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Smile 2 – Kritik

Während sich Taylor Swift auf die letzte Etappe ihrer seit zwei Jahren anhaltenden Eras Tour begibt, sind überlebensgroße Popstars und ausverkaufte Konzerthallen auch im Horrorkino angekommen. Zuletzt lockte Lady Raven einen Serienkiller inmitten tausender kreischender Fans in die Falle, da kündigt sich der nächste Schocker mit musikalischem Setting an: Smile 2, die Fortsetzung des gleichnamigen Überraschungserfolgs aus dem Jahr 2022.

An die Stelle von Lady Raven tritt Skye Riley, ein nicht mehr allzu hell leuchtender Stern am Himmel der Musikindustrie. Drogen, Alkohol und ein Unfall haben ihre Karriere aus der Bahn geworfen. Ein Jahr später kündigt sie in der Drew Barrymore Show ihr Comeback an. Eine zweite Chance – das ist nicht selbstverständlich. Genauso wie ein Horror-Sequel, das seinen Vorgänger in jeder Hinsicht übertrifft. Doch exakt das hat Parker Finn mit Smile 2 geschafft.

Mit dem verstörend eindringlichen Grinsen, das Menschen aus vermeintlich irrationalen Gründen zuerst in den Wahnsinn und dann in den Tod treibt, hat der Regisseur und Drehbuchautor eines der markantesten Bilder des jüngeren Horrorkinos geschaffen. Viel zu leicht wäre es, sich auf diesem Erfolg auszuruhen. Auch wenn Finn dem Konzept seines Durchbruchfilms treu bleibt, breitet der Prolog die Ambition des Nachfolgers in Form einer eiskalten Plansequenz aus.

Eindrucksvoll ist nicht nur die technische Umsetzung, sondern vor allem die Geschichte, die Finn mit jeder weiteren Bewegung erzählt – über Figuren, über Räume und die tosende Ungeduld, die jene Figuren durch die Räume jagen lässt, bis sie Hals über Kopf durch Fenster fliegen, sich im Schnee abrollen und schließlich den Asphalt der Straße näher kennenlernen, als ihnen lieb ist. Mit jeder weiteren Minute will sich Finn steigern. Und er verkrampft niemals.

Smile 2 ist beides: The Eras Tour und Miss Americana. Das extravagante Konzertepos mit aufwendigen Choreografien und der intime Blick hinter die Kulissen – sogar eine Variation von Taylor Swifts silbern-metallischem Balmain-Kleid von den American Music Awards 2018 schleicht sich in den Film, ehe Blutspritzer das Sagen übernehmen und sich die Tänze vom Scheinwerferlicht der Bühne in die Dunkelheit eines labyrinthischen Apartments verlagern.

Finns Interesse für die Popstar-Umgebung ist so groß, sodass Smile 2, die obligatorische Horror-Fortführung, oft in den Hintergrund rückt, wenn nicht sogar komplett in Vergessenheit gerät. Um einen gewissen Anteil an Mythologie und entsprechendem Erklärungsballast kommt sein Drehbuch zwar nicht herum. Die meiste Zeit wird der Film jedoch von den hypnotisierenden Close-ups auf Naomi Scotts Gesicht geleitet – und davon, wie sie Wasserflaschen in einem Zug leert.

Seit Christoph Waltz in Inglourious Basterds hat niemand in einem Film etwas zu Trinken so wirkungsvoll in sich hineingestürzt. Jedes Mal, wenn Skye zu einer der stylishen, streng geformten Flaschen Voss Water greift und deren Inhalt sturzbachmäßig in sich versenkt, bewegt sich Smile 2 an der Grenze zum Ultrameisterwerk. Finn beobachtet jeden Zug mit der gleichen Hingabe, mit der er kopfüber das nächtliche New York mustert und clevere Jump-Scares vorbereitet.

Und überhaupt: Naomi Scott! Seit Speechless, ihrem großen Breakout-Moment in der Live-Action-Veriflmung von Aladdin aus 2019, wartet Scott auf eine Rolle, in der sie so facettenreich strahlen kann. Entgegen dem auffälligen Konzept der Reihe wird das Grauen in Smile 2 über die Erfahrung der Hauptfigur gedacht. Der Film fordert Scott pausenlos heraus und es ist schlicht ergreifend, mit welcher Eleganz sie von einem Extrem ins nächste balanciert.

Skye Riley ist eine Figur, die sich zwischen so vielen Parteien wiederfindet, dass sie fast zerspringt. Die Mutter, die beste Freundin und das Label. Die Monster und die Fans. Die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit, die gierigen Blicke der Kameras, die Schadenfreude der Schlagzeilen. Und das Ungeheuerlichste: der Blick in den Spiegel. Wie die Welt eine (junge) Frau sehen will – im Grunde setzt Smile 2 den von The Substance angestoßenen Dialog fort.

Poetisch ist das Ganze auch in Hinblick auf Scotts eigenen Werdegang. Vor 13 Jahren stellte sie als aufstrebende Bassistin der Rock-/Pop-Band Lemonade Mouth die Weichen ihrer Karriere im Disney Channel. Jetzt liefert sie als gefallener Popstar ihre bisher stärkste Darbietung ab – in einem extrem stilsicher inszenierten Horrorfilm, der die flackernden Konzertlichter in ein packendes Psychodrama verwandelt, bei dem man noch lange nach dem Abspann zittert.

Oh ja, this is going to ruin the tour.

Beitragsbild: Smile 2 © Paramount