Selbst aus der Filmographie von Michael Mann sticht The Insider mit seinen kalten Bildern heraus. Meistens liegt ein bläulicher Schleier über den Aufnahmen, mitunter verlieren sich die Figuren aber auch in rauschenden Grautönen, die lediglich von weißen Lichtpunkten durchbrochen werden. Es ist allerdings kein strahlendes Licht, das Wärme nach der moralischen Geduldsprobe verspricht, sondern ein verblassendes, das die Kälte am Ende nur noch ungeheuerlicher wirken lässt. Niemand ist willkommen in diesem Film und trotzdem funktioniert jeder als Teil eines Systems, das vorrangig damit beschäftigt ist, die eigenen Fehler zu kaschieren, um sein Fortbestehen zu sichern.
Nur ein Insider kann es zum Einsturz bringen, jemand wie Dr. Jeffrey Wigand (Russell Crowe), der in der Forschungsabteilung eines Tabakkonzerns arbeitet, mit seinen Erkenntnissen jedoch ebenso an seine Grenzen stößt. Die Machenschaften des Konzerns kann er nicht länger mit seinem Gewissen vereinbaren: Bei der Zigarettenproduktion wird Cumarin und Ammoniak hinzugefügt, um die Suchtwirkung des Nikotins zu erhöhen. Ein Umstand, der sich auf alle Bereiche des Lebens auswirkt, angefangen bei der Gesundheit der Menschen bis hin zum Profit, der sich daraus schlagen lässt. Alles ist miteinander verbunden, nicht nur durch die unaufhörlich klingelnden Telefone.
Auch wenn The Insider – gerade nach dem Actionspektakel Heat – mit all seinen nüchternen Beobachtungen wie ein kleiner Film wirkt, erzählt Michael Mann eine riesige Geschichte und investiert ein Gros der Laufzeit, um die Komplexität dieses Systems begreifbar zu machen. Selbst wenn wir uns Ende der 1990er Jahre längst in einem Zeitalter befinden, in der Informationen mit rasender Geschwindigkeit um den Globus eilen, dokumentiert The Insider, wie schwer es ist, die eine entscheidende Information ans Tageslicht zu bringen. Obwohl sehr schnell klar ist, in welche Richtung sich der Film bewegt, vergehen über zweieinhalb Stunden, bis das Drehbuch sein Ziel erreicht.
Es ist das sorgfältiges Entfalten, das Michael Mann am meisten interessiert, der von Prozessen schon immer fasziniert war. Mit Dr. Lowell Bergman (Al Pacino) führt er gleich zu Beginn eine zweite wichtige Figur ein, die den Luxus genießt, als Journalist Fragen zu stellen. Gewissermaßen ist er ein Außenseiter, der versucht, das System zu entschlüsseln, womöglich sogar zu entlarven, bis er letztendlich selbst feststellen muss, dass er nicht außerhalb steht, sondern ebenso Teil von dieser gigantischen Maschine ist, die sich selbst korrigiert, ohne das Ziel der Verbesserung, sondern nur mit dem Erhalt des Status quo vor Augen. Kein Wunder, dass hinter jeder Ecke Verrat und Misstrauen lauern.
Was bleibt, sind Annäherungen an die Wahrheit, die Michael Mann mit den Beziehungen unter den Figuren gleichsetzt. Auch wenn Wigands brisante Informationen und die Reichweite von Bergmans Sendung 60 Minutes auf den ersten Blick wie füreinander geschaffen sind, treibt sich wieder und wieder ein Keil zwischen die beiden Männer. Sie schürfen und fragen, mal analytisch, mal emotional, stets begleitet von der Ungewissheit, was am Ende passiert. Einen solch wichtigen Dialog, wie er hier im Begriff ist, zu entstehen, haben sie in ihrem gesamten Leben noch nicht erlebt, geschweige denn geführt. Und dann breitet sich erneut nur diese Kälte aus und droht ihnen, den letzten Halt zu rauben.
Eine Kälte, die Hoffnung und Ausdauer verschlingt. Manchmal lässt Michael Mann seinen Film ganz bewusst in die trostlose Anonymität von Bürogebäuden und Straßenzügen entgleiten und verbannt seine Figuren in dieses Labyrinth aus Telefonschnüren und den grobkörnigen TV-Aufnahmen. Mit der Farbe verschwindet auch das Leben. Wofür überhaupt noch kämpfen? Diese Frage müssen sich Wigand und Bergman an verschiedenen Punkten des Films mehrmals stellen. Es geht um ihre Integrität, um ihre Existenz und die Angst vor dem Kompromiss. Entgegen der systematischen Kälte ist es am Ende aber dieses Ringen – also etwas zutiefst Menschliches – das The Insider antreibt.
The Insider © Constantin Film
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