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Greta – Kritik

In New Yorks Untergrund beginnt die Geschichte von Greta. Über den mit künstlichem Licht illuminierten Gängen pulsiert das Leben, doch Frances McCullen (Chloë Grace Moretz) streift isoliert durch die kalten Gänge der U-Bahn. Eigentlich könnte sie mit ihrer Freundin Erica (Maika Monroe) die aufregendsten Abenteuer in der Stadt erleben. Frances zieht sich allerdings lieber in die Einsamkeit zurück. Vor nicht allzu langer Zeit ist ihre Mutter an Krebs gestorben, die Beziehung zu ihrem Vater beschränkt sich seitdem auf wenige Anrufe. Verloren pendelt sie durch die riesige Metropole, bis sie eine schwarze Handtasche findet.

Besagte Handtasche gehört einer gewissen Greta Hideg (Isabelle Hubbert), die Frances gar nicht genug danken kann, als diese das wertvolle Stück mitsamt Personalien zu ihrer Besitzerin zurückbringt. Die Tasche war jedoch nur der Anfang einer folgenreichen Begegnung, denn beide Frauen merken, dass sie sich in einer ähnlichen Situation befinden und somit perfekt ergänzen – als wären Mutter und Tochter nach allen Schicksalsschlägen wieder vereint. Genauso schnell, wie diese Freundschaft entsteht, verrät uns Regisseur Neil Jordan, der gemeinsam mit Ray Wright auch das Drehbuch schrieb, dass Greta ein düsteres Geheimnis verbirgt.

Systematisch fängt die Antagonistin der Geschichte aufrichtige, aber naive Mädchen ab und lockt sie mit absichtlich vergessenen Handtaschen in ihr beschauliches Heim, das gerade im Kontrast zum wilden Treiben in New Yorks Straßen auf den ersten Blick wie ein vergessener Zufluchtsort wirkt. Das folgende Geschehen orientiert sich an vielen bekannten Mustern des Genres, lebt aber vor allem von der Unberechenbarkeit, die Isabelle Hubberts Greta ausstrahlt. Wahrlich bedrohlich spielt sie sich immer wieder in den Vordergrund und sorgt für einen Psycho-Thriller, der in seinen besten Momenten an die unerträgliche Spannung eines Films von Brian De Palma heranreicht.

Neil Jordan, der selbst über eine umfangreiche Filmographie inklusive ikonischer Filme wie Interview with the Vampire verfügt, verpasst allerdings die Chance, zwischen all den Versatzstücken seine eigene Stimme zu finden. So eindrucksvoll einzelne Sequenzen inszeniert sind, verliert Geta in anderen Passagen jeglichen Ausdrucksstärke. Besonders Stephen Rea stolpert da als Privatdetektiv in einen Film, der überhaupt nicht auf seine Ankunft vorbereitet ist. Zu schematisch laufen die offensichtlichen Erzählstränge schlussendlich zusammen. Und trotzdem gibt es da diese eine Szene, die einfach nur verblüffend, geradezu überwältigend ist.

Sie spielt in einem Kino – einem der wenigen echten Zufluchtsorte in diesem Film, an den sich Frances und Erica zurückziehen können, um dem Wahnsinn der Welt zu entkommen. Das Kinogang im Film ist sicherlich kein neues Bild, aber meist eine hinreißende, liebevolle Geste an das Medium selbst. Was Greta jedoch von andern Vertretern der Gattung unterscheidet, ist die Tatsache, dass sich die zwei besten Freundinnen in der Dunkelheit einen 3D-Film anschauen. Komplett verschwinden sie hinter den entsprechenden Brillen, sodass nur noch die Reflexion der Leinwand existiert und sich das Gezeigte ausschließlich durch die gewaltige Lichtblitz erahnen lässt.

Dann rollt eine Träne über Frances‘ Gesicht, die nicht einmal von der 3D-Brille versteckt, geschweige denn von dem Leinwandspektakel überspielt werden kann. Unaufhaltsam kullert sie die Wange herunter und besiegelt damit den wohl faszinierendsten Augenblick des Films. Eine Träne, die für das zerrissene Innenleben der Protagonistin steht und uns vom Schrecken und Schmerz der Welt berichtet. Aber auch eine Träne, die dem Kinos verschrieben ist in einer Zeit der Veränderung. Etwas sehnsüchtig blickt Greta der Vergangenheit hinterher, ehe im – recht chaotischen – Finale die junge Generation auf die alte trifft und ihrem Gefängnis mit allen Mitteln zu entkommen versucht.

Greta © Capelight