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All Too Well: The Short Film – Kritik

Fast eine Dekade nach der Veröffentlichung von Taylor Swifts viertem Studioalbum, Red, haben wir Gewissheit: Die zehnminütige Version von All Too Well existiert wirklich. Was lange ein Hörensagen war befindet sich als letzter Track auf der neu aufgenommen Version des Schlüsselalbums, das Swifts Übergang von Country zu Pop markiert: Red (Taylor’s Version). Der Breakup-Song wurde nie als Single veröffentlicht, avancierte im Lauf der Jahre aber zu einem Favoriten unter den Fans. Jetzt entfaltet er sich nicht nur in seiner ursprünglichen Länge, sondern auch als wundervoller Kurzfilm.

Neben all den Überraschungen, mit denen Red (Taylor’s Version) aufwartet, erweitert All Too Well: The Short Film den emotionalsten Song des Albums mit einnehmenden Bildern. Darüber hinaus stellt der Film mit Sadie Sink und Dylan O’Brien in den Hauptrollen einen spannenden Schritt in Swifts Schaffen dar: Nachdem sie mehrere Musikvideos und den gemütliche Konzertfilm Folklore: The Long Pond Studio Sessions inszeniert hat, entdeckt sie hier eine neue Form des Filmemachens für sich. Als Regisseurin erzählt sie ihre Geschichten genauso einfühlsam wie als Songwriterin.

„Love is so short; forgetting is so long.“ Mit dem Zitat des chilenischen Dichters Pablo Neruda beginnt Swift die filmische Erweiterung von All Too Well, ehe sie uns ein junges Paar vorstellt, das Hals über Kopf ineinander verliebt ist. „Are you for real?“, fragt Sinks Figur ungläubig, während sie mit dem von O’Brien gespielten Freund im Bett liegt. Liebevoll schauen sich die beiden in die Augen und berühren sich – gerahmt im Seitenverhältnis 4:3. Das geöffnete Passepartout der Aufnahmen schafft zusätzliche Intimität und ein verträumtes Gefühl, das sich durch den gesamten Film zieht, auch in den düsteren Passagen.

Die verschiedenen Beziehungsphasen gehen fließend ineinander über. Durch kleine, unscheinbare Gesten wird der Bruch vorbereitet, der danach in jeder Faser des Films zu spüren ist. Als es zum Streitgespräch kommt, verstummt Swifts Musik und die Bühne gehört komplett den Schauspielenden. Plötzlich fehlt die Sicherheit der Erzählstimme. In diesem zerbrechlichen Augenblick erforscht All Too Well: The Short Film, was es bedeutet, für sich selbst einzustehen. Der Gedanke schließt an Swifts Text an, der auf Erfahrungen der Künstlerin basiert – gerüchteweise einer Beziehung mit Jake Gyllenhaal.

Der Altersunterschied des Paars, der auch in der 10-minütigen All Too Well-Version eine größere Rolle spielt, spiegelt sich in der Besetzung von Sink und O’Brien wieder. Auf der einen Seite eine junge Frau, die sich neugierig ins Leben stürzt. Auf der anderen Seite der ältere Mann, der nicht daran interessiert ist, seinen Vorsprung an Lebenserfahrung zu teilen. All Too Well: The Short Film findet zerreißende Bilder für den Moment der Erkenntnis. Sie zeigen uns Scherben, aber auch Erinnerungen, die es unmöglich machen, einen klaren Schlussstrich zu ziehen – das Magische und das Verletzende vereint.

Als wichtige Verbündete bei der Umsetzung erweist sich Rina Yang. Die Kamerafrau war zuletzt für die Bilderwelten zu Musikvideos von FKA Twigs (Home With You) und Dua Lipa (Levitating) verantwortlich. In All Too Well: The Short Film fängt sie mit 35-mm-Aufnahmen sowohl die rauen als auch die zärtlichen Aspekte der Geschichte ein. Aufgewirbelte Schneeflocken, waldige Umgebungen und Lichter, die im Hintergrund verschwimmen: Ästhetisch schlägt der Film sogar perfekten Bogen zu jener starken Schaffensphase, die Swift letztes Jahr mit Folklore und Evermore eingeleitet hat.

Das Kino von Taylor Swift ist ein aufregendes und eine großartige Erweiterung ihrer Musik. Spielerisch wandelt sie durch die Stimmungen großer Liebesdramen wie Marriage Story, Blue Valentine und Scenes from a Marriage. Am atemberaubendsten sind die Augenblicke, in denen sie um ihre Figuren kreist und sich von ihnen in den Bann ziehen lässt. Selbst nach neun Jahren ist Swift nicht müde geworden, in den prägenden Song einzutauchen. All Too Well: The Short Film ist der beste Beweis, dass es noch sehr viel zu entdecken gibt – und Swift auf allen Ebenen eine fantastische Erzählerin ist.

Beitragsbild: All Too Well: The Short Film © Taylor Swift Productions/Saul Projects