Das Smartphone als selbstverständlicher Gegenstand, der den Alltag dominiert, lässt selbst Michael Haneke nur noch müde mit den Schultern zucken, wenn er es als rahmendes Poster-Motiv für sein nahendes Happy End wählt. Allgegenwärtig ist das handliche Gerät, völlig egal, ob verteufelt oder gepriesen, ebenso die vielfältigen Apps, die gleichermaßen praktisch wie nutzlos den Speicherplatz belagern. Abseits der etablierten Anwendungen herrscht ein freudiges Kommen und Gehen, aber nur die wenigsten bleiben. In Anbetracht des unüberschaubaren Angebots herrscht ein ständiger Konkurrenzkampf, der sich ebenfalls wie ein roter Faden durch The Emoji Movie zieht.
In der Stadt Textopolis leben unzählige der titelgebenden Ideogramme, die sich in einem lauten Party-Remix von Inside Out, Monsters, Inc. und Wreck-It Ralph gegenseitig zu übertreffen versuchen, um einen begehrten Spot unter den Favoriten in Alex‘ Chatfenster zu erlangen. Was in der Theorie das clevere Kunststück des ebenfalls markengetriebenen The LEGO Movie imitieren könnte, offenbart sich in der Praxis leider als liebloses Animationsdesaster, das weder eine universelle Sprache spricht noch zu einer echten, aufrichtigen Emotion in der Lage ist. Die einzige Reaktion, die dieser Film provoziert, ist der Blick auf das eigene Smartphone in der Hoffnung, dass sich die Laufzeit bald dem Ende neigt.
Kein Geringeres Werk als Toy Story diente Regisseur Tony Leondis nach keinen Aussagen als Inspiration für The Emoji Movie, was ein naheliegender, aber auch ein löblicher Vergleich ist. Das Spielzeug-Abenteuer aus dem Hause Pixar hatte vor über zwei Dekaden nicht nur einen gewaltigen Sprung in der Überwindung des Uncanny Valley von computeranimierten Figuren getan, sondern ebenfalls einen erzählerischen Blickwinkel salonfähig gemacht, der das Prinzip sprechender Tiere in eine noch größere, unerkannte Welt katapultierte, die heimlich in Gegenwart der Menschen existiert, ohne, dass diese in der Regel etwas davon mitbekommen. Dennoch befinden sich beide Welten in einer ständigen Wechselbeziehung und die Protagonisten interagieren (unbewusst) miteinander.
Auch The Emoji Movie entführt in eine solch verborgene Welt – mit dem entscheidenden Unterschied, dass anno 2017 nicht mehr die Spielzeuge unter dem Bett, sondern die Applikationen im Smartphone als Abenteuerwelten fungieren. Das muss vorerst nichts Schlechtes bedeuten. Geheime Welten haben schon immer die Fantasie beflügelt und im Fall von The Emoji Movie lässt sich ein humorvoll-reflektierter Ansatz mit der fortschrittlichen Technologie und der Verwendung selbiger entdecken. Kaum setzt sich die Handlung jedoch in Gang, verliert The Emoji Movie seinen Charme und bevormundet sein Publikum mit einem unangenehm unlustigen Tonfall, der weder organisch noch raffiniert wirkt. Der Film poltert einfach drauf los, von Feingefühl und Ambivalenz ist keine Spur zu erkennen.
Die Welt von The Emoji Movie ist genauso quadratisch flach wie der Smartphone-Hintergrund, der in der Abstraktion eine denkbar aufregende Spielwiese garantieren sollte. Haben sich die eingangs erwähnten Animationsfilme ihre realexistierenden Vorbilder geschickt zu Nutzen gemacht und einen willkommenen Ausgleich zwischen popkulturellen Referenzen und eigenständigen Geschichten gefunden, lässt The Emoji Movie entsprechende Raffinesse gänzlich vermissen. Farben und Formen werden genauso willkürlich im Bild umher geschleudert wie Markennamen, die in erster Linie daran interessiert sind, ihre Präsenz im Film zu feiern, anstelle sich homogen ins Erzählte einzugliedern, was einen unangenehmen Beigeschmack zutage fördert.
Umso überraschender ist es am Ende nicht einmal der Corporate-Charakter, der The Emoji Movie das Genick bricht. Nein, es ist die jegliche Hingabe vermissende Ausführung einer hippen Idee, die selbst in puncto Zeitgeist absolut verloren im Raum steht und nichts zum Smartphone-Spektakel zu sagen hat. Zwar geht es um Identitäten und wie schwer es ist, diese sogar im Hinblick auf der universellen Emoji-Sprache zu formulieren. Schlussendlich bietet The Emoji Movie aber kaum etwas anderes als unkritische Halbwahrheiten, die sich über die schwindende Aufmerksamkeitsspanne von Schülern lustig machen, obwohl der Horizont des Films dem eines Casual Games entspricht, das maximal über einen Abend auf der Couch hinwegrettet, ehe es in Vergessenheit gerät.
The Emoji Movie ist ein unerträglicher Film, weil das Potential für eine geistreiche Odyssee zwischen App und Cloud zweifelsohne vorhanden gewesen wäre, allerdings vollständig ungenutzt bleibt. So lässt sich die Handlung eins zu eins auf die Heldenreise eines Außenseiters übersetzen, wie sie gefühlt in jedem Animationsfilm der vergangenen Jahre zu sehen war. Dass dieses konventionelle Konstrukt funktionieren und problemlos Spaß bereiten kann, steht dabei außer Frage. Das Problem ist nur, dass The Emoji Movie Kreativität und Erfindergeist vermissen lässt, während im gleichen Atemzug mit einer Moral geprahlt wird, die zu keiner Sekunde den eigenen Ansprüchen standhalten kann. Wenn sich das ausgestoßene Emoji nach eineinhalb Stunden Selbstfindungstrip zu seinen wahren Gesichtern (Plural!) bekennt, passiert dies vor dem Hintergrund eines Films, der sich rigoros dem Facettenreichtum verweigert.
The Emoji Movie © Sony Pictures
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