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A Ghost Story – Kritik

„What is it you like about this house so much?“, fragt M (Rooney Mara) ihren Mann C (Casey Affleck), während die Kamera im 4:3-Format wie ein alter Super 8-Film den Innenraum der Wohnung in Betracht nimmt, in der sich ein Großteil von A Ghost Story abspielt. „History“, lautet die schlichte Antwort in dem Film, der sich vorzugsweise im Schweigen und im Beobachten übt. Geschichte ist es, die verbindet. Auch M und C verbindet eine Geschichte, so fragmentarisch die Einblicke auch bleiben, die uns Regisseur und Drehbuchautor David Lowery in das gemeinsame Leben der Figuren gewährt. Schon bald sitzt M alleine in ebenjener Wohnung, die sich nicht ausstehen kann, stopft Kuchen in sich und versucht, über den Schmerz des Verlusts von C hinwegzukommen. Was folgt, ist eine intime Meditation über Existenz und Trauer, gepaart mit dem Wunsch, dass etwas bleibt.

David Lowery, der mit Ain’t Them Bodies Saints und Pete’s Dragon mehr als eindrucksvoll bewiesen hat, dass er es versteht, auf verschiedenen Ebenen sowie in verschiedenen Größenordnungen emotional packende wie aufrichtige Geschichten zu erzählen, präsentiert mit A Ghost Story seinen bisher zerbrechlichsten Film, der in seiner Gestaltung dermaßen reduziert ist, dass er in einem Kinojahr voller dröhnender Blockbuster geradezu prädestiniert ist, unterzugehen. Schlicht und zurückhaltend entstehen die Szenen, meistens ohne den Hauch einer Bewegung ausgestattet – und dennoch: A Ghost Story entwickelt ab der ersten Einstellung eine einnehmende Sogwirkung, die verschlingt und nie wieder loslässt. Jede Sekunde ist ein wertvolles Dokument von Menschlichkeit an einem Ort, der später sprichwörtlich zerbricht und in sich zusammenfällt.

Geschichte setzt nämlich keine Beständigkeit voraus. Im Gegenteil: Durch die Veränderung wird die Geschichte erst geschrieben und so dokumentiert A Ghost Story in unterschiedlich umfangreichen Passagen den Werdegang eines Hauses inklusive der verschiedener Bewohner_innen, ehe der Film auf maximal unspektakulärsten Weise den Niedergang jener Mauern verfolgt, die zahlreichen Menschen ein Zuhause geboten haben. Dann wühlen sich Maschinen durch Schlamm, Dreck und Erde. Ein neues Fundament wird gelegt, das die Zukunft bestimmt, wie es in den vergangenen Jahrhunderten schon mehrfach am gleichen Ort geschehen ist. Plötzlich offenbart sich A Ghost Story als andächtige Reise durch die Zeit, in der die anfängliche Trauer niemals verschwindet. Stattdessen kommt sie in unterschiedlichen Formen zum Ausdruck und schafft womöglich doch etwas Beständiges.

Es bleiben eben doch einige Dinge in dieser Welt, sei es ein zusammengefalteter Zettel in der Wand, der unscheinbar die Jahre überdauert, oder die Musik, die sich vibrierend durch die Zeit bewegt und nicht bloß Erinnerungen schafft, sondern diese lebendig werden lässt. David Lowery setzt viele feine Akzente in seiner Inszenierung, um sich der niederschmetternden Wucht des eingangs erwähnten Verlusts und dessen Folgen anzunähern, was ihm die meiste Zeit über mit verblüffenden Momenten gelingt. Manchmal formuliert er die Gefühle und Bedenken dennoch zu deutlich, zu konkret, anstelle die von Kameramann Andrew Droz Palermo sorgfältig eingefangenen Bilder für sich sprechen zu lassen. Immerhin wandert hier ein Geist durch die Unendlichkeit, dessen alleinige Präsenz trotz immer gleichem Laken zum Ausdruck unzähliger Emotionen wird.

Doch was suchen die Beobachter aus dem Jenseits? Während sie eben noch tatenlos in der Ecke standen, sorgen sie im nächsten Augenblick für Angst und Schrecken, indem sie Tassen und Teller durch den Raum fliegen lassen. Am Ende landen Scherben auf dem Boden und künden von der baldigen Vergänglichkeit, die in der Zeit lauert. „I’m waiting for someone“, gesteht schließlich ein anderer Geist, während sein Blick sehnsuchtsvoll in der Ferne nach jener Person sucht, an die er sich nicht mehr erinnern kann. Im Zusammenspiel mit Daniel Harts einfühlsamen Soundtrack steuert A Ghost Story in diesen Momenten auf transzendente Sphären zu, als würde sich Christopher Nolens Raum-Zeit-Odyssee Interstellar mit den Filmen von Terrence Malick vereinen – nur eben ganz heimlich, still und leise, dass es jeder Atemzug in seiner gesamten Kostbarkeit zur Geltung kommt.

A Ghost Story © Universal Pictures