Egal ob Origin-Story, der vertiefende Akt eines obligatorischen Sequels oder die jüngste Entdeckung des seriellen Erzählens abseits der großen Leinwand: Mittlerweile vergeht kaum ein Quartal ohne neuen Content aus dem Marvel Cinematic Universe. Marvel und Disney verfolgen mit rasender Geschwindigkeit die Expansion ihres hauseigenen Mikrokosmos. Eben kollidierten noch die Superhelden-Egos anlässlich des ersten Avengers-Klasssentreffen, da stolpern die Heroen wieder alleine durch ihre Solo-Abenteuer. Dennoch reicht es hinsichtlich der drei Phasen von Marvels Masterplan spätestens seit Iron Man 2 nicht mehr aus, lediglich eine Geschichte fortzusetzen – immerhin will das homogene Filmuniversum weiterhin ausgebaut wie vorbereitet und reflektiert werden, was in der Theorie als durchaus extrem spannendes wie überaus ambitioniertes Vorhaben durchgeht. In der Praxis kann aber unterdessen ein gewisser Abnutzungseffekt nicht mehr geleugnet werden, denn je wagemutiger zukünftige Pläne ausfallen, desto mehr Leerlauf entsteht zwischen den heiß erwarteten Highlights.
So arrangierte Shane Black das Wiedersehen mit dem Eisenmann im vergangenen Mai zwar als unterhaltsames Action-Feuerwerk. Rückblickend betrachtet entblößt sich das Unterfangen Iron Man 3 jedoch als kalkulierter Lückenfüller, der trotz seines lobenswerten Unterhaltungswerts im Endeffekt kaum eine Bereicherung in sämtlichen Facetten des Sujets darstellt. Auch Agents of S.H.I.E.L.D. funktioniert bis dato lediglich im kleinen Rahmen – die tatsächlich interessanten Fragen und Antworten einer solchen Spin-off-Serie verstecken sich lieber hinter beiläufigen Andeutungen und popkulturellen Referenzen. Im Marvel Cinematic Universe nichts Neues könnte man also behaupten, wäre da nicht dieser Donnergott, der seinerzeit dank Kenneth Branagh mit viel Eigensinn im fulminant schrägen Spektakel den Ort der Projektion eroberte. Irgendwo zwischen Menschen und Übermenschen, zwischen Comic und Shakespear, zwischen der prunkvollen bis kitschigen Götterwelt Asgard und der staubigen bis trostlosen Wüste von New Mexico: Eine ausgeklügelte respektive von schrägen Winkeln und Einstellungen fragwürdig Übersäte Inszenierung verwandelte Thor in eine der mutigsten Comic-Adaptionen überhaupt.
Nun kehrt der hünenhafte Sohn des Odin (Anthony Hopkins) unter der Regie von Game of Thrones-Veteran Alan Taylor mit Thor: The Dark World ins Kino zurück. Und womöglich konzentriert sich an diesem Punkt, der Nennung des Regisseurs, bereits ein Gros der augenscheinlich vorhandenen Probleme. Im tosenden Prolog ereignet sich eine epische Weltraumschlacht à la Star Wars: Episode II – Attack of the Clones, die mächtige Stimme aus dem Off erzählt etwas von Dunkelelfen sowie dem diabolischen und gleichzeitig frisch eingeführten Antagonisten Malekith (Christopher Eccleston) und unmittelbar darauf führt Thor (Chris Hemsworth) seine Gefolgschaft im Scharmützel auf dem Erdboden einer anderen Welt zum Sieg – ganz zu schweigen davon, dass sich Stellan Skarsgård zwischendurch äußerst engagiert auf Nymphomaniac vorbereiten darf. Von einem dynamischen Erzählrhythmus kann in Anbetracht dieses chaotischen Hickhacks keine Rede sein. Alan Taylor scheint regelrecht mit seiner vielschichtigen Materie überfordert zu sein. Während das Figurenkabinett im wahrsten Sinne des Wortes durch Plotlöcher und Ungereimtheiten füllt, versucht er das Geschehen im überfüllten Bilderreigen verzweifelt in ein funktionierende Konstrukt zu verwandeln.
Faktisch kaschiert das audiovisuelle Gewand allerdings keineswegs das holprige Drehbuch, dem die kompliziert verstrickte Produktionsgeschichte deutlich anzumerken ist. Thor: The Dark World definiert sich beinahe wie Star Trek Into Darkness aus einer konfusen Aneinanderreihung narrativen Stückwerks – stets darauf bedacht die epochale (Über-)Steigerung eines Post-Avengers-Sequels zu verfolgen. Auf der einen Seite in seriöse Düsternis gehüllt, offenbart sich auf der anderen Seite herzhafter Humor und einen Augenblick später gerät die gezeigte Welten-Odyssee komplett aus dem Ruder, sodass der Film mit unfreiwillig komischen Passagen glänzt. Alan Taylor versucht auf sämtlichen Eben gleichzeitig zu agieren, was zweifelsohne kurzweilig ist und zugegebenermaßen in einigen Sequenzen richtig Spaß macht. Verheerend ist der grobe Wechsel zwischen Stimmungen, Schauplätzen und Subplots trotzdem, da folglich nie ein stimmiges Ganzes entstehen kann.
In seiner unrunden Form erweist Thor: The Dark World wiederum als außerordentlich faszinierenden Erscheinung im Marvel Cinematic Universe, nicht zuletzt, da das bis in die kleinsten Nebenrollen hochkarätig besetzte Ensemble den Untergang der Götterwelt nahezu unmöglich macht. Natalie Portman und Kat Dennings harmonieren sowieso und die Präsenz von Chris Hemsworth als titelgebender sowie hammerschwingender Wüterich beweist sich erneut als Besetzungsclou, selbst wenn Größen wie Idris Elba, Ray Stevenson, Tadanobu Asano und Zachary Levi in ihren überschaubaren Parts fast untergehen. Ebenso Christopher Eccleston, dessen Malekith-Inkarnation – wie so viele Marvel-Antagonisten – erschreckend blass bleibt. Dafür übernimmt Tom Hiddleston im Alleingang jegliche Szene mit unheimlich einnehmender Art, die der eines (vergleichbaren) Benedict Cumerbatch weit überlegen ist – egal, ob perfektes Timing in puncto Situationskomik oder die mimische wie gestische Präzision betreffend. Im Angesicht einer solchen Spielfreude darf auch kurz einmal Steve Rogers (Chris Evans) durchs Bild huschen und die Vorfreude auf Captain America: The Winter Soldier anschüren. Ganz egal wie überragend oder peinlich die vielen Momente nach dem Abspann sind. Richtig ärgerlich ist nur, dass Thor: The Dark World bezüglich der Ergründung neuer Aspekte der Comic-Welt katastrophale wie schnell vergnügliche und in sich instabile Arbeit leistet.
Thor: The Dark World © Walt Disney Studios Motion Pictures
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