Nachdem mit Tim Burtons Dumbo bereits im März die Realverfilmung eines Disney-Klassikers in die Kinos kam, folgt Ende Mai der Kinostart von Aladdin. Das Live-Action-Remake des gleichnamigen Zeichentrickfilms aus dem Jahr 1992 wurde von Guy Ritchie inszeniert und wartet mit Mena Massoud, Naomi Scott und Will Smith in den Hauptrollen auf. Gemeinsam mit Komponist Alan Merkin, der neben vielen anderen Disney-Filmen auch die Musik zum ersten Aladdin schrieb, statteten der Regisseur und seine drei Schauspieler am vergangenen Samstag Berlin einen Besuch ab, um das aufwendig produzierte Werk vorzustellen. Aber wie lässt sich der Geist einer ursprünglich animierten Geschichte in einen modernen Realfilm übertragen?
Bei einem ikonischen Disney-Film wie Aladdin ist die Verantwortung der Künstler groß, wenn sie die Erzählung mitsamt den beliebten Figuren nach knapp drei Dekaden erneut auf die große Leinwand bringen. Im Rahmen der Pressekonferenz zu Aladdin erzählt Naomi Scott, die Prinzessin Jasmin verkörpert, von der Herausforderung, ihr Vorbild aus dem Original zu ehren und gleichzeitig eine Version der Figur zu schaffen, mit der sich das Publikum im Jahr 2019 identifizieren kann. Jasmin wird im Verlauf des Films zu einer Anführerin, doch eine Behauptung reicht für diese Charakterentwicklung nicht aus. Entscheidend ist der Weg, den ihre Figur geht, um eine eigene Stimme zu erlangen.
Aladdin und die Verantwortung der Modernisierung
„Wir wollten [die Geschichte] modernisieren und vermenschlichen. [Jasmin] ist nicht perfekt und sie muss einige Herausforderungen bestehen“, so Naomi Scott. Vor allem zu Beginn des Films sind es die Niederlagen, die Jasmins Werdegang bestimmen, ehe sie in Form des neuen Songs Speechless ihren großen Moment erhält. „Es ist wichtig, die eigene Stimme zu erheben, selbst wenn man die Schlacht nicht gewinnen kann.“ Die Rolle von Jasmin in Aladdin anno 2019 ist damit deutlich reflektierter und komplexer, als sie es vor 27 Jahren war. Als Vorbild für die jüngere Zielgruppe des Films ist diese Botschaft wichtig, betont Naomi Scott, die nach ihrem Blockbuster-Einstand mit Power Rangers demnächst auch an der Seite von Kristen Stewart im Charlie’s Angels-Reboot zu sehen ist.
Mena Massoud, seines Zeichens der neue Aladdin, schildert derweil das Gefühl, wie es war, mit dem Zeichentrickfilm aufzuwachsen. Doch damit ist er nicht alleine: „Jeder am Set kannte den Film. Wir haben [die Vorlage] mit Respekt und Liebe behandelt und versucht, das Beste aus dem Projekt herauszuholen.“ Ausgehend von Will Smiths Worten war das jedoch gar nicht so einfach, denn der Dschinni-Darsteller sah sich anfangs mit gleich zwei Problemen konfrontiert: Angst und Stress. „Wenn du einen Kinderfilm machst, dann gibt es da diese zusätzliche Verantwortung, der du unbedingt gerecht werden willst.“ Für ihn als Vater, der genau weiß, welche Fragen solche Filme provozieren, geht darum, sich den Stoff genau anzuschauen und die Bedeutung des Erzählten zu hinterfragen.
