Es wird vermutlich sehr schwer für Spike Jonze, jemals die technische Perfektion von Welcome Home zu übertreffen. Der 2018 erschienene Kurzfilm, in dem FKA Twigs schwerelos durch einen sich ständig transformierenden Raum voller Linien und Farben tanzt, gehört zu den verblüffendsten Regiearbeiten des US-amerikanischen Filmemachers, der seinen Erfindungsreichtum hinter der Kamera unzählige Male unter Beweis gestellt hat. Egal, ob bei Spielfilmen, Musikvideos oder Werbung: Jonze‘ Kino ist nicht von dieser Welt.
Immer wieder entführt er uns in ungeahnte Zwischenräume, nicht selten wortwörtlich. Schon in seinem Leinwanddebüt Being John Malkovich war es ein Stockwerk, das sich zwischen der siebten und achten Etage eines Bürogebäudes in New York befand. Auch in seinem neuesten Kurzfilm, den er – genauso wie Welcome Home – im Auftrag von Apple gedreht hat, verliert sich Jonze an den Orten, die für gewöhnlich unserer Vorstellungskraft überlassen sind. Vergesst den grauen Alltag und kommt mit in die bunte Welt von Someday.
In den ersten Momenten des Films channelt Pedro Pascal noch ganz die Energie von Joel aus The Last of Us, wenn er gedankenverloren durch die Gegend läuft. Es dauert jedoch nicht lange, bis sich die Stadt um ihn herum in ein magisches Labyrinth verwandelt – zuerst zu den nachdenklichen Gitarrenklängen des spanischen Singer-Songwriters Guitarricadelafuente, der Pascals Einsamkeit mit einer tröstenden Umarmung in Form des Songs Conticinio begegnet und sogar das kalte Blau in etwas geheimnisvoll Wärmendes verwandelt.
Schlussendlich stößt Pascal dennoch die Menschen von sich ab, bis ein helles Licht durch die gedeckten Farben bricht und sich ein gelb-orange-rotes Pulsieren entfaltet, das den Rhythmus von Perfect (with Sia) annimmt und gar nicht mehr aufzuhalten ist. Kein müdes Schleppen mehr, sondern jeder Schritt ein Ereignis, das von der Musik abgefedert und befeuert wird. Jede Drehung eine Verwandlung und dann das große Finale auf der Straßenkreuzung, als hätte Jonze gerade erst Steven Spielbergs West Side Story gesehen.
Häuser, die in riesige transparente Tücher gehüllt sind. Straßenzüge, die wie aus kräftigem Karton ausgeschnitten wirken. Und eine Route, die vielmehr einem grenzenlosen Abenteuerspielplatz als einer Einbahnstraße gleicht. Unter anderer Hand käme das alles kitschig und unbeholfen herüber. Jonze arbeitet aber mit einer entwaffneten Mischung aus Neugier, Präzision und Gelassenheit, sodass man sich diesem Spaziergang nicht entziehen kann. Kein Stunt, sondern ein Ausprobieren, als wäre das die einzige logische Filmsprache.
Wie kann es sein, dass Jonze seit zwölf (!!!) Jahren keinen Spielfilm ins Kino gebracht hat? Someday ist ein weiteres Filmgedicht, bei dem man am Ende komplett vergisst, dass es sich um Werbung handelt. So mühelos im Einklang mit der Musik und Bewegung: Nur wenige Filmschaffende besitzen diese Coolness, egal, in welchem Gebiet sie unterwegs sind. Weder gewollt noch nicht gekonnt: Jonze bewegt sich mit purer Lust und Leichtigkeit, genau wie Pascal, der wirkt, als hätte er sein ganzes Leben auf einer Broadway-Bühne verbracht.
Beitragsbild: Somday © Apple