Vor wenigen Tagen erschien mit Moonlight nicht nur der große Gewinner der diesjährigen Oscars, sondern ebenfalls einer der besten Filme der vergangenen Jahre fürs Heimkino. In knapp zwei Stunden erzählt Regisseur Barry Jenkins in drei sorgfältig gewählten Kapiteln die Geschichte eines Jungen, der zum Mann heranreift. Schlussendlich braucht es jedoch nicht mehr als 59 Sekunden, um die emotionale Spannweite des außergewöhnlichen Dramas komplett zu umschreiben. Würde mich jemand fragen, was für eine Art von Film er sich unter Moonlight vorzustellen hat, ich würde schlicht auf den Soundtrack von Nicholas Britell verweisen, insbesondere Little’s Theme.
Genauso behutsam, wie Barry Jenkins seinen jungen Protagonisten beobachtet, stellt Nicholas Britell sein Thema vor. Es beginnt mit den warmen, tröstenden Klängen eines Klaviers, die Chrions (Alex Hibbert) stilles Dasein illustrieren. Dann gesellt sich eine zerbrechliche Geige dazu und plötzlich sprudeln Gedanken und Gefühle aus dem Jungen heraus, der ansonsten kaum ein Wort spricht. In meiner Kritik zum Kinostart hatte ich meinen ersten Eindruck der Musik wie folgt zusammengefasst:
[…] Barry Jenkins aufmerksame Beobachtungsgabe entführt vorzugsweise in die düsteren, abgründigen, traurigen Ecken, sodass es beinahe schwer fällt, zu verstehen, wie Chiron in dieser Welt überhaupt einen Schritt nach vorne gehen kann. In diesen niederschmetternden Augenblicken, die weder an physischer noch emotionaler Härte geizen, übernimmt allerdings Nicholas Britell mit seinen weichen Kompositionen das Erzählen und schafft einen musikalischen Rückzugsort, der sowohl den Figuren als auch uns Zuschauern eine Welt zum Träumen eröffnet. […]
So reich die Bildsprache von Moonlight auch sein mag: Der Soundtrack verleiht der Geschichte eine völlig neue Dimension, entführt in verborgene Ecken und fungiert darüber hinaus als roter Faden in der fragmentarischen Erzählung. Kaum haben sich erdrückende Last und verträumte Schönheit in Little’s Theme etabliert, adaptiert Nicholas Britell das Thema in den anderen zwei Kapiteln mit neuen Instrumenten und leichten Variationen. Chiron wird älter und so verändert sich auch die Musik, die ihn begleitet. Tief in seinem Inneren wird Chiron jedoch immer Little bleiben.
Wer noch mehr über Moonlight und den Soundtrack erfahren möchte: Im Podcast Song Explorer spricht Nicholas Britell sehr detailliert über die Verknüpfung der drei Themen mit den Motiven des Films. Dabei schlüsselt er nicht nur spannende Infos hinsichtlich der verwendeten Instrumente auf, sondern gewährt ebenfalls einen Einblick in die Zusammenarbeit mit Barry Jenkins:
One of the interesting challenges from a musical perspective is how do you provide a sense of cohesion across chapters while also allowing for transformation? Barry told me about his love for chopped and screwed music, which is a style of southern hip-hop where you take tracks and you slow them down. In the process of slowing the music down, the pitch goes way down. You get this incredible, beautiful, deepened, and enriched sonic texture.
We immediately started talking about, could we do that to that to the score? Could we actually write classical music for the score and could apply these chop and screw techniques to it? I was immediately into it. I said, I know we could do this. That was an early exciting idea for us – this idea of my writing orchestral music and then as a part two of that process, taking my own recordings and chopping and screwing them and bending them and morphing the audio. […]
Moonlight © DCM Film Distribution
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