos werfen sich die beiden Action-Giganten kernige One-liner an den Kopf, sodass das spielerische Element der Begegnung in Vergessenheit gerät.
Auch in den anderen Fast & Furious-Filmen stehen entsprechende Ermüdungserscheinungen auf der Tagesordnung. Hobbs & Shaw braucht jedoch schon erschreckend lange, bis er überhaupt in die Gänge kommt. Gerade die parallele Einführung der zwei Hauptfiguren erfolgt ungelenk, sodass die von Vanessa Kirby verkörperte Hattie Shaw den beiden problemlos die Show stiehlt. Bereits in Mission: Impossible – Fallout entpuppte sich die aus der Netflix-Serie The Crown bekannte Schauspielerin als Scene-Stealerin, wenngleich sie in der eigentlichen Action des Films nicht mitmischen durfte. Hobbs & Shaw gibt ihr da deutlich mehr zu tun, wenn auch nicht genug. Ein Hattie-Spin-off ist trotzdem jederzeit willkommen.
Zu viel Zeit verbringt der Film mit der Bewunderung seiner großen Stars, wodurch auch der Bösewicht etwas blass bleibt. Idris Elba spielt den Cyber-Terroriston Brixton Lore mit bemerkenswerter Energie und Überzeugung, die sich mühelos auf dem Level von Dwayne Johnson und Jason Statham bewegt. Abseits von zwei, drei größeren Szenen erhält er allerdings nur wenige Möglichkeiten, um seine Figur greifbar zu machen. Das ist schade, zumal die Motive, die beständig im Hintergrund mitschwingen, keine uninteressanten sind. Während in bester Fast & Furious-Manier sämtliche Vehikel in Schrotthaufen verwandelt werden, denkt Hobbs & Shaw überraschend viel über Fortschritt und Tradition nach.
Im ständigen Widerspruch befinden sich die zwei konkurrierenden Weltsichten des Films, während Dwayne Johnson sein eigenes Familiennarrativ zu etablieren versucht. Leider ist das alles in der Theorie spannender, als es im Film umgesetzt wird. Hier liefert Hobbs & Shaw lediglich das Wesentliche ab, um die Handlung voranzutreiben. Momente, in denen der Film in seiner eigenen Mythologie aufgeht, gibt es zu selten. Dafür wissen die einzelnen Set-Pieces zu überzeugen. Sie sind konzipiert wie Level in einem Videospiel, inklusive verschiedener Bühnen, auf denen sich die Figuren zum Kampf begegnen – mal auf der Ladefläche eines Lasters, mal im Angesicht eines apokalyptische Sturms.
Da vermengt Hobbs & Shaw modernste Technologie mit den rohen Elementen, bleibt aber oft bei großen Gesten hängen, ohne diese mit kleinen Details zu unterfüttern. David Leitch, der zusammen mit Chad Stahelski den ersten John Wick-Film inszenierte, lässt sein Gespür für atemberaubende Actionszenen vermissen, was sich bereits in Deadpool 2, seinem ersten Blockbuster-Gig, angedeutet hat. Hobbs & Shaw ist immer noch ein wuchtiges und angemessen übertriebenes Unterfangen, keine Frage. Dem Exzess fehlt dennoch die Raffinesse, was in Anbetracht der nahezu grenzenlosen Möglichkeiten, die dieses Franchise bietet, eine leichte Enttäuschung ist. Manchmal klappt einem die Kinnlade trotzdem herunter.
Fast & Furious Presents: Hobbs & Shaw © Universal Pictures
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