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Spider-Man: Homecoming – Kritik

Was war das für ein spektakuläres Debüt, das Peter Parker aka Spider-Man vor einem Jahr im Marvel Cinematic Universe hingelegt hat! Während sich die etablierten Größen des Franchise vor der grauen Beton-Kulissen eines Flughafen kloppten, sorgte das rote Kostüm der menschlichen Spinne geradezu für einen willkommenen Farbspritzer, der das nichtssagende Szenenbild in seinen Grundfesten erschütterte. Aufgeregt spann der Junge aus Queens sein Netz zwischen überlebensgroßen Superhelden, die ihm in puncto Coolness allerdings nur bedingt das Wasser reichen konnte. Die – durchaus gewagte – Einführung von Spider-Man in die große MCU-Maschinerie war geglückt, ebenso der mittlerweile zweite Reboot der Marvel-Ikone, die zuvor von Tobey Maguire und Andrew Garfield auf der großen Leinwand verkörpert wurde. Nun darf Tom Holland in das ikonische, mit technischen Spielereien geupdated Kostüm schlüpfen – und Spider-Man: Homecoming beweist, dass er wie dafür geschaffen ist, ohne seine Vorgänger zu entehren.

Ausschlaggebend dafür ist der erfreuliche Umstand, dass Tom Holland seine eigene, erfrischende Interpretation der Comic-Figur mitbringt, die sympathisch zwischen großen Heldentaten und einem Schülerleben als Außenseiter schwankt. Ihm zur Seite steht Jon Watts, der bereits mit seinem Debüt Cop Car ein aufregendes Coming-of-Age-Abenteuer als eigenwilligen Genrefilm inszenierte und sich somit als glückliche Wahl für den Regieposten erweist. Ausgeglichen hantiert er mit den vielen verschiedenen Anforderungen, die der Film zu erfüllen hat, ohne den Fokus auf seinen Protagonisten zu verlieren. So wird Spider-Man: Homecoming erstaunlich elegant im MCU verankert und erzählt darüber hinaus eine ÂOrigin-Story ohne Origin-Story. Der Tod von Onkel Ben, der in den ersten zwei Adaptionen als integraler Bestandteil der Mythologie und Dramaturgie diente, findet etwa gar nicht erst statt. Stattdessen wurde die Figur komplett gestrichen, um neue Impulse zu setzen und sich von den vorherigen Geschichten abzuheben.

Eine Entscheidung, die sich auf dem Papier nachvollziehbar und mutig anhören mag. Im fertigen Film funktioniert sie jedoch bloß bedingt, denn trotz feinen und cleveren Akzenten fehlt Spider-Man: Homecoming auf lange Sicht jegliche Konsequenz und somit jegliches Gewicht. Immer wieder eröffnen sich Möglichkeiten, um das Geschehen zu vertiefen – so zum Beispiel, wenn sich Peter Parker in seinem Heldendrang verkalkuliert und leichtfertig das Leben anderer Menschen aufs Spiel setzt, anstelle sich zur vergewissern, wo seine Grenzen liegen. Viel zu oft lässt der Film diese Ereignisse umkommentiert stehen, obgleich verschiedene Figuren bereits den nächsten Schritt andeuten. Tony Stark aka Iron Man (Robert Downey Jr.) und sein Chauffeur Happy Hogan (Jon Favreau) fungieren in dieser Hinsicht als Schlüsselinstanzen, aber auch der tragische Antagonist Vulture (Michael Keaton) ergänzt den Kreis potentieller Vaterfiguren, die Lektionen über das Leben erteilen, ohne dass sich je eine ihrer Sorgen und Drohungen als tatsächliches Problem bestätigt.

Das ist sehr schade, denn Spider-Man: Homecoming leistet stets hervorragende Vorarbeit, traut sich aber nie, eine Handlung im entscheidenden Moment zu Ende zu denken, als würde sich Peter Parker vor lauter Aufregung über sein Abenteuer mit den Avengers auf dem Heimweg von der Schule verlaufen. Der neue Spidey kommt also nie dort an, wo er eigentlich hinmöchte. Gleichzeitig spiegelt dieser Umstand sehr schön die Irrwege eines Jugendlichen, der sich über Nacht zwischen zwei völlig unterschiedlichen Welten hin- und hergerissen fühlt und noch jede Menge Erfahrungen sammeln muss. Zwischen all den obligatorischen Stationen einer solch metaphorischen Erzählung des Erwachsenwerdens erschafft Jon Watts vor allem im Heimlichen wundervolle Augenblicke, die Tom Hollands Peter Parker herzergreifend in Szene setzen. So sitzt er nach eine enttäuschenden Tag ohne richtige Heldentaten auf einem Dach in Queens und redet niedergeschlagen mit einem Anrufbeantworter, während die Sonne im weit entfernten Manhattan untergeht.

Die unvergleichliche Skyline von New York City, die Sam Raimi und Marc Webb in schwindelerregenden wie überwältigenden Aufnahmen eingefangen haben, avanciert in Spider-Man: Homecoming zur heimlichen Sehnsucht eines Jungen, der vergeblich darauf wartet, von Mr. Stark für eine neue, aufregende Mission rekrutiert zu werden, obwohl er eigentlich im Unterricht von Mr. Harrington (Martin Starr) sitzen und sich mit dem Lehrplan beschäftigen sollte. Da ist auch das Mädchen, in das Peter Parker unsterblich verliebt ist, sich aber nicht traut, es anzusprechen. Stattdessen schleicht er sich lieber mitten in der Nacht aus dem Haus, um Kriminellen das Handwerk zu legen. Hier verirrt sich eine Coming-of-Age-Geschichte in einen Superhelden-Film oder ist es doch die Superhelden-Geschichte, die sich in einen Coming-of-Age-Film verirrt? Die Antwort liegt irgendwo dazwischen und so wandelt Spider-Man: Homecoming mit seiner liebevollen Attitüde wie zuletzt auch Power Rangers auf den Spuren eines John Hughes-Films mit Helden-Einschlag.

Spider-Man: Homecoming © Sony Pictures