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Deadwood: The Movie – Kritik

Zwischen 2004 und 2006 schrieb David Milch eines der wichtigsten Kapitel unvollendeter Fernsehgeschichte. Während HBO-Serien wie The Wire, The Sopranos und Six Feet Under mit einem Finale ihren Status im Goldenen Serienzeitalter besiegeln konnten, war Deadwood ein solches nie vergönnt. Nach drei Staffeln setzte der Kabelsender die aufwendige Westernserie ab, deren drei Staffeln bis heute zu den besten gehören, die jemals im Fernsehen ausgestrahlt wurden. Wie nur wenige andere Autoren wusste David Milch die serielle Form für eine detaillierte wie komplexe Erzählung zu nutzen. 13 Jahre später kehrt er zurück in die matschigen Straßen jener Westernstadt – mit einem Film, der die Geschichte so gut abschließt, wie es bei Deadwood überhaupt möglich ist.

Die Geschichte gestaltet sich im Fall von Deadwood als relativer Begriff, da die Serie schon immer mehr von den Einzelschicksalen der Figuren angetrieben wurde, anstelle einem zentralen Handlungsstrang zu folgen. An diesem Punkt liegt bereits der größte Reiz von David Milchs Schöpfung verborgen. In Echtzeit sehen wir, wie Geschichte geschrieben wird und eine Gesellschaft entsteht – geboren im Schlamm und Dreck der Gesetzlosigkeit. Hier wird gemordet, geflucht und vergewaltigt. Die wenigen Regeln, die existieren, sind mit dem nächsten Pistolenschuss vergessen. Dennoch (oder gerade deswegen) befindet sich diese Welt stets in Bewegung. Deadwood: The Movie bring das mehr als deutlich zum Ausdruck.

Zehn Jahre nach dem Ende der dritten Staffel setzt die Handlung des Films ein, womit wir uns im Jahr 1889 befinden. Telefonmasten werden aufgestellt, am Telegramm halten nur noch diejenigen fest, denen der Fortschritt nicht geheuer ist. South Dakota soll als 40. Bundesstaat in die USA aufgenommen werden – aus diesem Anlass begibt sich auch George Hearst (Gerald McRaney), der inzwischen zum Senator aufgestiegen ist, ins pulsierende Deadwood. Dort kollidiert der Bösewicht, der entgegen seiner offiziellen Position nicht vor ruchlosen Methoden zurückschreckt, erneut mit Al Swearengen (Ian McShane) und Seth Bullock (Timothy Olyphant), ganz zu schweigen von Trixie (Paula Malcomson), die ihm zuletzt eine Kugel in den Körper jagte.

Deadwood: The Movie schließt damit trotz der vergangenen Zeit nahtlos an das Ende der dritten Staffel und damit an einen der spannendsten Konflikte der Serie an. Gewissermaßen haben sich die Dinge in Deadwood doch nicht verändert: Swearengen beobachtet immer noch von seinem Balkon aus mit messerscharfem Blick die Geschehnisse in der Stadt, während Bullock auf den Straßen für Rechtmäßigkeit sorgt, hin- und hergerissen zwischen seinem Idealismus und der Verbissenheit, die aus seinen Erfahrungen resultiert. Hearsts Präsenz und kapitalistische Einstellung mischen das Treiben ordentlich auf – er hat das nächste Level erreicht und operiert auf größerem Territorium. Tief in seinem Inneren wird er aber von den gleichen niederen Instinkten getrieben wie einst.

Veränderung und Wiederholung gehen in Deadwood: The Movie einen schicksalhaften, tragischen Bund ein. Jede Figur kämpft weiterhin für sich. Manchmal lässt sich das mit einer größeren Sache vereinen, in den meisten Fällen jedoch zählt ausschließlich der Moment. Trotzdem kristallisiert sich zwischen all der Hoffnungslosigkeit, die aus dem im Hintergrund brodelnden Zorn und der plötzlich ausbrechenden Gewalt resultiert, ein Gefühl für Gemeinschaft und Zusammenhalt heraus. Das Ende von Deadwood soll nicht bloß ein bitteres, sondern vor allem ein hoffnungsvolles, versöhnliches sein. Die Figuren leben weiter, genauso, wie sie die letzten zehn Jahre irgendwo in dieser Welt verbracht haben. Es ist vielleicht das eindrücklichste Zeugnis für David Milchs unglaubliche Schaffenskraft.

Seine Geschichten enden nicht – weder aufgrund einer abrupten Absetzung noch im Zuge eines nachträglichen Finales -, sondern erreichen auch ohne den Segen des Publikums das nächste Kapitel. Diese unaufhaltsame Entwicklung ist fast schon unheimlich, gleichzeitig provoziert sie im Angesicht des Wiedersehens viele Gänsehautmomente in Deadwood: The Movie. Mit oder ohne Verlängerung: Deadwood wird immer nur einen Spalt breit die Tür in das ausklingende 19. Jahrhundert dieses Amerikas öffnen. Als spannende Meditation über die Zeit und wie sie vergeht, entpuppt sich die Rückkehr in die stetig wachsende Häuseransammlung. Das Herz des Films gehört dennoch den Figuren, egal, wie abscheulich diese sind.

Mit Ausnahme des 2017 verstorbenen Powers Boothe kehrt der gesamte Hauptcast der Serie zurück. Auch Keone Youngs Mr. Wu darf nicht fehlen, während Alma Garret (Molly Parker) zusammen mit ihrer Tochter Sofia (Lily Keene) anlässlich der bevorstehenden Feierlichkeiten in die Stadt zurückkehrt. Deadwood: The Movie findet plausible Gründe, um die vertrauten Figuren wieder zusammenzuführen und ihnen einen letzten großen Auftritt zu gewähren. Nicht jede erhält dabei die gleiche Aufmerksamkeit, immerhin bleiben David Milch und Regisseur Daniel Minahan, der auch fünf Episoden der Serie inszenierte, nur knapp zwei Stunden Zeit, um sich von Deadwood zu verabschieden. Selten wurden jedoch in der jüngeren Fernsehgeschichte zwei Stunden sorgfältiger genutzt als in diesem Film.

Deadwood: The Movie © HBO