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Get Out – Kritik

Get Out – diese Warnung vermittelt ein unheimlich vertrautes Gefühl, wenn wir uns ins Metier eines Horrorfilms begeben. Nicht selten passiert es, dass sich die Protagonist_innen jener Geschichten in unglückliche Situationen begeben und kurz darauf das Zeitliche segnen. Uns Zuschauer bleibt oftmals nur der Schock und das Kopfschütteln im Anschluss, sollten unsere Held_innen doch in einer Welt aufgewachsen sein, in der bekannt ist, dass es nie eine gute Idee ist, dunkle Gassen im Alleingang zu erkunden. Bewusst und effizient zehren viele Horrorfilme vom fehlenden Wissensvorsprung, den Zuschauer gegenüber den Figuren haben, die zwar wie am Fließband popkulturelle Referenzen ausplappern, von den gängigen Klischees des Genres aber kein Wort wissen wollen.

In Get Out, dem extraordinären Regiedebüt von Jordan Peele ereignet es sich dennoch, das gleich in der Eröffnungssequenz ein junger, schwarzer Mann durch eine offenbar reiche, weiße Nachbarschaft irrt und sich ganz im Bewusstsein seiner ungünstigen Lage ist. „Not today“, murmelt er und wählt den vermeintlich sicheren Fluchtweg, bevor er doch zum Opfer eines heimlich auflauernden Widersachers wird. Es ist ein tragisches Statement zu Beginn eines Werkes, das sich ungemein selbstbewusst und clever Genre (und im Jahr 2017) bewegt, ohne ständig mit der Fahne des ironischen Blickwinkels zu winken. Jordan Peele vereint Horror und Humor, als wären beide Zutaten seiner Demaskierung der Gesellschaft füreinander bestimmt gewesen – und das alles in einem politisch aufgeladenen Film, der in Trumps Amerika förmlich zu explodieren droht.

Dabei wirkt die Welt anfangs unaufgeregt und noch in Ordnung, als der afroamerikanische Chris Washington (Daniel Kaluuya) in New York City die Sachen packt, um mit seiner Freundin Rose Armitage (Allison Williams) aufs Land zu fahren und deren Eltern zu besuchen. Das Armitage-Anwesen ist weit abgelegen vom wilden Treiben der Großstadt und offenbart auf den ersten Blick die perfekte Idylle inklusive Sonnenstrahlen, die sich im nahe gelegenen Gewässer spiegeln. Was Chris allerdings erst kurz vor Abreise erfährt: Rose hat ihren Eltern seine Hautfarbe verschwiegen. Ein kurzer, unangenehmer Moment lässt ungeklärte Konflikte in der Beziehung erahnen. Doch Chris und Rose sind erwachsen und entgehen der angedeuteten Auseinandersetzung. Immerhin hätte Rose‘ Vater Obama auch ein drittes Mal gewählt, wenn er es denn gekonnt hätte.

Als er schließlich die Bekanntschaftmit Dean (Bradley Whitford) und Missy Armitage (Catherine Keener) macht, nehmen die Rechtfertigungen in puncto politische Korrektheit merkwürdig die Überhand. Während Dean am laufenden Band zweitdeutige Anmerkungen macht, kann er – ganz der Ankündigung seiner Tochter entsprechend – gar nicht oft genug betonen, wie gerne er Obama eine weitere Amtsperiode im Weißen Haus gegönnt hätte. Entgegen aller möglichen Missverständnisse zeigt sich Chris aber höflich, freundlich und zuvorkommend. Auf keinen Fall will er den überschwänglich herzlichen Empfang mit einem korrigierenden Hinweis zerstören. Selbst wenn er sich zunehmend wie in einem surrealen Albtraum vorkommen muss, so eigenartig gestelzt wie die Menschen um ihn herum reden, vom merkwürdigen Verhalten der Hausangestellten ganz zu schweigen.

Jordan Peele spielt gekonnt mit unseren Erwartungen und überträgt diese ebenfalls auf seinen Protagonisten, der sich mit fortschreitender Laufzeit immer mehr einreden muss, dass hier alles in Ordnung ist. Besonders, wenn die geladenen Gäste zur Gartenparty der Armitages erscheinen, nimmt Get Out geradezu krude Züge an und streut einen alarmierenden Hinweis nach dem anderen, was die aberwitzigsten Verschwörungstheorien (im Film wie auf der Metaebene) befeuert. Was folgt, ist ein beachtlicher Balanceakt, der sich humorvoll im Grauen weidet und schließlich ein famoses Gedankenspiel nach dem anderen abfeuert. Subtil geht Jordan Peele, der ebenfalls das Drehbuch schrieb, zwar nicht zur Sache. Dafür schlägt jeder Dialog mit meisterhafter Präzision ein, während die inszenatorischen Griffe zuerst für eine kitzelnde Gänsehaut sorgen, ehe sie sich als unmittelbarer Schlag in die Magengrube entpuppen.

Das Lachen bleibt im Hals stecken, aber nicht aufgrund plötzlicher Stimmungsschwankungen, sondern aufgrund der unerschütterlichen Offenheit, mit der Get Out seine zentralen Themen und Motive im Augenblick des Geschehens verhandelt. Jordan Peele verschwendet wenig Zeit mit Impulsen, die zur anschließenden Diskussion einladen, sondern kommt direkt auf der großen Leinwand zur Sache, wenn wir Zuschauer zusammen mit Chris dazu aufgefordert werden, das Gezeigte beziehungsweise das Erlebte nach allen möglichen Normen und Standards zu erforschen und hinterfragen, bis wir uns einen Reim darauf machen können, was das wahre Schrecken der Geschichte ist. Wenngleich sich Chris beständig einredet, dass alles gut ist – irgendwann bleibt ihm keine Wahl mehr und er muss aktiv handeln, um zu überleben.

Bei all den Problemen, die Get Out anspricht und entlarvt, ist Chris’ Character Arc immer noch der bemerkenswerteste Bestandteil des Films und setzt sich vor allem über sämtliche Twists und Wendungen hinweg. Chris ist kein Stand-in, um eine These zu belegen. Nein, er ist wahrhaftig in diesem Albtraum gefangen, den er eingangs noch zu ignorieren, zu leugnen versucht. Dem alltägliche Rassismus, den er jeden Tag mehr oder weniger offensichtlich erfährt, begegnet er stets mit entschärfendem Charakter, da er genau weiß, wie sich die jeweilige Situation im schlimmsten Fall entfalten kann. Chris besitzt das Wissen, das den meisten seiner Horror-Kolleg_innen abhandengekommen scheint und dennoch verlässt er sich zu sehr auf die Vernunft der anderen, ehe er merkt, dass er wirklich von Monstern umgeben ist.

Get Out © Universal Pictures

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