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Twister – Kritik

Das Monster unter dem Bett ist nie verschwunden. Es hämmert unaufhörlich gegen die Tür. Egal, wie tief man sich in der Erde vergräbt, um der Bestie zu entkommen: Im Angesicht des Tosens lösen sich die Wände in hauchdünne Schichten auf, werden zu flackernden Laken im Wind. Für den Bruchteil einer Sekunde kann man die Silhouette des Todes durch sie erkennen, wenn der Blitz die Dunkelheit durchbricht. Dann verwischt der Regen alle Formen und weicht den Boden auf. Kühe fliegen durch die Luft. Häuser rollen durch die Gegend. Als wären sie einsame Tumbleweeds in der Einöde eines staubigen Western, der sich in einen Hard-Rock-Katastrophenfilm verwandelt. Schepperndes Blech, rot und gelb lackiert, tritt an die Stelle trabender Pferde.

Gleich in den ersten Minuten von Twister brauen sich am Himmel grimmige Wolken zusammen und verdunkeln die Welt. Es ist der Beginn eines düsteren Märchens über Urgewalten, die schnaubend ganze Landstriche verschlingen und genauso schnell verschwinden, wie sie gekommen sind. Plötzlich weichen die grünen Kornfelder Oklahomas einer endzeitlichen Wüste. Die letzte Grenze befindet sich in Bewegung. Ehe man sie überschreiten kann, löst sie sich auf. Kein Wunder, dass die Reifen durchdrehen, keinen Halt finden. Rastlos jagen Helen Hunt und Bill Paxton dem Ungeheuer hinterher, wirbeln Schlamm und Steine auf, angetrieben von Van Halens elektrischen Gitarren und einem bedrohlichen Brummen, das immer lauter und nervöser wird.

Selbst ein gestandener Horror-Bösewicht wie Jack Torrance ist machtlos, wenn der Twister das Blockbuster-Kino in seine Einzelteile zerlegt. Genauso wie in Spielbergs Jurassic Park versuchen Computer, das Spektakel zu berechnen, bevor es passiert. Tausende Referenzpunkte bilden Dino- wie Tornadoskelette auf flackernden Bildschirmen ab und entwaffnen die Geister der Vergangenheit. Durch die kompromisslose Monstrosität seiner Inszenierung pocht Jan de Bont dennoch auf das pure Erleben. Niemand begreift die geheimnisvolle Schönheit der Zerstörung, wenn man ihr nicht direkt ins Auge blickt. Erst dann versteht man die Besessenheit der Jagenden, die alles riskieren, um zu erfahren, was sich hinter dem tobenden Regenbogen im Wunderland verbirgt.

Twister ist ein verblüffender Scharnierfilm in der Entwicklung des modernen Blockbusters – unweigerlich von der digitalen Aufbruchsstimmung der 1990er Jahre inspiriert und gleichzeitig tief verbunden mit der Filmgeschichte. Mit den Scheidungspapieren, die ständig verlegt werden, verhandelt de Bont weit mehr als das Schicksal seiner Figuren. Eifrig, mit rasender Geschwindigkeit prescht er als Filmemacher nach vorne und bringt das Kino zum Beben, reißt es sogar ein, um einen Schritt weiterzukommen. Komplett loslassen will er aber nicht. Die Erinnerung entfacht neue Leidenschaft. Und einen apokalyptischen Rausch voller überlebensgroßer Bilder, die heute noch im Poltern und Brausen von Filmen wie Interstellar und Mad Max: Fury Road nachhallen.

Beitragsbild: Twister © Universal Pictures