Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

Valerian and the City of a Thousand Planets – Kritik

Insgesamt 22 Bände umfasst die von Jean-Claude Mézières gezeichnete und mit Texten von Pierre Christin ausgestattete Comic-Reihe Valérian et Laureline, die 1967 zum ersten Mal veröffentlicht wurde und seitdem Generationen von Lesern begeistert und inspiriert. Ein kurzer Blick in die Kinogeschichte genügt, um die liebevollen Referenzen bis schamlosen Plagiate ausfindig zu machen, so reich ist das Valérian-et-Laureline-Universum an Ideen, die sich später in unterschiedlicher Form und Ausprägung im popkulturellen Gedächtnis verewigten. Wenn Luc Besson, der unter anderem bei der Entstehung von The Fifth Element auf Motive der Weltraumabenteuer der titelgebenden Agenten zurückgriff, nun selbst eine autorisierte Adaption der Geschichte ins Kino bringt, stellt sich vor allem die Frage, wie die geballte Wucht der umfangreichen Vorlage im Rahmen eines abendfüllenden Spielfilms begreifbar gemacht werden kann.

Nur wenige Minuten von Valerian and the City of a Thousand Planets vergehen, da haben wir bereits einen Zeitsprung von mehreren Hundert Jahren und den ersten Kontakt mit zahlreichen Außerirdischen aller Couleur erlebt. Bevor sich Luc Besson dem überbordenden Wahnsinn seines Science-Fiction-Epos hingibt, fängt er allerdings im Detail und ganz langsam an. Mit den vertrauten wie hoffnungsvollen Klängen von David Bowies Space Oddity entführt die Kamera im 4:3-Format in die unendlichen Weiten des Weltraums, ehe das Bild mit den zunehmenden Alien-Begegnungen größer wird und der Film eine wunderschöne Utopie entwirft, die alleine durch die friedvolle Geste des Händeschüttelns zum Ausdruck kommt. Waren da am Anfang nur eine Handvoll Erdenbürger, die sich meilenweit von ihrer Heimat entfernt herzlich und erleichtert in die Arme gefallen sind, so formt sich im lauf der Zeit die gigantische Raumstation Alpha, die schon bald einem eigenen Planeten gleicht und somit zurecht den Beinamen Stadt der tausend Planeten trägt.

Luc Besson braucht keine Worte, um die Bedeutung dieses Einstiegs zu offenbaren – und genauso wortlos geht sein knapp 200 Millionen Dollar teurer Blockbuster weiter. Ein Umstand, der durchaus bemerkenswert ist, dominiert für gewöhnlich im Expositionsteil einer solchen Produktion ein unglücklicher Erklärungsdrang. Valerian and the City of a Thousand Planets verzichtet jedoch bewusst auf solch einordnenden Elemente und löst stattdessen das schönste Versprechen des Kinos ein, indem der Film in eine wahrhaft fantastische Welt entführt. Warum hier was genau passiert interessiert vorerst nicht, denn es geht um das Entdecken, um das Erleben. Es ist ein Genuss und eine Freude zu bezeugen, wie auf großen Leinwand eine fantasievolle wie komplexe Mythologie entsteht und Luc Besson, der ebenfalls das Drehbuch schrieb, mit den neugierig strahlenden Augen eines Kindes gespannt darauf wartet, was als nächstes passiert. Solch wertvolle Zeit bekommt ein Film dieser Größenordnung im formelhaften Hollywood-Kino leider viel zu selten zugestanden.

Valerian and the City of a Thousand Planets nutzt jede Sekunde, auch mit dem Bewusstsein, dass das, was hier passiert, überhaupt nicht selbstverständlich ist. Wo Luc Besson eben noch auf einen vorhersehbaren Trick setzte, um die nächste Eben der Geschichte zu erreichen, untergräbt er im nächsten Augenblick die Erwartungen. Wie der zentrale Handlungsschauplatz, die Raumstation Alpha, offeriert somit auch der Film stets einen unentdeckten Winkel, der das Tor in eine völlig neue Welt aufstößt, und im gleichen Atemzug den atemberaubenden den Moment des Eintauchens heraufbeschwört, verbunden mit der Ungewissheit, was auf der anderen Seite des magischen Durchgangs wartet. Generell spielt das Prinzip von Seiten und Ebenen eine entscheidende Rolle, sowohl aus erzählerischer als auch aus inszenatorischer Sicht. Während sich etwa Valérian (Dane DeHaan) und Laureline (Cara Delevingne) zwischen den Fronten verschiedener Parteien wiederfinden, überträgt Luc Besson sprichwörtlich den Zwiespalt in der szenischen Gestaltung des Geschehens.

Besonders markant sticht ein Set piece im ersten Akt heraus, bei dem der 3D-Effekt hervorragend mit den Möglichkeiten virtueller Realitäten kollidiert und die Helden der Geschichte zwischen zwei verschiedenen Dimensionen hin- und herspringen, wenn sie sich nicht sogar teilweise in beiden Dimensionen gleichzeitig befinden. Dem Einfallsreichtum sind folglich in Valerian and the City of a Thousand Planets keine Grenzen gesetzt – als würden Guillermo del Toros Fantasien auf die Abenteuerreisen von Jules Verne treffen, gemixt mit der überwältigenden Opulenz von jüngeren Werken der Wachowski-Geschwister und der Star Wars-Prequel-Trilogie. Dazu gibt es Kreaturen, die teils H.P. Lovecraft und teils Jim Henson sind, vom ausgefallen Kostümfundus (Hawaii-Hemden!) ganz zu schweigen. Dienten die zugrundeliegenden Comics noch als Inspiration für die unterschiedlichsten Stoffe, saugt Valerian and the City of a Thousand Planets mindestens genauso viele Einflüsse wieder auf und verarbeitet sie zur bisher aufregendsten Achterbahnfahrt des Kinojahres.

Beindruckend ist dabei vor allem die Kompromisslosigkeit, mit der sich Luc Besson der Verfilmung unscheinbarer Comic-Panels hingibt, denn mit sorgfältigen Studio-Kalkulationen hat Valerian and the City of a Thousand Planets nichts zu tun. So konventionell die CGI-Panoramen auf den ersten Blick wirken, umso mehr erstaunen sie beim zweiten. Ähnlich gestaltet es sich mit den Figuren und deren Besetzung, die eine angenehme Prise der duschgeknallten Casting-Entscheidungen von The Fifth Element mitbringt und in Dane DeHaan und Cara Delevingne zwei wirklich angenehme Hauptdarsteller gefunden hat. Hinsichtlich ihrer Figuren fußen diese zwar auf einem sehr groben Fundament, sind in ihrer Dynamik jedoch unschlagbar und letzten Endes auch dafür verantwortlich sind, dass der Film in Anbetracht seiner vielen Subplots und Schauplätze nicht auseinanderbricht. Wenngleich Valerian and the City of a Thousand Planets vordergründig eine recht einfach Geschichte erzählt, die zudem schnell durchschaut werden kann, kommt es Luc Besson am Ende auf das große Bild an – und das gleicht in seiner verführerischen wie mitreißenden Schönheit schlicht einem (Kino-)Traum.

Valerian and the City of a Thousand Planets © Universum Film