Obwohl die ersten Minuten von From the Desert Comes a Stranger um den Konflikt mit dem Pyke-Syndikat kreisen, ergibt sich The Book of Boba Fett in seiner sechsten Episode erneut der Dominanz einer anderen Star Wars-Geschichte. Schon letzte Woche übernahm The Mandalorian die Serie und erzählte von Din Djarins (Pedro Pascal) Abenteuern am Rand der Galaxis. Zurück auf Tatooine tritt nun Cobb Vanth (Timothy Olyphant) in Erscheinung, der als Sheriff von Mos Espa im Auftakt der zweiten Mando-Staffel mitmischte. Es ist bei Weitem nicht der einzige Gastauftritt.
From the Desert Comes a Stranger entführt uns auf einen waldigen Planeten, der – nach all den grimmigen Orten, die wir bisher besucht haben – einem Paradies gleicht. Din betritt eine strahlende Welt, in der kleine Droiden fleißig einen neuen Jedi-Tempel errichten. Von den kalten Blau- und Grautönen der letzten Folge fehlt jegliche Spur. Die grünen Landschaften strahlen ungewohnte Hoffnung und Friedlichkeit aus. Der Weg zu Grogu ist dennoch kein leichter: Auf die Abweisung von R2-D2, der sich einfach abschaltet, folgt ein mahnendes Gespräch mit Ahsoka Tano (Rosario Dawson).
Din muss sich der Frage stellen, warum er wirklich gekommen ist. Geht es ihm um das Wohl seines ehemaligen Schützlings oder die Heilung seiner eigenen Wunden? Grogu, der von Luke (Mark Hamill) in einer Spiegelsequenz der Dagobah-Szenen aus The Empire Strikes Back trainiert wird, steht am Ende ebenfalls vor einer schwierigen Entscheidung: Wählt er den Weg der Macht und wird zum Jedi? Oder kehrt er zu der Person zurück, die ihn wie einen Sohn aufgenommen hat? Einmal mehr kollidieren persönliche Wünsche mit der Berufung zu etwas Höherem im Star Wars-Universum.
Es ist das gleiche Dilemma, das Anakin Skywalker (Hayden Christensen) auf die Dunkle Seite der Macht getrieben hat. Der Fall des einstigen Jedi hallt auch in dieser Episode in Form eines kurzen Flashbacks nach, der die Order 66 aus Grogus Perspektive zeigt. Die Thematik ist spannend, wirkt aber unstimmig. Dass ausgerechnet Ashoka und Luke nach allem, was sie erlebt haben, auf die strengen Regeln des Jedi-Ordens setzen, die emotionale Bindungen verbieten, verwundert durchaus. Serienschöpfer Jon Favreau rekonstruiert ein vertrautes Hindernis, anstelle mit Neugier weiterzuerzählen.
From the Desert Comes a Stranger ist komplett in nostalgischen Erinnerungen gefangen. Mit der Rückkehr zahlreicher Star Wars-Figuren will die Folge kaschieren, dass wir uns an einen Ort verirrt haben, an dem absoluter Stillstand herrscht. Die eigentliche Geschichte von The Book of Boba Fett ist kaum zu erkennen. Boba Fett (Temuera Morrison) selbst taucht in seiner eigenen Serie nur noch als müder Nebendarsteller auf, während Fennec Shand (Ming-Na Wen) für ihn das Reden übernimmt. Gleichgültigkeit und Willkür breiten sich im einst vielversprechenden Mando-Verse aus.
Natürlich ist es nicht ohne Reiz, wenn Luke und Grogu schwerelos durch den Wald gleiten, als würden sie sich in der Star Wars-Version von Crouching Tiger, Hidden Dragon befinden. Auch die glühenden Farben beim verschwommenen Blick in die Zeit der Klonkriege sorgen für Gänsehaut. Gleichzeitig werden diese Momente bloß aneinandergereiht und nicht stimmungsvoll miteinander verschmolzen. From the Desert Comes a Stranger ist eine überladene und gleichzeitig erschreckend leere Star Wars-Fantasie. Im schlafwandelnden Blick dieses Luke Skywalkers kann man sich nicht verlieren.
Wo The Mandalorian alle erdenklichen Tricks bemühte, um die Rückkehr des legendären Jedi möglichst eindrucksvoll und überzeugend zu gestalten, gerät der dank Double und CGI verjüngte Luke in The Book of Boba Fett schnell an seine Grenzen. Obwohl nach wie vor ein Teil von Mark Hamill in der Figur steckt, wird er nie als Präsenz im filmischen Raum greifbar. Gerade im Kontrast zur herausragenden Arbeit der Puppenspieler:innen, die Baby Yoda zum Leben erwecken, verliert der digitale Geist auf ganzer Strecke. Selbst Cad Banes (Corey Burton) rote Augen brennen sich mehr ins Gedächtnis.
Der aus den Animationsserien The Clone Wars und The Bad Batch bekannte Kopfgeldjäger absolviert im Rahmen von The Book of Boba Fett seinen ersten Live-Action-Auftritt. In Freetown stellt er sich Cobb Vanth gegenüber und überbringt mit knurriger Stimme eine unmissverständliche Botschaft. Regisseur Dave Filoni, der neben Favreau als Co-Autor der Folge fungierte, beschwört die unerträgliche Anspannung eines Western-Duells herauf. Und dann blickt er Cad Bane mit einem intensiven Close-up direkt ins Gesicht – ein furchteinflößender Anblick, der einen Schauer über den Rücken jagt.
Wieder ist es aber nur ein Moment von vielen, die sich in From the Desert Comes a Stranger aufeinanderstapeln, in den letzten Zügen sogar richtig lieblos. Das Attentat auf das Sanctuary in Mos Espa, der Kriegsrat in Jabbas Palast und der Grogu-Cliffhanger gehen unbeholfen in eine Episode ein, die sich vor Ereignissen überschlägt, jedoch für keine klare Richtung entscheiden kann. Lediglich auf der Tonspur finden einnehmende Übergänge statt, wenn Ludwig Göransson und Joseph Shirley Lukes Leitmotiv aus The Mandalorian ausbauen und Grogus Charakter mit liebevollen Klängen vertiefen.
Beitragsbild: The Book of Boba Fett © Disney+/Lucasfilm
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