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Top Gun: Maverick – Kritik

Die Fortsetzung zu Tony Scotts großem Durchbruch Top Gun aus dem Jahr 1986 gehörte lange Zeit zu der Sorte Film, von der niemand glaubt, dass sie eines Tages wirklich gedreht werden. Nicht zuletzt wirkt das Original mit jedem weiteren vergehenden Jahr mehr wie eine sonderbare Zeitkapsel, deren Inhalt unmöglich ins gegenwärtige Kino transferiert werden kann. In Top Gun stehen homoerotische Beachvolleyball-Szenen neben gefährlicher Flieger-Action und fragwürdiger Militärpropaganda, während kitschige Synthesizer und E-Gitarren Tom Cruise in den Sonnenuntergang begleiten.

Dennoch verfolgt Paramount seit Beginn der 2010er Jahre die Produktion eines zweiten Teils, der nun in Form von Top Gun: Maverick in die Kinos kommt. Tom Cruise kehrt in der Hauptrolle zurück, allerdings nicht mehr unter der Regie von Scott. Nach dem Suizid des Filmemachers übernahm Joseph Kosinski, der bereits im Zuge von Oblivion mit Cruise zusammengearbeitet hat, die Inszenierung der verspäteten Fortsetzung. Das Ergebnis ist ein Film, der erstaunlich gut die speziellen Elemente des Vorgängers aufgreift und actiontechnisch die Messlatte im Blockbuster-Kino gewaltig anhebt.

Bevor Kosinski die unfassbaren Aufnahmen von Kampfjets auspackt, die in Höchstgeschwindigkeit durch die Gegend fliegen und die waghalsige Manöver durchführen, verbeugt er sich vor Scott und zitiert die Eröffnungssequenz des ersten Teil: Vor dem glühenden Horizont bewegen sich Silhouetten über einen Flugzeugträger, mal gehören sie den Menschen, mal den Maschinen. Und manchmal verschwimmen sie im Angesicht der heißen Luft, die aus den Triebwerken strömt. Top Gun: Maverick beginnt als wunderschöner Film des Flimmerns, ehe wuchtigere Bewegungen übernehmen.

Entgegen der nostalgischen Gemütlichkeit des Auftakts interessiert sich Kosinski für die innere Zerrissenheit seines Protagonisten. Maverick (Tom Cruise) balanciert auf einem schmalen Grat zwischen ewiger Jugend und der Unvermeidbarkeit des Alterns. Schnell wird deutlich, dass sich die Fluggeräte, mit denen er durch die Luft düst, schneller weiterentwickeln als er selbst. Wie lange er noch mithalten kann? Wenn es nach Rear Admiral Cain (Ed Harris) geht, sind Pilot:innen im Zeitalter von Drohnen und künstlicher Intelligenz sowieso bald obsolet. Maverick ist der Dinosaurier auf dem Rollfeld.

Die Einklang, der zu Beginn zwischen Mensch und Maschine existiert, muss sich fortwährend einer Prüfung unterziehen, wenn Befehle ausgesprochen und ignoriert werden. Wenn Grenzen getestet und überschritten werden. Und wenn rationale Entscheidungen einer Überzeugung weichen. Die Kampfjets erobern als Verlängerung der Körper den Himmel, während der Flugstil Einblick in die brodelnden Gefühlswelten gibt. Das Menschliche und Technische befindet sich im ständigen Konflikt miteinander. Nur im fokussierten Blick von Maverick finden die konträr aufgestellten Seiten zusammen.

Mehrmals setzt sich Cruises Actionheld über die Regeln hinweg, um seine Überzeugung auf andere zu übertragen, selbst wenn er dafür seine eigene Karriere, mitunter sogar sein eigenes Leben aufs Spiel setzt. Top Gun: Maverick erforscht gründlich die Egos unter den Helmen, den Ehrgeiz hinter den funkelnden Sonnenbrillengläsern. Der Tod umzingelt die Figuren von beiden Seiten: Zwei Stunden lang folgen wir dem Training für eine Mission, deren Erfolg gleich zwei Wunder erfordert – und da ist der Rückweg noch nicht mit eingerechnet. Aus der Vergangenheit tönt derweil der Schmerz.

Maverick ist u.a. für das Training des jungen, ehrgeizigen Lieutenant Bradley „Rooster“ Bradshaw (Miles Teller) verantwortlich, der niemand Geringeres als der Sohn seines verstorbenen Air-Force-Freundes Goose (Anthony Edwards) ist. Zwischen modernen F/A-18 Hornets und den ausgedienten F-14 Tomcat, die eigentlich ins Museum gehören, kollidieren die Generationen. In Top Gun: Maverick stauen sich Schuldfragen, Wut und Zweifel, die sich in dieser Profession niemand leisten kann. Die Versöhnung ist nur im größten Extrem möglich und damit direkt wieder mit Verlust verbunden.

Es ist bemerkenswert, wie gut Kosinski unter all den überlebensgroßen Bildern den emotionalen Kern der Fortsetzung ausbalanciert und Nebenfiguren durch aufmerksame Gesten ein richtiges Profil verleiht. Von Jennifer Connelly über Jon Hamm bis hin zu Val Kilmer, der für eine berührende Abschiedsszene als Iceman zurückkehrt: Top Gun: Maverick vereint ein großartiges Ensemble in einem angenehmen Ausgleich aus Pathos und aufrichtigen Momenten. Trotz der militärischen Härte und Gewalt, die im Hintergrund mitschwingen, fühlt sich der Film in überraschend vielen Szenen geerdet an.

Auch in den furiosen Actionsequenzen – und dieses furios kann gar nicht oft genug betont werden – existiert stets ein Gespür dafür, wie sich die Gefechte in schwindelerregenden Höhen zu den Ereignissen auf dem Boden verhalten. Genauso atemberaubend wie Claudio Mirandas Kameraarbeit ist an diesem Punkt der Schnitt von Eddie Hamilton: Er lässt uns teilhaben an den präzisen Berechnungen, die hinter den unglaublichen Fliegerstunts stecken, bevor Maverick eine Entscheidung trifft, die nur durch das Zusammenspiel aller filmischen Komponenten auf der Leinwand abgebildet werden kann.

Um das Gefühl der Geschwindigkeit zu steigern, verankert das Drehbuch einen Großteil der Action in felsigem Terrain, durch das sich Maverick und sein Team schlängeln muss. Die Verhältnisse sind somit immer gegeben: Höhen, Tiefen und Entfernungen – Kosinskis Inszenierung würde Howard Hughes stolz machen. Und dann steigert sich langsam die Musik und das Motiv von Lady Gagas Filmsong Hold My Hand wird zum Antrieb eines Films, der die unerwartet einnehmende Top Gun-Mythologie mit der Extrem-Action der Mission: Impossible-Filme von Christopher McQuarrie vereint.

Beitragsbild: Top Gun: Maverick © Paramount Pictures