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Bombshell – Kritik

Gleich zwei Projekte beschäftigten sich letztes Jahr mit dem Fall von Roger Ailes durch eine Gruppe von Frauen, die 2016 Vorwürfe der sexuellen Belästigung erhoben. Auf der einen Seite war da die Miniserie The Loudest Voice, die den Fokus auf den mächtigen Chef des konservativen Fernsehsenders Fox News legte, verkörpert von einem eindrucksvoll abstoßend aufspielenden Russell Crowe. Auf der anderen Seite brachte Trumbo-Regisseur Jay Roach mit Bombshell die Stimmen jener Frauen ins Kino, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Roger Ailes am 21. Juli 2016 von seinem Posten zurücktrat. Nun startet die Verfilmung der wahren Begebenheiten auch hierzulande in den Lichtspielhäusern.

Bombshell ist damit einer der ersten großen Kinofilme, die in der MeToo-Ära entstanden sind und bewusst von ihrem historischen Kontext Gebrauch machen. Jay Roach und Drehbuchautor Charles Randolph, der zuletzt mit The Big Short die Finanzkrise in Form einer schwarzhumorigen Comedy-Drama Revue passieren ließ, bewegten sich damit direkt am Puls der Zeit und greifen ein Thema auf, das nach wie vor in Hollywood und der Welt präsent ist. Direkt im Voice-over erklingen nun die Stimmen der betroffenen Frauen, allen voran Fox New-Moderatorin Gretchen Carlson (Nicole Kidman), die als erste Angestellte gegen ihren Vorgesetzten klagte und damit eine Kette aufwühlender Ereignisse in Gang setzt.

Über Jahre hinweg hat Roger Ailes (John Lithgow) eine toxische Kultur bei Fox News geprägt, in der Frauen diskriminiert und auf ihr Aussehen reduziert werden. Sexuelle Gefälligkeiten und loyales Schweigen sind der Preis für eine Beförderung. Es bedarf einiges an Mut, bis es Gretchen gelingt, aus diesem System auszubrechen. Bombshell ist sichtlich bemüht, die Machtdynamiken hinter den Kulissen auszuloten, während die Zuschauer im Fernsehen stets nur das perfekte Lächeln und die langen Beine der Moderatorinnen sehen. Dabei setzt Jay Roachs Inszenierung auf ein hohes Tempo und einen aufgeweckten Tonfall. Am meisten verlässt er sich aber auf seine fabelhafte Besetzung, die mit ihren Rollen verschmilzt.

Neben Nicole Kidman und ihrer eindrucksvollen Darstellung von Gretchen Carlson sind da vor allem Charlize Theron und Margot Robbie, beide oscarnominiert für ihre Darbietungen. Theron verkörpert Megyn Kelly, die schlussendlich als letzter Dominostein im Fall von Roger Ailes fungieren sollte, während Robbies Kayla Pospisil als Stellvertreterin für all die jungen Frauen auftritt, die bei Fox News gearbeitet und Erfahrungen sexueller Belästigung gemacht haben. Bombshell gibt den drei Schauspielerinnen zahlreiche Möglichkeiten, um ihr Talent unter Beweis zu stellen, stets im Zusammenspiel mit einer aufwendigen Maske und Make-up. Gerade Charlize Theron durchläuft eine bemerkenswerte Transformation.

Mehrmals wird in Bombsell darauf hingewiesen (zu Beginn des Films und im Abspann ), dass die echten Persönlichkeiten abseits des Einsatzes von Archivaufnahmen von Schauspieler*innen verkörpert werden. Jay Roach ist sich somit der täuschend echten Verwandlungen bewusst und provoziert sie regelrecht. Gleichzeitig weiß er nur in den seltensten Fällen, worauf er mit all diesem Aufwand wirklich hinaus will. Trotz aller Bezüge zur Realität werden in seinem Film viele Dinge sehr vereinfacht dargestellt, um die dramaturgische Coolness zu wahren. Bombshell will ein Stück Zeitgeist sein und folgt einem inspirierenden Ermächtigungsnarrativ, vergisst jedoch zu oft, seine Figuren und ihre Handlungen zu hinterfragen.

Der Film erzählt zwar eine wichtige Geschichte, bei der schnell klar wird, dass sie weit über die problematischen Umstände in den Redaktionsräumen von Fox News hinausgeht, erklärt seine Protagonistinnen allerdings recht überraschend zu unantastbaren Heldinnen. Dafür opfert er auch die politische Dimension des Geschehens – hinsichtlich ihrer Arbeit für ein konservativ eingestelltes Network in den 2010er Jahren definitiv ein Versäumnis. Die wichtigsten Eckpunkte, auf welcher Seite die Figuren stehen, werden zwar regelmäßig erwähnt. Sobald Bombshell aber streitbares Terrain betritt, werden sie sofort wieder fallengelassen.

Obwohl der Film in einzelnen Aspekte sorgfältig recherchiert zu sein schient, wirkt das Ausklammern des größeren medialen Kontexts fahrlässig und ärgerlich, was vor allem deswegen enttäuschend ist, weil sich hier ein Film versteckt, der – ähnlich wie The Social Network zu Beginn der 2010er Jahre – fraglos das Potential besitzt, sich in eine komplexe Beobachtung seiner Zeit zu verwandeln. David Fincher hat nicht einfach nur den „Facebook-Film“ gedreht, sondern ein fesselndes, überraschendes Stück Zeitgeist eingefangen, nach dem sich Bombshell mit all seinen großen, aber nicht tief genug schürfenden Gesten sehnt.

Am Ende wagt sich das Drehbuch kaum in moralische Grauzonen und lässt ambivalente Einblicke für die Figuren sprechen, wie es aktuell etwa die herausragende Serie The Morning Show aus dem Haus Apple TV+ vormacht. Selbst wenn Megyn Kelly überlegt, was das für ihre Familie, ihre Karriere, ihre Kollegen und den Rest der Welt bedeutet, wenn sie ihr (auffälliges) Schweigen bricht, findet Bombshell sehr einfache – zu einfache – Lösungen des Problems. Dem mitreißenden Moment des Films tut das trotzdem keinen Abbruch. Die Geschichte ist schlicht zu packend, um sich hier zu entziehen, zumal Charlize Theron, Margot Robbie und Nicole Kidman als geballte Wucht auftreten, besonders in den emotional herausfordernden Szenen.

Bombshell © Wild Bunch