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Anima – Paul Thomas Anderson orchestriert ein fesselndes Stummfilmballett mit Thom Yorke auf Netflix

Zuletzt waren es The National, die sich mit Regisseur Mike Mills und Schauspielerin Alicia Vikander zusammengeschlossen haben, um ergänzend zu ihrem neusten Album, I Am Easy to Find, einen Kurzfilm zu produzieren, der ihre Musik noch einmal auf ganz neue, besondere Weise zum Leben erweckt. Wenige Wochen später überraschte Netflix mit der Ankündigung eines ähnlichen Projekts: Anima. Dabei handelt es sich um eine Zusammenarbeit von Paul Thomas Anderson und Thom Yorke, die im Zuge des gleichnamigen Soloalbums des Radiohead-Sängers entstand.

Das Ergebnis umfasst die Länge einer Filmrolle (von Netflix als „One-Reeler“ beworben) und greift auf drei Songs von Thom Yorkes neuem Album zurück: Not the News, Traffic und Dawn Chorus. Die Geschichte von Anima beginnt in einem U-Bahn-Schacht und entführt uns somit in ein Labyrinth aus Schatten. Durch die klaustrophobischen Gänge schlängeln sich die Menschen, die sich auf dem Weg zur Arbeit befinden. Sie wirken fremdgesteuert, mechanisch und ohne eigene Identität – nur der von Thom Yorke verkörperte Protagonist sticht aus dem Gleichschritt der Masse heraus, die an die Arbeiter in Metropolis von Fritz Lang und George Orwells 1984 erinnert.

Eine beklemmende Atmosphäre bestimmt die ersten Minuten von Anima, während die Musik als treibender Puls in den tiefen Tunneln der U-Bahn fungiert. Schlafwandelnd bewegen sich die Menschen durch die Enge – in einem Tanz, der sich so einnehmend wie beunruhigend entfaltet, bis sich schließlich auch die Umgebung verformt. Gefangen im Rhythmus und trotzdem außerhalb der Reihen: Wie sich Thom Yorkes Protagonist durch diesen Film bewegt, bleibt das faszinierendste Element von Anima, der sich zwischenzeitlich anfühlt, als hätte sich Buster Keaton in die Gassen von The Third Man verirrt.

Ein dystopischer Bildersturm, ein mitreißender Stummfilm und ein federleichtes Ballett: In Anima arbeitet Paul Thomas Anderson mit vielen verschiedenen Einflüssen und erschafft daraus ein Werk, das seine eigene Dynamik besitzt und sich besonders durch die Sorgfalt und Aufmerksamkeit des Filmemachers auszeichnet. Dann vereint sich das Bedrohliche mit etwas Verträumtem und je weiter der Film voranschreitet schleicht sich auch ein romantischer Aspekt in die fesselnden Aufnahmen von Kameramann Darius Khondji, die jede Bewegung, jede Regung dieses Fiebertraums festhalten.

In den finalen Minuten werden wir schließlich Zeugen, wie das Zusammenspiel von Bewegung und Musik – zumindest für einen kurzen Augenblick – den Ausbruch aus dem deprimierendem, kühlen Grau der U-Bahn ermöglicht. Mit einer geheimnisvollen Frau (Dajana Roncione) flüchtet Thom Yorkes Protagonist in den Nebel, in die Ungewissheit der frühen Morgenstunden. Für einen Moment ist alles möglich, ehe sich die beiden in einer Tram wiederfinden – zusammen, aber irgendwie doch allein. Die Sonne scheint trotzdem und etwas Friedliches tritt an die Stelle der ursprünglichen Rastlosigkeit von Anima.

Anima © Netflix