Robin Williams‘ Geist schwebt über dem Realfilm
Will Smiths Angst und Stress resultierten darüber hinaus aus einem anderen Umstand: Robin Williams, der im Original dem Dschinni seine Stimme lieh und damit „wenig Platz für Verbesserungen gelassen hat.“ Will Smith ist sich sicher: „Robin Williams hat revolutioniert, was [als Synchronsprecher] im Animationsfilm möglich ist. Er hat das Spiel verändert.“ Will Smiths Dschinni soll nun gleichermaßen ein Hommage an die Arbeit des verstorbenen Schauspielers als auch seine eigene Interpretation sein. „Ich musste eine eigene Facette, eine eigene Energie finden. Tatsächlich ermöglichte mir die Musik den Weg in den Film.“ Wo Robin Williams die Figur um seine Stand-up-Persona erweitert hat, nutzte Will Smith seinen Prinz von Bel-Air.
Nervös war der dennoch – und ohne seinen Sohn, Jaden Smith, hätte er die Rolle womöglich gar nicht angenommen. Zwischen drei Drehbüchern musste sich der Hollywood-Star entscheiden. Als er seinen Sohn um Rat fragte, zögerte dieser keine drei Sekunden: „Duh! Die Chance, Dschinni zu spielen … bist du verrückt?!“ Trotz Robin Williams’ Schatten hat sich Will Smith diesen Part nun hingebungsvoll einverleibt und bringt diese Energie auch mit zur Pressekonferenz. Ohne die CGI-Experten hätte sein Dschinni trotzdem nicht zum Leben erweckt werden können. Als Vorbild für das Design diente übrigens die Statur eines Bodybuilder aus den 1970er Jahren. Dank Motion-Capture-Verfahren können wir das Ergebnis nun auf der großen Leinwand erleben.
Der Dschinni als die ultimative Will Smith-Rolle
Für Will Smith gestalteten sich die Dreharbeiten schlussendlich entspannend: „Es ist fantastisch, wenn man sich nicht stundenlang in der Maske aufhalten muss, sondern einfach so, wie man ist, auf die Arbeit gehen kann.“ Zudem zeigt Will Smith begeistert von den nachträglichen Möglichkeiten des Motion-Capture-Verfahrens: „Ich liebe den Prozess. Es gibt so viele Möglichkeiten, die Figur zu erschaffen und zu definieren. Die Disney-Magie ist echt! Das war mein erster Disney-Film und ich liebe es, wie er entstanden ist.“ Auch für die anderen Schauspieler entpuppte sich Aladdin als Paradies zum Ausprobieren: Es wird getanzt, gesungen und gesprungen. Dieser Film hat alles zu bieten, fordert einem aber auch einiges ab. Wie es war, eine Disney-Prinzessin in einem Realfilm zu verkörpern? „Surreal“, gesteht Naomi Scott.
Zufrieden wirken sie trotzdem alle, besonders Will Smith, der nichts dagegen hätte, wenn sein Dschinni in Zukunft die Rolle ist, mit der er von seinen Fans als erstes in Verbindung gebracht wird. Immerhin wartet der Prinz von Bel-Air schon lange auf eine Ablösung. So kommen in Dschinni all die verschiedenen Elemente zusammen, die Will Smith bisher im Verlauf seiner Karriere begleitet haben, angefangen bei der Musik über das Schauspiel bis hin zu seinem Mitwirken in großen Hollywood-Blockbustern voller Action und Spezialeffekte. „Ich liebe diesen Film wirklich“, sagt Will Smith, auch wenn er nicht von Anfang an von dem Projekt überzeugt war. Vor allem ein Name sorgte – auch bei den anderen Cast-Mitgliedern – für Aufsehen: Guy Ritchie.
Guy Ritchies Meisterwerk ist die Prinz Ali-Sequenz
Der britische Regisseur ist mit lässigen Gangsterfilmen wie Lock, Stock and Two Smoking Barrels und Snatch bekannt geworden, bevor er seinen unverkennbaren Stil mit Sherlock Holmes nach Hollywood brachte. Zuletzt inszenierte er dort auch den extrem stylishen Agentenfilm The Man from U.N.C.L.E. sowie das hinter der Erwartungen zurückgebliebene Fantasy-Epos King Arthur: Legend of the Sword. Als Regisseur eines Disney-Musicals konnte sich Guy Ritchie bis zu Beginn der Dreharbeiten niemand so richtig vorstellen. Dabei verstecken sich in seiner Filmographie mehrere Hinweise, die ihn durchaus für eine solche Aufgabe prädestinieren. Nicht zuletzt konnte sich Guy Ritchie schon mehrmals als Musikvideo-Regisseur beweisen.
