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The Post – Kritik

Da liegen sie ausgebreitet, die schmutzigen Geheimnisse der Nation, im Zimmer eines schäbigen Motels. Die Türen sind verschlossen, ebenso die Jalousien. Ein geheimes Treffen, das die Welt verändern könnte – und dennoch bleibt eine Entscheidung, die getroffen werden muss, bevor die erhoffte Kettenreaktion in Gang gesetzt werden kann. Ob er die Papiere, die den zwielichtigen Machenschaften der USA in Vietnam ein Gesicht verleihen, wirklich veröffentlichen wird, will der Whistleblower von dem ihm gegenüberstehen Journalisten wissen, der sich in einem kurzen, unscheinbaren Moment des Nachdenkens flüchtet, ehe er mit entschlossener Stimme eine positive Antwort gibt, fest überzeugt, von der Richtigkeit und Notwendigkeit der Sache. The Post strotzt geradezu von solch hoffnungsvollen wie idealistischen Augenblicken. Dass er den anstrengenden Kampf dahinter nicht vergisst, macht den neuen Film von Steven Spielberg zu einem zeitlosen Polit-Drama, das sich facettenreich und elegant inszeniert den großen, komplexen Themen einer Welt annähert, die sich zunehmend schneller dreht.

So ereignet es sich beinahe, dass jene schmutzigen Geheimnisse im Nirvana endloser Redaktionsräume verschwunden wären, hätte es nicht das hartnäckige Nachfragen, Starren und Klopfen einiger Journalisten gegeben, die ihren Idealen nachjagten, bevor sie gezwungen wurden, selbige infrage zu stellen. Bei all dem hektischen Tippen und Telefonieren erhält der Karton mit den brisanten Unterlagen bei der Washington Post vorerst gar keine Aufmerksamkeit, sondern wird auf die Wartebank verbannt, obgleich sich jeder Redakteur im Raum nach exakt dieser Story sehnt. Immer wieder findet Steven Spielberg in Liz Hannahs und Josh Singers Drehbuch diese ungedeckten Momente, in denen die Menschen damit beschäftigt sind, auf dem Laufenden zu bleiben, sodass sie sie ihre unmittelbare Umgebung aus den Augen verlieren. Selbst ein erfahrener wie unerschrockener Redakteur wie Ben Bradley (Tom Hanks) tappt – gleich mehrmals – in diese Falle, da er mit rasender Entschlossenheit den Kolleginnen und Kollegen der New York Times hinterherjagt, um dem Wettbewerb standzuhalten.

The Post operiert im Zuge einer enthüllenden Geschichte auf mehreren Ebenen und wird dabei nicht müde, die vielen verschiedenen Spieler auf dem politischen Schachbrett vorzustellen und ihre Positionen zu beleuchten. Anfangs fährt die Kamera noch verträumt durch ein Washington, D.C., das in den lichtdurchfluteten Bildern von Janusz Kamiński erstrahlt und dabei nostalgische Gefühle an eine analoge Zeit weckt, in der schwarze Tinte auf weißem Papier die Straßen eroberte. Später nimmt das Tempo zu und Steven Spielberg demonstriert in einer perfekten Spiralen, wie sich die Ereignisse zuspitzen und schließlich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion kulminieren. Dynamisch und mitreißend erzählt, lässt The Post ab einem gewissen Zeitpunkt sogar vergessen, dass die einzelnen Mitglieder des namhaften Ensembles komplett in ihren Rollen aufgehen und mit der filmischen Wirklichkeit verschmelzen. Effektiv betont Steven Spielberg, was für die einzelnen Figuren auf dem Spiel steht, sollten sie sich dazu überwinden, die eingangs erwähnte Entscheidung zu treffen.

Und dann steht Katherina Graham (Meryl Streep), ihres Zeichens die erste Zeitungsverlegerin in den USA, kurz vor Mitternacht in den Gemächern ihres prächtigen Hauses, umringt von Herren in vornehmen Anzügen, die Hals über Kopf auf sie einreden. Das Überleben der Washington Post steht auf dem Spiel, während sich im Hintergrund das Gewissen der Vereinigten Staaten ins Jenseits verabschiedet. The Post bewegt sich meisterhaft auf dem schmalen Grat zwischen Politik und Medien, Freundschaft und Profession sowie dem Erfolg in Gegenüberstellung der Werte, die es – zumindest in der Theorie – zu erhalten und schützen gilt. Über den Wert der Theorie will das Drehbuch aber gar nicht erst verhandeln. Stattdessen folgen eloquent formulierte Provokationen, die Aktion fordern, und Katherine Graham stellt sich in mutiger Unsicherheit gegen die vermeintliche Vernunft und ein Machtkonstrukt, das vom männlichen Geschlecht kontrolliert wird, obwohl sie vielleicht selbst noch nicht ganz sicher ist, welche Prinzipien sie genau verteidigt. Der Funken zur (kleinen) Rebellion ist dennoch entfacht.

Schwierig ist es nämlich, zu den Entscheidungen zu stehen, wenn sie erst einmal getroffen sind. The Post liefert dabei ein leidenschaftliches Plädoyer für Menschlichkeit und Demokratie ab, während sich die Darstellung der wahren Begebenheiten gleichermaßen als Zeitporträt lesen lässt, ebenso aber einen allgemeingültigen Ton anschlägt, der allegorisch unabhängig von Ort, Zeit und Personal seine gesamte Wirkung entfalten und vor allem inspirieren kann. Ausschlaggebend dafür sind nicht zuletzt die greifbaren Emotionen, die Steven Spielberg beispiellos in Erzählung webt, sei es der große Triumph, wenn die Druckmaschinen sprichwörtlich wie im übertragenen Sinn das gesamte Redaktionsgebäude erschüttern, oder der heimliche Siegeszug einer aufrichtigen Geste, die unerwartet anerkennend unter die Oberfläche blickt und die wahre Hürde erkennt, die überwunden werden musste, um die Welt zu verändern. Spürbar dabei ist in jeder Faser die Kraft des Kinos, entfesselt von einem der größten Filmemacher unserer Zeit.

The Post © Universal Pictures