Auch abseits davon zeichnet das hervorgehobene Zusammenspiel von Musik und Film sein Schaffen aus, selbst wenn im Fall von Aladdin die eigene Familie der wichtigste Antrieb und Inspirationsquell zur Umsetzung war, wie der Regisseur erläutert. Will Smith ist derweil um kein Lob verlegen. Die aufwendige Prinz Ali-Sequenz erklärt er zu Guy Ritchies Meisterwerk – ganze 30 Minuten Vorbereitungszeit benötigte jeder Take, bis die zahlreichen Statisten ihre Ausgangsposition eingenommen hatten. Die Disney-Magie entsteht folglich nicht nur aus computergenerierten Effekten, sondern ebenfalls aus der durchdachten Inszenierung, die Aladdins Welt für uns Zuschauer zugänglich macht.
Ohne Alan Menkens Musik existiert keine Disney-Magie
Schlussendlich wäre aber all diese Disney-Magie nichts ohne Alan Menkens meisterhafte Kompositionen. Doch wie gestaltete sich die Rückkehr zu jenem Stoff, den er zuletzt 2011 als Bühnenmusical neu aufbereitet hat? „Der Score wurde der Zeit angepasst, einige Texte wurden neu geschrieben und es gibt einen neuen Song für Jasmin, der ihr wirklich eine Stimme verleiht und dafür sorgt, dass sie gehört wird.“ Aladdin baut also nicht nur auf Nostalgie, sondern ist ebenfalls bemüht, mit neuen Elementen die Brücke zur Gegenwart zu schlagen. Das kommt nicht nur durch das diverse Ensemble und den Fokus auf Representation zum Ausdruck, sondern ebenso durch die Musik.
Gemeinsam mit Benj Pasek und Justin Paul, dem Duo hinter La La Land und The Greatest Showman, entwickelte Alan Menkin Jasmins neuen Song. Dieser trägt den Titel Speechless und bietet Naomi Scott die perfekte Bühne, um ihre Figur zu vertiefen und greifbar zu machen. Ausgehend vom Applaus, den sie auf der Pressekonferenz erhält, gehört ihre Performance zu den eindrücklichsten Augenblicken des gesamten Films. Dennoch war es gar nicht so einfach, das Lied in den bestehenden Soundtrack zu integrieren. „Wenn es zu spät auftaucht, verfehlt es seine Wirkung, wenn es zu früh kommt ebenso“, erklärt Alan Menken. „Also haben wir uns dazu entschieden, das Stück zu teilen.“
Die erste Hälfte steht nun unter dem Motto „I don’t want to be speechless“, während die zweite Hälfte später ergänzt: „I will not remain speechless.“ Die Teilung war ein Erfolg: „Jetzt fühlt sich der Song wie ein Teil des Films an, aber der Weg dorthin war kein leichter“, schließt Alan Menkin seine Ausführung ab. Wie sich Musik und Film vereinen – das ist für ihn sehr wichtig, wie er auch bei der Frage nach seinem Lieblingsmoment aus einem Disney-Film antwortet: Beethovens 6. Sinfonie in Fantasia ist ihm nie wieder aus dem Kopf gegangen. Will Smith trauert derweil immer noch um Mufasas Tod in The Lion King, während Naomi Scott von Mulan schwärmt und Mena Massoud eine Begeisterung für die düsteren Disney-Stoffe hegt, konkret Dumbo und Pinocchio. Wir dürfen gespannt sein, wo sich Aladdin da einordnet.
Aladdin © Walt Disney Studios Motion Pictures
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